29.06.2016 -

Geschäftsführer gelten nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht als Arbeitnehmer. Damit sind für Rechtsstreitigkeiten mit Geschäftsführern die ordentlichen Gerichte zuständig. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss die Grundsätze zur Frage, in welchen Ausnahmefällen die Arbeitsgerichte ausnahmsweise zuständig sind, präzisiert (BAG, Beschluss v. 08.09.2015 – 9 AZB 21/15). Bei der Abberufung von Geschäftsführern sind diese Grundsätze zu beachten.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der klagende Geschäftsführer war bis zum 31. Dezember 2013 als Geschäftsführer beschäftigt und wurde dann abberufen. Mit seiner im Januar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgte er verschiedene Zahlungsansprüche, wegen sittenwidriger Zahlung, der Abgeltung von Überstunden und auch der Zahlung eines Weihnachtsgeldes.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Dresden verwiesen. Der sofortigen Beschwerde wurde nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben bzw. abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt.

I. Zuständigkeit Arbeitsgerichte

Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Dem liegt der allgemeine und nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde. Ein Arbeitsverhältnis ist immer dann anzunehmen, wenn die Leistung von Dienst nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.

Hinweis für die Praxis:

Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzes nicht eingeschränkt werden.

II. Gesetzliche Fiktion für Geschäftsführer

Etwas anderes gilt für Geschäftsführer. Hierzu gilt die gesetzliche Fiktion in § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Danach gelten Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen.

Hinweis für die Praxis:

Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet.

III. Sonderfall Abberufung

Im vorliegenden Fall war der Geschäftsführer zwar nach dieser gesetzlichen Fiktion nicht Arbeitnehmer. Allerdings wurde er zum 31. Dezember 2013 als Geschäftsführer abberufen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass nach der Abberufung als Geschäftsführer die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht mehr greift. Dies gilt auch dann, wenn die Abberufung erst nach Eingang der Klage erfolgt. Liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht mehr vor, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch für solche arbeitsrechtlichen Ansprüche eröffnet, die in einem Zeitraum begründet wurden, als die Voraussetzungen noch nicht vorlagen.

Fazit:

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass nicht in allen Fällen bei Rechtsstreitigkeiten mit Geschäftsführern ausschließlich die ordentlichen Gerichte (Landgericht, Kammer für Handelssachen) zuständig sind. Es gibt verschiedene Fallkonstellationen, in denen die Arbeitsgerichte bei Rechtsstreitigkeiten entscheiden müssen. Dies gilt insbesondere bei der Abberufung und Weiterbeschäftigung von Geschäftsführern. Dies ist bei Konflikten mit Geschäftsführern zu beachten, wenn die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vermieden werden soll.

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