Am 30. Juni 2016 ist die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist zur Neugestaltung der Erbschaftsteuer ergebnislos abgelaufen. Die Große Koalition im Bundestag beschloss zwar Ende Juni Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Doch SPD, Grüne und Linke im Bundesrat lehnten die Regelung Anfang Juli ab und riefen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an.

Die rechtlichen Folgen des ergebnislosen Fristablaufs sind in der Rechtswissenschaft äußerst umstritten. Das steuerrechtliche Schrifttum ist überwiegend der Auffassung, dass durch das Versäumen der Umsetzungsfrist das ErbStG insgesamt ab dem 01.07.2016 unanwendbar geworden ist. Einige Autoren sprechen ausdrücklich von einer „Steuerpause“, die bis zur Neuregelung gelten soll.  Dennoch sind im politischen Diskurs erste Anzeichen dafür zu erkennen, dass sich die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss länger hinziehen könnten.

In dieser Lage hat sich nun erneut das Bundesverfassungsgericht zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende des Ersten Senates, Ferdinand Kirchhof, hat in der vergangenen Woche in einem Schreiben an die Bundeskanzlerin, das gleichlautend auch an den Bundestag und den Bundesrat adressiert war, unmissverständlich angekündigt, dass sich das Gericht nach der Sommerpause Ende September erneut mit dem ErbStG befassen wird. Dieser Brief ist nicht weniger als die Ankündigung des Ersten Senats, in einem nachträglichen Beschluss die Herstellung verfassungsgemäßer Zustände im Erbschaftsteuerrecht selber in die Hand zu nehmen.

Als Ergebnis dieses Verfahrens sind drei Möglichkeiten denkbar: Die Schaffung einer Übergangslösung, die Nichtigkeitserklärung des ganzen Gesetzes oder die Streichung der Ausnahmen für Unternehmenserben. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit erhält, der Politik zu zeigen, wie es sich ein verfassungskonformes Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz vorstellt – oder ob der Vermittlungsausschuss in den Sommerferien durch „Nachsitzen“ die im „blauen Brief“ angedrohten Konsequenzen rechtzeitig abwendet.

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