Der Zeitplan für die Reform der verfassungswidrigen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach weiter verzögern, und zwar vermutlich über die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Reformfrist hinaus.

Das Bundesverfassungsgericht hatte zwar in seinem Urteil vom 17.12.2014 Teile des Erbschaftsteuergesetzes als mit der Verfassung unvereinbar angesehen. Mit Rücksicht auf die Haushaltsplanung sowie die verwaltungstechnischen Schwierigkeiten hatte es aber eine begrenzte Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen angeordnet und einen Auftrag an den Gesetzgeber zur verfassungsmäßigen Ausgestaltung bis zum 30.6.2016 ausgesprochen.

Angesichts der ins Stocken geratenen Bemühungen des Gesetzgebers um eine Neuregelung war in den vergangenen Monaten sowohl im rechtswissenschaftlichen Diskurs als auch in der Politik und der Öffentlichkeit die Frage in den Vordergrund getreten, welche Rechtsfolge der drohende Ablauf der Reformfrist bei Untätigkeit des Gesetzgebers haben werde. Mit dem Argument, dass eine verfassungswidrige Norm  immer nur für eine Übergangszeit ausnahmsweise weitergelten dürfe und eine „Dauerverfassungswidrigkeit“ unzulässig sei, erwarteten  viele das Auslaufen der Erbschaftsteuer. Auf diese „Drohkulisse“ stützten sich zuletzt auch die Koalitionäre der großen Koalition in den Verhandlungen zum Gesetzentwurf.

Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts erklärte hierzu nun gegenüber Journalisten, dass es zunächst keine Konsequenzen gebe, wenn sich die Politik nicht bis zum 30.06.2016 auf eine Erbschaftsteuerreform einigen könne. Die bisherigen Normen seien zunächst weiter anwendbar. In seiner Entscheidung vom 17.12.2014 ordnet das Bundesverfassungsgericht also die (unbefristete) Fortgeltung der für verfassungswidrig befundenen Normen bis zur Neuregelung an, während die Reformfrist  eher eine Erwartungshaltung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem Gesetzgeber beschreibt.

Zwar gingen wohl nicht nur die Richter Ende 2014 davon aus, dass Bundestag und Bundesrat ihrer Verpflichtung rechtzeitig nachkommen würden. Nachdem nunmehr die klarstellenden Äußerungen aus Karlsruhe den Zeitdruck deutlich verringert haben, erwarten einige Beteiligte bereits, dass sich die Verhandlungen über die Neugestaltung des Erbschaftsteuerrechts weiter in die Länge ziehen werden. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass es wieder Klagen gegen das (in Teilen verfassungswidrige) Gesetz geben wird. Diese würden dann dem Gericht die Gelegenheit geben, das Urteil von 2014 zu präzisieren.

Ob die neueren Entwicklungen möglicherweise auch die Gelegenheit eröffnen, vom bereits gefundenen Koalitionskompromiss abzukehren und über eine grundlegende Reform des Erbschaftsteuerrechts nachzudenken (etwa über ein Flat-Tax-Modell), bleibt abzuwarten.

Hinweis für die Praxis:

Für alle Familienunternehmer, die in diesen Tagen ihre Unternehmens- und Vermögensnachfolge planen wollen, führt der unzulängliche Umgang des Gesetzesgebers mit dem Reformauftrag zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Bis zur gesetzlichen Neuregelung kann zwar nach der geltenden erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln übertragen werden. Mit einer möglichen Rückwirkung zum 17.12.2014 ist die Prognose, wie eine endgültige Entscheidung aussieht, aktuell aber rein spekulativ. Nachdem eine verständig geplante Unternehmensnachfolge stets einen längeren Prozess darstellt, sollten Betroffene die vorstehend beschriebenen Entwicklungen gleichwohl zum Anlass nehmen, die Nachfolgeplanung rechtzeitig anzugehen.

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