06.04.2016 -

Das Bundeskabinett hat die Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts am 20. Januar 2016 verabschiedet. Der Bundestag hat die Verordnung auf der Grundlage eines im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verankerten Parlamentsvorbehalts am 25. Februar 2016 gebilligt. Der Bundesrat hat ihr am 18. März 2016 zugestimmt.

Mit einer umfassenden Reform, die am 18. April 2016 in Kraft tritt, wird der Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland umfassend reformiert. Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen werden zukünftig mehr Flexibilität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erhalten. Durch die Reform werden drei neue EU-Richtlinien über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen umgesetzt. Die wesentlichen Regelungen sind im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zusammengeführt und vereinheitlicht worden. Einzelheiten der Vergabeverfahren werden in Rechtsverordnungen, der Vergabeverordnung, der Sektorenverordnung und der Konzessionsvergabeverordnung geregelt. Öffentliche Auftraggeber erhalten durch die Reform mehr Flexibilität im Vergabeverfahren, beispielsweise für Verhandlungen mit Bietern. Aufträge für soziale Dienstleistungen können in einem erleichterten Verfahren vergeben werden. Zudem wird das Vergabeverfahren künftig weitgehend elektronisch abgewickelt. Das beschleunigt die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen.

Freiräume für die öffentliche Hand

Das Vergaberecht kommt weiterhin erst zum Zuge, wenn öffentliche Auftraggeber Leistungen von Unternehmen am Markt nachfragen. Entscheidet sich eine Kommune, eine Leistung selbst zu erbringen, findet das Vergaberecht keine Anwendung. Die neuen EU-Richtlinien definieren hierfür erstmals die genauen Voraussetzungen. Dadurch erhalten Kommunen ein hohes Maß an Rechtssicherheit, staatliche Aufgaben in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen oder durch eigene Unternehmen erfüllen zu können. Zentrale Leistungen der Daseinsvorsorge sollen dadurch auch weiterhin sowohl in öffentlicher als auch in privater Verantwortung verbraucherfreundlich und kostengünstig erbracht werden können.

Besonderheiten für soziale Dienstleistungen

Dienstleistungen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich haben nur begrenzte Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Die EU-Richtlinien ermöglichen es daher den Mitgliedstaaten, für bestimmte – insbesondere soziale – Dienstleistungen vereinfachte Vergabeverfahren vorzusehen.

Nach § 130 GWB gelten für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen (u.a. Gesundheit) im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU (VRL) erleichterte Beschaffungsregeln. Diese greifen zudem erst ab einem eigenen Schwellenwert von 750.000,00 €. So ist es zum Beispiel in den genannten Bereichen, also insbesondere bei Dienstleistungen des Gesundheits-und Sozialwesens nach § 130 Abs. 1 GWB möglich, dass die Auftraggeber die Vergabeart, vorausgesetzt es findet ein Teilnahmewettbewerb statt, frei wählen.

Hinweis für die Praxis

Seit dem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2009 (Oymanns) ist zumindest die strittige Frage, ob Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB anzusehen sind, entschieden. Der EuGH bejahte die Auftraggebereigenschaft. Gleichwohl gibt es in der Praxis hinsichtlich der Anwendbarkeit des Vergaberechts im Gesundheitswesen weitere Fragestellungen. Dabei geht es v.a. um die Beschaffung von Hilfsmitteln (§ 127 SGB V) und die Vergabe von Arzneimittelrabattverträgen (§ 130a Abs. 8 SGB V) oder von hausarztzentrierten Versorgungsleistungen (§ 73b Abs. 4 SGB V).

Im Gesundheitswesen wird angesichts des Erwägungsgrundes vier der neuen Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU weiter über die öffentliche Auftragsvergabe diskutiert, ob Verträge, bei denen der öffentliche Auftraggeber keine Auswahlentscheidung trifft, dem Vergaberecht unterliegen. So hatte das OLG Düsseldorf im Jahr 2014 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Begriff des öffentlichen Auftrags nicht mehr erfüllt ist, wenn öffentliche Auftraggeber ein Zulassungsverfahren durchführen, bei dem sie den Auftrag vergeben, ohne einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer auszuwählen (sog. „Open-House-Modell“). Zwar bezieht sich der Vorlagebeschluss auf die alte Rechtslage. Dennoch werden die Hinweise des EuGH mit Spannung erwartet.

Fazit

Die Novellierung des Vergaberechts setzt die europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung in nationales Recht um. Das neue Vergaberecht bleibt allerdings komplex. Von der beabsichtigten Vereinfachung des Vergaberechts kann keine Rede sein. Auch im Gesundheitssektor werden die neuen Regelungen und deren Folgen kontrovers diskutiert werden.

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