21.07.2016 -

Zu Abmahnungen gegenüber einzelnen Betriebsratsmitgliedern besteht gefestigte Rechtsprechung. Mit der Frage hingegen, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem gesamten Betriebsrat als Gremium ausgesprochen werden kann, musste sich nun das Arbeitsgericht Solingen erstmals auseinandersetzen.

Der Fall (verkürzt):

Der im Unternehmen der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat entschied kurzfristig, eine Abteilungsversammlung durchzuführen und unterrichtete die Arbeitgeberin von diesem Vorhaben. Die Arbeitgeberin sah insbesondere in der kurzfristigen Ankündigung der Abteilungsversammlung eine Pflichtverletzung und erteilte dem Betriebsrat als Gremium eine „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“. Darin rügte sie das Verhalten des Betriebsrats und forderte ihn auf, in Zukunft einen bestimmten Verfahrensablauf einzuhalten.

Der Betriebsrat beantragte im Beschlussverfahren der Arbeitgeberin aufzugeben, die Abmahnung zu widerrufen.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht Solingen hat entschieden, dass der Antrag des Betriebsrates wegen fehlender Bestimmtheit schon nicht zulässig, jedenfalls aber unbegründet war.

Wegen der Unbestimmtheit des Antrags musste das Arbeitsgericht zu den Pflichtverletzungen im Einzelnen keine Stellung nehmen. Allerdings hält es eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsgremium grundsätzlich für zulässig. Ein Anspruch auf Beseitigung der Abmahnung bestehe nicht.

Die gefestigte Rechtsprechung, nach der das einzelne Betriebsratsmitglied gem. §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Entfernung einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung aus der Personalakte habe, sei auf den Betriebsrat als Gremium nicht übertragbar. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da weder eine Personalakte für den Betriebsrat bestehe, noch dessen berufliches Fortkommen durch eine Abmahnung beeinträchtigt werden könne.

Auch aus § 78 S. 1 BetrVG folgt nach Auffassung des Arbeitsgerichts Solingen kein Beseitigungsanspruch. § 78 S. 1 BetrVG verbiete zwar Störungen der Betriebsratstätigkeit. Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung stelle aber keine solche Störung dar. Im Gegenteil könne eine Abmahnung sogar Ausdruck des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 Abs. 1 BetrVG sein. Andernfalls könne und müsse der Arbeitgeber direkt die Auflösung des Betriebsrates beim Arbeitsgericht (§ 23 Abs. 1 BetrVG) beantragen. Insoweit stelle die Abmahnung ein milderes Mittel gegenüber diesem Verfahren dar.

Praxishinweis:

Zur Möglichkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung des Betriebsrates als Gremium gibt es bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung.

Dennoch ist übereinstimmend mit dem Arbeitsgericht Solingen von deren Zulässigkeit auszugehen. Der Arbeitgeber kann durch eine Abmahnung auf Pflichtverstöße des Betriebsrats angemessen reagieren. Auf diese Weise kann ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zur Auflösung des Betriebsrats vermieden werden, das wegen der besonders strengen Voraussetzungen ohnehin häufig nicht erfolgversprechend ist.

Betont werden muss allerdings, dass eine vorherige betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, anders als im Kündigungsrecht, keine Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist. Zur Dokumentation wiederholter Verstöße kann sie aber ein hilfreiches Instrument sein und ein Ausschlussverfahren insoweit vorbereiten.

Ob die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Solingen durch weitere Gerichte bestätigt wird, bleibt allerdings abzuwarten.

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