16.02.2016 -

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Mitversicherung angestellter Klinikärzte in der Betriebshaftpflichtversicherung eines Krankenhauses nach § 102 Abs. 1 VVG kein Lohn ist, weil die Mitversicherung keine Gegenleistung für die Beschäftigung ist.

Der Fall (verkürzt):

Streitig war, ob die von einem Krankenhaus für die dort beschäftigten Klinikärzte abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherung einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bei den Klinikärzten begründet. Die Klägerin betrieb im streitigen Zeitraum 2007 bis 2009 ein Krankenhaus. Sie gehörte zum Gesundheitskonzern … GmbH, einem privaten Betreiber von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen. Die Klägerin war in den Versicherungsschutz des Haftpflicht-Rahmenvertrags mit der … Versicherung vom 1.1.2006 einbezogen, der das mit dem Betrieb des Krankenhauses für die Klägerin erwachsende Haftungsrisiko erfasste. Er erstreckte sich nach § 102 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) auch auf die Haftung für die zur Vertretung der Klägerin befugten Personen sowie auf die Personen, die in einem Dienstverhältnis zur Klägerin standen, nämlich insbesondere auf medizinisches Fachpersonal und die angestellten Ärzte. Der dadurch gewährleistete Versicherungsschutz für angestellte Ärzte beschränkte sich auf das aus dem Anstellungsverhältnis erwachsende Haftungsrisiko. Beiträge für private, auf angestellte Ärzte persönlich lautende Berufshaftpflichtversicherungen hatte die Klägerin nicht übernommen.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA) vertrat im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, dass die von der Klägerin gezahlten Versicherungsbeiträge, soweit sie sich auf die angestellten Ärzte erstreckten, einen geldwerten lohnsteuerlichen Vorteil darstellten. § 21 der Berufsordnung (Satzung) der Ärztekammer Schleswig-Holstein (BO) verpflichte Ärzte, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die Klägerin habe als Arbeitgeber mit den Ärzten einen Dienstvertrag vereinbart, in dem sich die Klägerin verpflichtet habe, für die Ärzte eine Haftpflichtversicherung gegen Schadenersatzansprüche Dritter abzuschließen. Im jährlichen Versicherungsbeitrag in Höhe von 138.000,00 € seien Anteile enthalten, die die Beiträge der angestellten Ärzte abdeckten. Die Übernahme dieser Beiträge durch den Arbeitgeber führe zu Arbeitslohn; der auf die Ärzte entfallende jährliche Vorteil sei auf 6.505,00 € zu schätzen. Dementsprechend erließ das FA für die Jahre 2007 bis 2009 einen Haftungsbescheid über insgesamt 6.830,25 € Lohnsteuer zuzüglich Annexsteuern.

Das durchgeführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Die Entscheidung:

Der Senat wies die Revision zurück. Denn die Klägerin habe mit dem Abschluss ihrer eigenen Betriebshaftpflichtversicherung ihren angestellten Ärzten keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil zugewandt.

Der von der Klägerin erworbene Versicherungsschutz zur Deckung des mit dem Betrieb ihres Krankenhauses erwachsenden Haftungsrisikos diene ihrem eigenen Versicherungsschutz. Die Klägerin habe damit ihren Arbeitnehmern nichts zugewandt; die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Versicherung folge allein aus der gesetzlichen Regelung des § 102 Abs. 1 VVG. Soweit die angestellten Ärzte der Klägerin keinen eigenen Haftpflichtversicherungsschutz mehr erwerben mussten, seien dies bloße Reflexwirkungen der originär eigenbetrieblichen Betätigung der Klägerin als Arbeitgeber. Schließlich habe die Klägerin gegen mögliche Haftpflichtansprüche aus Schadensfällen, als Versicherungsnehmerin eine eigene Betriebshaftpflichtversicherung im Sinne des § 102 Abs. 1 VVG abschließen müssen. Soweit die Betriebshaftpflichtversicherung nach § 102 Abs. 1 S. 2 VVG als für fremde Rechnung im Sinne der §§ 43 ff. VVG genommen gelte und sich dadurch auch auf die Haftpflicht der in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehenden Personen erstrecke, sei der damit gegebenenfalls bestehende Versicherungsschutz lediglich Folge der insoweit zwingenden gesetzlichen Regelung für die Betriebshaftpflichtversicherung, ohne dass der Arbeitgeber damit etwas „für“ die Beschäftigung gewähre.

Im versicherungsrechtlichen Sinne gelte die Betriebshaftpflichtversicherung dadurch zwar als aufgespaltene Versicherung, nämlich als Eigenversicherung zu Gunsten des Versicherungsnehmers und als davon zu unterscheidende Fremdversicherung zu Gunsten des Versicherten. In lohnsteuerrechtlicher Hinsicht wende der Arbeitgeber damit den Arbeitnehmern aber nichts zu. Denn insoweit fehle es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Senats an einer Leistung des Arbeitgebers, die sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen könnte. Regelungszweck des § 102 Abs. 1 VVG sei zuvörderst nicht die Zuwendung lohnsteuerrechtlicher Vorteile, sondern die Absicherung unternehmerischer Betätigung durch entsprechende versicherungsrechtliche Regelungen.

Auch sei der Streitfall nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Arbeitgeber eigene Beiträge der Arbeitnehmer zu deren von ihnen selbst abzuschließenden Versicherungen übernimmt, wie dies der Senat etwa zur Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber entschieden habe. In solchen Fällen liege eine Zuwendung des Arbeitgebers vor, die zu Arbeitslohn führe.

Hinweis für die Praxis:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG). Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Hieraus für Arbeitnehmer folgende Annehmlichkeiten sind bloße Reflexwirkungen einer originär ausschließlich eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt.

Fazit:

Vor diesem Hintergrund ist das Urteil nicht zu beanstanden. Zum gleichen Ergebnis kam der BFH hinsichtlich einer Rechtsanwalts-GmbH (vgl. BFH, Urteil v. 19.11.2015 – VI R 74/14, veröffentlicht am 10.02.2016).

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