Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, spezielle Raucherpausen zu gewähren. Erst recht müssen freiwillig gewährte Raucherpausen nicht vergütet werden. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte nun in zwei Urteilen für denselben Betrieb zu entscheiden, ob Arbeitnehmer einen dauerhaften Anspruch aus betrieblicher Übung erwerben, wenn der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg für Raucherpausen das Entgelt weiter gezahlt hat (LAG Nürnberg v. 21.07.2015 – 7 Sa 131/15 und v. 05.08.2015 – 2 Sa 132/15). Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat sehr überzeugend und mit guten Argumenten eine betriebliche Übung zugunsten der Arbeitnehmer abgelehnt. Die für Arbeitgeber positive Entscheidung soll daher hier besprochen werden.
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und als Staplerfahrer bei dem beklagten Arbeitgeber bereits seit 1995 beschäftigt. Bereits seit vielen Jahren hatte sich im Betrieb eingebürgert, dass die Beschäftigten zum Rauchen ihren Arbeitsplatz verlassen dürfen, ohne am Zeiterfassungsgerät ein- bzw. ausstempeln zu müssen. Dementsprechend wurde für diese Raucherpausen auch kein Lohnabzug vorgenommen. Der Arbeitgeber hatte auch keinerlei Kenntnis über die Häufigkeit und Dauer der einzelnen Raucherpausen.
Ende des Jahres 2012 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über das Rauchen im Betrieb (BV Rauchen). In der Präambel heißt es:
„Der Arbeitgeber hat gem. § 5 ArbStättV die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabak rauchgeschützt sind.
Die folgende Regelung hat die Aufgabe, die gesundheitlichen Gefährdungen durch Tabakrauch am Arbeitsplatz zu vermeiden und zum anderen rauchenden Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit zu geben, zu rauchen, wenn dadurch die Interessen der Nichtraucher nicht beeinträchtigt werden.
Zudem soll eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter durch die nachfolgenden Regelungen gewährleistet werden.“
Ziffer 2 Abs. 2 der BV Rauchen lautet wie folgt:
„Rauchen ist nur in den speziell ausgewiesenen Raucherzonen, die in der Anlage vermerkt sind, erlaubt.“
Ziffer 3 der BV Rauchen hat dann folgenden Wortlaut:
„Rauchpausen
Beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen sind die nächstgelegenen Zeiterfassungsgeräte gemäß Anlage zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen.
Rauchen ist während der normalen Pausen und ansonsten erlaubt, solange wie bisher betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden.“
Die BV Rauchen trat zum 1. Januar 2013 in Kraft.
Dem Kläger wurden dann für die Monate Januar 2013 210 Minuten für Raucherpausen von der Arbeitszeit abgezogen und nicht vergütet. Für den Monat Februar wurden dem Kläger 96 Minuten und für März 572 Minuten für Raucherpausen abgezogen.
Der Kläger erhob Zahlungsklage und verlangte die restliche Vergütung für die Monate Januar bis März 2013 in Höhe von insgesamt 185,67 € brutto.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
I. Betriebliche Übung
Als Anspruchsgrundlage kam hier lediglich eine betriebliche Übung in Betracht. Unter einer solchen betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus einem solchen Verhalten des Arbeitgebers erwachsen durch stillschweigende Annahme der Arbeitnehmer (vgl. § 151 BGB) vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist nicht erforderlich.
Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Es ist vielmehr maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte. So kann eine betriebliche Übung schon durch die unwidersprochene Duldung des Arbeitgebers entstehen.
Hinweis für die Praxis:
Eine betriebliche Übung entsteht oftmals unbemerkt. Der Arbeitgeber gewährt freiwillig gewisse Vergünstigungen, die vertraglich, gesetzlich oder tarifvertraglich nicht vorgesehen sind. Oftmals sind Arbeitgeber der Meinung, solche Leistungen jederzeit wieder einstellen zu können. Liegen aber die vorgenannten Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vor, handelt es sich um vertragliche Ansprüche, die einseitig nicht mehr entzogen werden können. Das Entstehen einer betrieblichen Übung kann nur durch einen Vorbehalt verhindert werden, etwa wenn der Arbeitgeber darauf hinweist, dass Leistungen freiwillig erfolgen und keine Rechtsansprüche für die Zukunft entstehen.
II. Kein gleichförmiges Verhalten
Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen eine betriebliche Übung abgelehnt. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers könne nicht auf einen Verpflichtungswillen, Raucherpausen unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren, geschlossen werden. So habe sich der Arbeitgeber schon nicht gleichförmig verhalten. Zwar wurden in der Vergangenheit Raucherpausen ohne Lohnabzug vergütet. Dies geschah jedoch unabhängig von der jeweiligen Häufigkeit und Länge der Pausen. Damit lag eine gleichförmige Gewährung bezahlter Raucherpausen mit bestimmter Dauer gerade nicht vor.
Der Arbeitgeber hatte auch keinen genauen Überblick über Häufigkeit und Dauer der von den einzelnen Mitarbeitern genommenen Raucherpausen. Hat aber der Arbeitgeber von einer betrieblichen Handhabung keine ausreichende Kenntnis und ist dies den Arbeitnehmern erkennbar, fehlt es schon an einem hinreichend bestimmten Angebot einer Leistung durch den Arbeitgeber.
Auch angesichts des Umfangs der Raucherpausen konnte kein Mitarbeiter darauf vertrauen, dass hierfür weiterhin Entgelt geleistet werde. So waren im Durchschnitt ca. 60 bis 80 Minuten täglich an Raucherpausen angefallen. Die Bezahlung von Raucherpausen steht aber in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung. Letztlich wird die Nichtarbeit bezahlt. Hierfür bedarf es aber ganz besonderer Anhaltspunkte. Arbeitnehmer können nicht darauf vertrauen, vom Arbeitgeber ohne jede Gegenleistung bezahlt zu werden. Dies gilt erst recht, wenn die Arbeitnehmer selbst über Häufigkeit und Dauer der Pausen bestimmen dürfen.
Zu beachten ist auch, dass die Bezahlung der Raucherpausen offensichtlich zu einer Ungleichbehandlung mit den Nichtrauchern führt. Diese müssen für das gleiche Geld mehr Arbeitsleistung erbringen als die Raucher. Für eine solche Begünstigung liegen keine sachlichen Gründe vor. Schließlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Mit einer Bezahlung der Raucherpausen würde der Arbeitgeber aber gerade nicht im Sinne des Gesundheitsschutzes tätig werden. Im Gegenteil: Er würde Anreize setzen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden und das Risiko von krankheitsbedingten Ausfällen erhöhen.
Hinweis für die Praxis:
Der Begründung des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfange zuzustimmen. Die erfreulich deutlichen Ausführungen sind dabei auf andere Situationen zu übertragen. So ist die Konstellation ähnlich wie bei der privaten Nutzung der betrieblichen Telefonanlagen, des E-Mailservers oder des Internets. Auch hier können die Mitarbeiter nicht davon ausgehen, bei fehlender Arbeitsleistung Vergütungsansprüche zu erwerben.
Fazit:
Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Raucherpausen zu vergüten. Dies gilt auch dann, wenn dies in der Vergangenheit anders gehandhabt wurde. Eine betriebliche Übung entsteht nicht. Arbeitnehmer können nicht darauf vertrauen, dass ihr Arbeitgeber eine entsprechende Praxis unbeschränkt fortführt.
Auszeichnungen
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