09.06.2016 -

Zwischen den Betriebspartnern kommt es immer wieder zu Streit über die Frage, in welchem Umfang der Betriebsrat bei freiwilligen Leistungen mitzubestimmen hat. Die Arbeitgeberseite beruft sich in der Regel darauf, dass es ihr freistehe, in welchem Umfang sie zusätzliche (übertarifliche) Leistungen erbringen möchte; der Betriebsrat wird sich darauf berufen, dass der Umfang der freiwilligen Leistung zwar nicht mitbestimmungspflichtig sei, aber deren Verteilungskriterien zu vereinbaren sind, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die vollständige Streichung von Jubiläumsgeldern mitbestimmungspflichtig ist, wenn der Arbeitgeber weitere freiwillige Leistungen aufrechterhält (LAG Hamm v. 23.06.2015 – 7 TaBV 21/15). Die praxisrelevanten Grundsätze sollen hier besprochen werden.

Der Fall:

Die Arbeitgeberin betreibt ein Klinikum und beschäftigt 267 Mitarbeiter. Der Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden an einen mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Haustarifvertrag.

Sie zahlte an ihre Beschäftigten bis zum 31. Dezember 2013 bei 20-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld in Höhe von 2.556,45 €; nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit erhielten die Beschäftigten eine Armbanduhr. Die Arbeitgeberin hat sich dazu entschlossen, mit Wirkung ab 1. Januar 2014 diese Leistungen bei 20-jährigem bzw. 10-jährigem Jubiläum, die tariflich nicht geregelt sind, ersatzlos einzustellen.

Allerdings gewährt die Arbeitgeberin weitere tariflich nicht geregelte Leistungen an ihre Beschäftigten, bereits seit geraumer Zeit, so z.B. für Serviererinnen sogenannte Erschwernis- und Leistungszulagen sowie ein Reinigungsgeld. Ebenso erhalten Ärzte individuell ausgehandelte Zulagen, die auf einer schwierigen Marktsituation im ärztlichen Bereich beruhen. Daneben erhielten Beschäftigte anlässlich der Geburt eines Kindes und der Eheschließung in der Vergangenheit kleinere Geschenke.

Der Betriebsrat meint, die Arbeitgeberin habe gegen sein Mitbestimmungsrecht bei der Änderung betrieblicher Entlohnungsgrundsätze nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen, als sie die Leistungen für das 20- bzw. 10-jährige Jubiläum einstellte. Dem Betriebsrat sei zwar bewusst, dass grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung außertariflicher und damit freiwilliger Leistungen nicht bestehe. Indessen habe die Arbeitgeberin nicht sämtliche freiwillige Leistungen eingestellt, da sie – unstreitig – Zulagen an Serviererinnen sowie den Ärzten zahle. Damit stelle die Arbeitgeberin weiterhin einen sogenannten „Topf“ freiwilliger Leistungen bereit, den sie nur in Teilbereichen zusammenstreiche.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Streichung der Betriebszugehörigkeitsprämien zu unterlassen und für das Jahr 2014 rückgängig zu machen.

Die Arbeitgeberin ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass die vollständige Einstellung freiwilliger Leistungen keiner Mitbestimmung des Betriebsrats unterfällt. Auch habe sie für freiwillige, außertarifliche Leistungen kein einheitliches Gesamtbudget zur Verfügung gestellt, sondern diese Leistungen jeweils zweckgebunden definiert. Damit würden die weiterhin gewährten Zulagen für bestimmte Bereiche für die Frage der Leistungen anlässlich eines Betriebsjubiläums keine Rolle spielen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Entscheidung des Arbeitsgerichts Minden in vollem Umfange bestätigt. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist nicht gegeben.

I. Mitbestimmung bei freiwilligen Leistungen

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei freiwilligen Leistungen ist beschränkt. Sie bezieht sich weder auf die Höhe der Leistungen, noch auf deren Zweck. Hier spricht man in der Regel von dem sogenannten „ob“. Der Arbeitgeber ist frei darin, ob er freiwillige Leistungen einführen möchte und welchen Zweck er damit verbindet.

Der Betriebsrat hat aber ein Mitbestimmungsrecht bei dem sogenannten „wie“. Hierbei spricht man von den Verteilungsgrundsätzen. Wendet also der Arbeitgeber bei der Verteilung freiwilliger Leistungen Differenzierungskriterien an, ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen.

Hinweis für die Praxis:

Bei dem „wie“, also den Verteilungsgrundsätzen, ist der Betriebsrat  nur ausnahmsweise dann nicht zu beteiligen, wenn die freiwilligen Leistungen gleichmäßig verteilt werden und es keine Differenzierungskriterien gibt. Dies kann nur im Einzelfall geprüft werden.

II. Gesamtbudget oder Einzelleistungen?

Im vorliegenden Fall stritten die Betriebspartner über die Frage, ob die Einstellung der Jubiläumszahlungen Teil eines Gesamtbudgets waren oder aber als Einzelleistungen eingestuft werden konnten. Nach den oben dargestellten Grundsätzen wäre der Betriebsrat dann zu beteiligen gewesen, wenn die Leistungen lediglich Teil eines Gesamtbudgets gewesen wären. Dann wäre nur ein Teil des Budgets beschnitten worden und die Verteilungsgrundsätze hätten sich geändert. Dieser Auffassung hat sich das Landesarbeitsgericht aber nicht angeschlossen. Es handelte sich nicht um eine anteilige Kürzung von freiwilligen Leistungen, die innerhalb eines einheitlichen Gesamtbudgets zu sehen wären mit der Folge, dass sich nur die Verteilungsgrundsätze ändern würden. Dem steht entgegen, dass die Arbeitgeberin andere Leistungen, z.B. im Bereich der Serviererinnen oder der Ärzte, als Zuschläge zum monatlichen Arbeitsentgelt leistet. Dies schließt einen einheitlichen Leistungsplan unter Einbeziehung der Jubiläumsgelder für 10- und 20-jährige Betriebszugehörigkeit aus. Zudem ist die Zahlung des Jubiläumsgeldes nicht an weitere Voraussetzungen gebunden. Maßgeblich ist allein die Betriebszugehörigkeit. Es war also gerade nicht so, dass sämtliche Leistungen unaufgegliedert zur Verfügung gestellt werden und die Verteilung nur anhand eines einheitlichen Leistungsplanes möglich gewesen wäre.

Fazit:

Die Gewährung von freiwilligen Leistungen kann hinsichtlich ihrer Höhe und des damit verbundenen Zwecks immer mitbestimmungsfrei eingeführt und entschieden werden. Der Betriebsrat ist aber regelmäßig bei der Verteilung der freiwilligen Leistung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen. Die Beteiligung bezieht sich auch auf eine Änderung der Verteilungsgrundsätze. Die Mitbestimmung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Betriebsrat die freiwilligen Leistungen vollständig einstellt. In einem solchen Fall fehlt es an noch verbleibenden Differenzierungskriterien. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm ist uneingeschränkt zuzustimmen.

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