15.03.2016 -

Kündigungen in der Probezeit bzw. der sechsmonatigen Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterliegen bekanntlich der freien Entscheidung des Arbeitgebers. In der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht Kündigungsfreiheit. Die Kündigungsfristen betragen in der Probezeit meist 14 Tage. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte zu entscheiden, ob eine Verlängerung dieser Kündigungsfrist – im konkreten Fall auf drei Monate – zulässig oder aber als Umgehung des Kündigungsschutzes zu werten ist (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14). Die Entscheidung ergänzt die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Aufhebungsverträgen in der Probezeit-/Wartezeit.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung in der Probe- bzw. Wartezeit mit einer dreimonatigen Frist. Der Arbeitgeber hatte am 26. Februar 2014, noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit, das Arbeitsverhältnis nicht mit der üblichen 14-Tages-Frist, sondern mit drei Monaten zum 31. Mai 2014 gekündigt. Im Kündigungsschreiben wurde eine Freistellung ab dem 16. Mai 2014 bis zum 31. Mai 2014 zur Erfüllung der Resturlaubsansprüche festgelegt. Weiter ist im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit der langen Kündigungsfrist eine Bewährungschance gewähren möchte und für den Fall der Bewährung bereit wäre, mit dem Arbeitnehmer über einen anschließenden neuen Arbeitsvertrag zu sprechen.

Der Kläger meint, dass mit einer längeren als der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist nur gekündigt werden dürfe, wenn ihm eine Bewährungschance eingeräumt werde und für den Fall einer Bewährung eine Wiedereinstellung „verbindlich“ zugesagt wäre. Andernfalls läge eine unzulässige Gesetzesumgehung vor. Dass dabei die Verlängerung der Kündigungsfrist vorliegend im überwiegenden Arbeitgeberinteresse gelegen habe, ergebe sich auch aus der Freistellungsanordnung ab dem 16. Mai 2014, mit welcher eine Bewährungsmöglichkeit gerade abgeschnitten worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.

I. Kündigungsfreiheit in der Wartezeit

Das Kündigungsschutzgesetz findet gem. § 1 Abs. 1 KSchG erst nach Ablauf von sechs Monaten Anwendung. Innerhalb dieser ersten sechs Monate, die in der Praxis oftmals auch als Probezeit bezeichnet werden, besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit. Der Arbeitnehmer ist während dieses Zeitraums lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Die Annahme einer Treuwidrigkeit setzt aber das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die der Arbeitnehmer beweisen muss.

Eine Treuwidrigkeit kann auch dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit einer sehr langen Kündigungsfrist ausspricht. Hieraus kann abgeleitet werden, dass sich der Arbeitgeber (zumindest vorerst) eigentlich gar nicht vom Arbeitnehmer trennen, sondern lediglich den Eintritt des Kündigungsschutzgesetzes verhindern will. Diese Frage hängt dann von den Umständen des Einzelfalles ab. Treuwidrigkeit liegt vor allem dann nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer durch die Verlängerung der Kündigungsfrist eine Bewährungschance eingeräumt werden soll.

II. Bewährungschance

Das Bundesarbeitsgericht hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass ein Aufhebungsvertrag innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit mit einer verlängerten Frist jedenfalls dann zulässig ist, wenn dem Arbeitnehmer über eine Wiedereinstellungszusage die Chance zur Bewährung eingeräumt wird. Für diesen Fall hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass eine Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nicht mehr in alleinigem oder überwiegendem Interesse des Arbeitgebers läge. Mit anderen Worten: Ein Aufhebungsvertrag innerhalb der Wartezeit zu einem späteren Zeitpunkt ist immer dann zulässig, wenn der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance einräumen möchte. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei eine Verlängerung um vier Monate als zulässig angesehen.

Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zu einem Aufhebungsvertrag hat das Landesarbeitsgericht nun auch entsprechend auf eine verlängerte Kündigungsfrist angewandt. Mit der verlängerten Kündigungsfrist sollte dem Arbeitnehmer, dies war in dem Kündigungsschreiben so ausdrücklich erwähnt, eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden, da er sich innerhalb der Wartezeit/Probezeit noch nicht bewährt hatte. Damit lag die Verlängerung der Kündigungsfrist gerade nicht im alleinigen Interesse des Arbeitgebers. Von einer Treuwidrigkeit konnte nicht ausgegangen werden.

Hinweis für die Praxis:

Wir empfehlen weiterhin den Weg der Aufhebungsvereinbarung. Diesen Weg hat das Bundesarbeitsgericht bereits ausdrücklich bestätigt und zugelassen. Ein Aufhebungsvertrag, der innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit vereinbart wird, kann also mit einer über das Ende der Wartezeit hinausgehenden Frist von weiteren vier Monaten vereinbart werden. Unklar ist, inwieweit eine Verlängerung über diese vier Monate hinaus zulässig ist. Damit hatte sich das Bundesarbeitsgericht noch nicht zu befassen. Zur Vermeidung von Unsicherheiten sollte daher diese Frist nicht oder nur geringfügig (maximal sechs Monate) überschritten werden. Dabei ist die Benennung der Bewährungschance im Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich erforderlich. Es reicht aus, wenn die Einräumung einer weiteren Bewährungschance Motivation für die Aufhebungsvereinbarung ist. Dies muss allerdings im Streitfall nachgewiesen werden können.

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