29.06.2016

Ein Ehegatte, der in einem Pflegeheim lebt, kann von seinem Ehegatten die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags in Geld verlangen, auch wenn die Eheleute nicht getrennt sind. So entschied der BGH mit Beschluss vom 20. April 2016, AZ XII ZB 485/14. Denn in diesem Fall besteht ein besonderer persönlicher Bedarf, der vor allem durch die anfallenden Heim- und Pflegekosten bestimmt wird.

Der BGH hat aber gleichzeitig festgestellt, dass sich der unterhaltspflichtige Ehegatte im Zweifel darauf berufen darf, ihm selbst bliebe nicht genug Geld für seinen eigenen Lebensunterhalt, wenn er den Unterhalt zahlen müsste.

Der Fall:

In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Ehefrau aufgrund einer schweren Erkrankung pflegebedürftig und lebte seit dem Jahr 2013 in einem Pflegezentrum. Die monatlichen Heim- und Pflegekosten wurden zwar im Wesentlichen mit Hilfe von Sozialhilfeleistungen bezahlt. Es blieb aber ein monatlich von der Frau selbst zu entrichtender Eigenanteil in Höhe von ca. 130,00 €.

Der Ehemann war Rentner und bezog monatliche Rentenzahlungen in Höhe von etwa 1.040,00 € netto. Die Ehefrau hat, vertreten durch ihre Betreuerin, die ausstehenden 130,00 € gegenüber ihrem Ehemann geltend gemacht.

Die Entscheidung:

Nach der Entscheidung des BGH hat die Ehefrau grundsätzlich gem. § 1360 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch gegen Ihren Ehemann auf Zahlung der benötigten Pflegekosten. Dieser Anspruch besteht, weil der Ehemann gegenüber seiner Frau sogenannten Familienunterhalt zahlen muss.

Ehegatten sind verpflichtet, einander angemessen finanziell zu versorgen. Beim Familienunterhalt steht daher die Wechselseitigkeit der Leistungen im Vordergrund. Damit weicht der Familienunterhalt vom sogenannten Trennungsunterhalt ab, bei dem stets nur ein Ehegatte monatlich einen Unterhaltsbetrag an den anderen Ehegatten zahlt.

1. Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienunterhalt ist, dass die eheliche Lebensgemeinschaft noch besteht. Die Richter setzten sich daher auch damit auseinander, ob die Betreuung der Ehefrau in einem Pflegeheim dazu führt, dass die Eheleute in einer trennungsähnlichen Situation leben.

Der BGH geht in diesem Fall davon aus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft noch besteht. Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann nämlich auch dann vorliegen, wenn die Ehegatten einvernehmlich in getrennten Wohnungen leben. Für eine Trennung müssten die Eheleute einseitig oder beiderseitig erklärt haben, sich zu trennen.

Der Ehemann ist daher grundsätzlich verpflichtet, Familienunterhalt an seine Ehefrau zu zahlen.

2. Da die Ehefrau in einer Pflegeeinrichtung lebt und der besondere persönliche Bedarf dadurch anders ist als zur Zeit des Zusammenlebens, erfolgt die Unterhaltszahlung ausnahmsweise in Form einer monatlichen Geldrente.

Im Regelfall des Zusammenlebens richtet sich die Höhe des Familienunterhalts nach den Kosten für die Haushaltsführung und für die persönlichen Bedürfnisse. Es gilt der sogenannte Halbteilungsgrundsatz. Dieser besagt, dass das Familieneinkommen grundsätzlich hälftig unter den Ehegatten aufzuteilen ist.

Dieser Halbteilungsgrundsatz müsse hier aber aufgrund der besonderen Situation angepasst werden, entschied der BGH: Im Fall der pflegebedürftigen Ehefrau gilt die Beschränkung auf den hälftigen Anteil nicht. Der Bedarf bemisst sich vielmehr nach den konkret erforderlichen Kosten, die für die Unterbringung in der Pflegeeinrichtung aufzubringen sind. Hinzu kommt ein Barbetrag für die Bedürfnisse des täglichen Lebens. Möglich ist also, dass der Ehegatte mehr als die Hälfte des Familieneinkommens abzugeben hat.

3. Bisher ging der BGH davon aus, dass sich der Unterhaltspflichtige nicht darauf berufen könne, über zu geringe Einkünfte für die Unterhaltszahlung zu verfügen. Ein solches Verhalten sei dem gemeinschaftlichen Prinzip der Familie fremd und widerspreche der familienrechtlichen Unterhaltsregelung.

Allerdings bezieht sich dieses Verbot auf den Regelfall, dass die Ehegatten zusammenleben und somit alle Familienmitglieder gleichermaßen Anteil an dem Familieneinkommen haben. Weil aber die Pflegekosten oftmals das gesamte Familieneinkommen übersteigen, bliebe bei einer unbeschränkten Unterhaltspflicht in diesen Fällen für die Familie nichts mehr übrig.

In diesen besonderen Ausnahmefällen ist daher auch beim Familienunterhalt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass dem Ehegatten ein angemessener Selbstbehalt bleiben muss. Dabei orientiert sich die Rechtsprechung an den Grundsätzen des Trennungsunterhalts.

Könnte sich der Unterhaltspflichtige in dieser Situation nicht auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit berufen, entstünde nämlich ein Wertungswiderspruch: Derjenige, der sich wegen der Pflegebedürftigkeit seines Ehepartners von diesem trennt, stünde besser als der Ehepartner, der sich weiterhin um seinen pflegebedürftigen Ehepartner kümmert. Denn beim Trennungsunterhalt darf sich der Unterhaltsschuldner im Zweifel darauf berufen, über zu geringe Einkünfte für die Unterhaltszahlung zu verfügen.

Für den Fall, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte tatsächlich leistungsunfähig ist, sei es, so der BGH, Aufgabe der Sozialhilfe, für die offenen Pflegekosten des Unterhaltsberechtigten aufzukommen.

Fazit:

Der BGH berücksichtigt bei der Familienunterhaltspflicht also die besondere Situation der Pflegebedürftigkeit, gesteht dem Unterhaltspflichtigen aber gleichzeitig zu, sich auf einen angemessenen Selbstbehalt zu berufen.

Dieser Beitrag ist im Wesentlichen erarbeitet worden durch Frau Rechtsanwältin Miriam Hachenberg.
 

Autorin

Bild von  Marie Baronin v. Maydell
Partnerin
Marie Baronin v. Maydell
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