22.05.2016 -

Eine Kündigung kann bekanntlich nach § 174 BGB zurückgewiesen werden, wenn der Bevollmächtigte dem Kündigungsschreiben eine Vollmachtsurkunde nicht beigefügt hat und der Arbeitnehmer das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitgeber zunächst eine Kündigung mit Vollmachtsurkunde ausgesprochen hat und später nochmals, wegen Unwirksamkeit der ersten Kündigung, eine weitere Folgekündigung ohne Vollmacht ausgesprochen wird? Kann dann diese zweite Kündigung wegen fehlender neuer Vollmacht erneut zurückgewiesen werden? Das Bundesarbeitsgericht hat diese praxisrelevante Frage in einem aktuellen Urteil verneint (BAG v. 24.09.2015 – 6 AZR 492/14). Wir möchten die Entscheidung hier besprechen, beschränken uns aber auf den relevanten Teil zu § 174 BGB.

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin war als Rechtsanwältin bei der beklagten Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt. Die Kanzlei beschloss, ihren Standort in Frankfurt am Main, für den die Klägerin eingestellt war, zu schließen. Sie kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Juni 2012. Der Kündigung war eine Originalvollmacht vom 19. Juni 2012, die durch Herrn M. unterzeichnet war, beigefügt. Auszugsweise lautet diese Vollmacht wie folgt:

„D LLP, vertreten durch den Chief Restructuring Officer M, bevollmächtigt hiermit T & Partner

das Arbeitsverhältnis mit Frau F. sowohl ordentlich als auch außerordentlich zu kündigen und einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Die Vollmacht umfasst auch die Befugnis, im Namen von D LLP alle sonstigen Handlungen vorzunehmen bzw. Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, welche anlässlich der Kündigung des Anstellungsvertrages noch erforderlich werden. …“

Diese Kündigung war unwirksam, weil die Klägerin im Zeitpunkt ihres Zugangs schwanger war. Ihre Schwangerschaft teilte sie dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 2. Juli 2012 fristgerecht mit. Nachdem die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, wurde das Arbeitsverhältnis erneut durch die Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 31. Juli zum 31. Oktober 2012 gekündigt. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am selben Tag zu. Darin heißt es unter anderem:

„Wir hatten bereits ausweislich der Anlage 2 dem Schreiben vom 20. Juni 2012 beigefügten Originalvollmacht vom 19. Juni 2012 nachgewiesen, dass uns die Firma P LLP … bevollmächtigt hat, das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis durch Kündigung zu beenden.“

Die Klägerin wies die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht mit Schreiben vom 1. August 2012 gegenüber den Prozessbevollmächtigten zurück.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage gegen diese Kündigung vom 31. Juli 2012. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 31. Juli 2012 sei unwirksam, weil ihr keine Originalvollmacht beigefügt gewesen sei. Die Zurückweisung sei nur dann nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Bevollmächtigung unzweifelhaft bestehe bzw. fortbestehe. Vorliegend sei es ihr aber unmöglich gewesen, Klarheit über den Fortbestand der Bevollmächtigung zu erreichen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Zurückweisung der Kündigung im Revisionsverfahren für unwirksam erklärt und die Entscheidungen der Vorinstanzen damit bestätigt.

I. Grundsatz: Immer neue Vollmacht

Bei einer Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Lässt sich dabei der Arbeitgeber von einer anderen Person vertreten, muss diese andere Person der Kündigung eine Originalvollmacht beilegen. Andernfalls kann die Kündigung wegen fehlender Vollmacht nach § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden. § 174 BGB soll klare Verhältnisse schaffen. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung (= Kündigung) soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob er bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen. Bei Unklarheiten kann der Erklärungsempfänger (= Arbeitnehmer) die Kündigung zurückweisen. Darum genügt es bei einseitigen Rechtsgeschäften für den Nachweis im Sinne von § 174 S. 1 BGB grundsätzlich nicht, dass bei einem früheren einseitigen Rechtsgeschäft die erforderliche Vollmacht vorgelegt war.

II. Ausnahme: Inkenntnissetzen § 174 S. 2 BGB

Eine Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmacht ist aber nach § 174 S. 2 BGB dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Für das Inkenntnissetzen nach § 174 S. 2 BGB ist keine Form vorgeschrieben. Es genügt eine Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich zumindest auch an den späteren Empfänger richtet. Darum kann das Inkenntnissetzen auch durch eine Vollmachtsurkunde erfolgen, die einem früheren einseitigen Rechtsgeschäft beigefügt war, wenn daraus für den Empfänger deutlich wird, dass sich die Vollmacht auch auf spätere einseitige Rechtsgeschäfte erstreckt. In einem solchen Fall ist die Vollmachtsurkunde sogar die direkteste Form des Inkenntnissetzens.

Mit einer Vollmacht hat der Vertretende für den Empfänger erkennbar gemacht, dass er auch erst später notwendig werdende, einseitige Rechtsgeschäfte, die der Bevollmächtigte für ihn vornimmt, gegen bzw. für sich gelten lassen will. Damit ist dem Zweck des § 174 S. 2 BGB genügt. Der Empfänger bedarf in einem solchen Fall des von § 174 S. 1 BGB intendierten Schutzes nicht mehr. Eine Aktualisierung über die Bevollmächtigung ist daher nicht erforderlich.

Hinweis für die Praxis:

Ist dagegen die Vollmacht nur für eine bestimmte, zugleich mit der Vorlage der Vollmacht erklärte Kündigung erteilt, oder wird dem späteren Erklärungsempfänger vom Vollmachtgeber das Erlöschen der Vollmacht angezeigt, besteht bei späteren einseitigen Rechtsgeschäften wieder die Ungewissheit, die § 174 BGB ausräumen will, so dass dann eine Zurückweisung wieder in Betracht kommt. Es kommt also immer auf den konkreten Wortlaut der Vollmacht an.

Fazit:

Soll sich eine Vollmacht auf alle künftigen Rechtsgeschäfte erstrecken, muss sie entsprechend formuliert werden. Damit wird dann der Erklärungsempfänger (= Arbeitnehmer) nach § 174 S. 2 BGB in Kenntnis gesetzt. In solchen Fällen bedarf es bei Folgekündigungen keiner erneuten Vorlage einer Vollmacht mehr. Wird hingegen die Vollmacht auf den Ausspruch einer bestimmten Kündigung beschränkt, bedarf es bei einer Folgekündigung wieder der Vorlage einer neuen Originalvollmacht. Auf diese wichtige Differenzierung ist bei dem Ausspruch von Kündigungen zu achten; andernfalls kann bei einer Zurückweisung die Kündigung nach § 174 BGB unwirksam sein.

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