17.07.2016

Welche Gesellschafterversammlung kennt das nicht? Da soll eine von der Mehrheit für sinnvoll erachtete Maßnahme beschlossen werden, aber Minderheitsgesellschafter mit Sperrminorität verweigern dem Beschlussantrag die Zustimmung. Auch die besten Argumente der Mehrheit verfangen nicht. Geradezu sachwidrig und töricht erscheint die Verweigerung. Dennoch, die Minderheit ist nicht zum Einlenken zu bewegen. Was tun, fragt der Mehrheitsgesellschafter?

Oder anders herum. Da will die Mehrheit einen Beschluss durchsetzen, für den zwar Vieles spricht, überzeugt von der Vorteilhaftigkeit ist der Minderheitsgesellschafter dennoch nicht. Vielmehr hält er andere Maßnahmen für zielführend, jedenfalls den Beschlussantrag der Mehrheitsgesellschafter nicht für zwingend erforderlich. Und die drohen jetzt mit Beschlussanfechtungsklagen und Schadensersatzforderungen, falls der Minderheitsgesellschafter seine Haltung nicht aufgibt und doch noch zustimmt. Was tun, fragt der Minderheitsgesellschafter?

Einen vergleichbaren Fall hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – II ZR 275/14) und nutzte die Gelegenheit, um die Grenzen der Zustimmungspflicht eines Gesellschafters klarer zu umreißen.

Aus den Entscheidungsgründen

Grundsatz: Stimmrechtsfreiheit

Ein Gesellschafter ist in der Ausübung seines Stimmrechts frei, soweit sie ihm nicht nach dem Gesetz untersagt ist und er die durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gezogenen Grenzen einhält. Eine Rechtspflicht zur Zustimmung zu Maßnahmen, die die Geschäftsführung oder die Mitgesellschafter für sinnvoll halten, besteht grundsätzlich nicht.

Beschränkung dieser Stimmrechtsausübungsfreiheit nur im Ausnahmefall

Soweit der Gesellschafter durch die Treuepflicht nicht zur Zustimmung verpflichtet ist, kann er sie zu einer vorgeschlagenen Maßnahme verweigern, selbst wenn seine Beweggründe dafür sachwidrig und unverständlich erscheinen.

Dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, die Zwecke der Gesellschaft fördert und die Zustimmung dem Gesellschafter zumutbar ist, genügt nicht, um eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu begründen oder eine entgegenstehende Stimmabgabe als unwirksam anzusehen.

Die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme rechtfertigt keine Ausnahme

Auch die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme kann alleine eine Stimmpflicht nicht begründen. Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte, die Zweckmäßigkeit unternehmerischer Entscheidungen zu überprüfen, sondern ausschließlich Aufgabe der Gesellschafter. Die Treuepflicht gebietet es zwar, sich bei der Stimmabgabe grundsätzlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen. Wie die Interessen der Gesellschaft am besten gewahrt bleiben, haben die Gesellschafter aber grundsätzlich alleine zu beurteilen.

Der BGH stellt klar:

„Die Gesellschafter müssen hinnehmen, dass eine Maßnahme unterbleibt, wenn einer von ihnen nach eigener Beurteilung der Dinge nicht zustimmen zu können glaubt, auch wenn ihnen die Ablehnung oder die dazu möglicherweise abgegebene Begründung falsch oder töricht erscheint. Der Gesellschafter muss aus diesem Grund seine Stimmabgabe auch nicht rechtfertigen.“

Hohe Anforderungen an eine Stimmpflicht

Auf Grund der Treuepflicht muss nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme

  • zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder
  • zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten,
  • objektiv unabweisbar erforderlich ist und
  • den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist,

also wenn

  • der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und
  • der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.

Wenn nach diesen Grundsätzen keine Treuepflicht zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinn besteht, kann eine im gegenteiligen Sinn abgegebene Stimme auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht als unwirksam gewertet werden, stellt der BGH klar.

Gegenausnahme: Missbrauch des Stimmrechts

Eine Verletzung der Treuepflicht durch missbräuchliches Stimmverhalten kommt auch in Frage, wenn ein Gesellschafter

  • sein Stimmrecht ausübt, um damit ausschließlich eigennützige Zwecke zu verfolgen, etwa seine Blockademacht dazu benutzt, um seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder
  • seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt.

Anmerkung

Das Urteil zeigt recht anschaulich, wie enorm hoch der BGH die Anforderungen an eine positive Stimmpflicht legt.

Die Maßnahme muss dem Gesellschafter nicht nur zumutbar, sondern

  • zur Erhaltung wesentlicher Werte oder
  • zur Vermeidung erheblicher Verluste

„objektiv unabweisbar erforderlich“ sein. Es muss also gerade diese konkret zur Beschlussfassung vorgesehen Maßnahme „zwingend geboten“ sein. Und zusätzlich darf kein sonstiger vertretbarer Grund für den Gesellschafter bestehen, seine Zustimmung zu verweigern.

Die wie bisher häufig anzutreffende Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme braucht zukünftig vor Gericht gar nicht erst ausgetragen zu werden, wenn der BGH apodiktisch feststellt:

„Die Zweckmäßigkeit der Stimmabgabe ist von den Gerichten nicht zu überprüfen“.

Soweit das Stimmverhalten des Gesellschafters nicht ausnahmsweise missbräuchlich ist, darf und wird das Gericht also einen Beschluss nicht deshalb beanstanden, weil er unzweckmäßig oder nicht im Interesse der Gesellschaft erscheint. Umgekehrt kann damit auch die Ablehnung eines Beschlussantrags nicht allein deshalb beanstandet werden, weil der Beschluss zweckmäßig erscheint und im Interesse der Gesellschaft liegt.

Der BGH fasst es so zusammen:

„Eine Pflicht zur Abstimmung in einem bestimmten Sinn besteht daher nur, wenn zur Verfolgung der Interessen der Gesellschaft keine andere Stimmabgabe denkbar ist, andernfalls nur schwere Nachteile entstehen und die eigenen Interessen des Gesellschafters dahinter zurückstehen müssen.“

Damit dürfte sowohl der Mehrheitsgesellschafter zukünftig klarer erkennen können, ob er einen Beschluss gegen die sich verweigernde Sperrminorität erfolgreich gerichtlich durchsetzen kann, als auch der Minderheitsgesellschafter, ob er sich (vorsorglich) dem Druck der Mehrheit beugen muss.

Sind Widerstände in einer Gesellschafterversammlung zu erwarten, ist es jetzt noch ratsamer, vorher gründliche Überzeugungsarbeit zu leisten und Beschlussanträge sorgfältig argumentativ vorzubereiten.

Autor

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Andreas Jahn
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