07.08.2016 -

Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann auch durch auflösende Bedingung vereinbart werden. Hierzu finden sich spezielle Regelungen in § 21 TzBfG i.V.m. § 15 Abs. 2 TzBfG. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, ob bei fehlender Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und dem damit verbundenen Eintritt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen auflösender Bedingung, dennoch bis zum Ablauf der Auslauffrist Vergütungsansprüche entstehen (BAG, Urteil v. 23.09.2015 – 5 AZR 146/14). Die Entscheidung ist von praktischer Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern bei Eintritt einer auflösenden Bedingung.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer ist bei dem beklagten privaten Wach- und Sicherheitsunternehmen als Sicherheitsmitarbeiter beschäftigt. Der Arbeitgeber ist mit dem Schutz von Liegenschaften der US-Streitkräfte betraut. In dem Arbeitsvertrag war dazu eine auflösende Bedingung mit folgendem Text vereinbart:

14. Einsatzgenehmigung

Die Vertragsparteien sind dazu verpflichtet, die Bedingungen, Anforderungen und Standards der jeweiligen Kundenspezifikationen/PWS (Performance Work Statements) einzuhalten bzw. zu erfüllen. Die Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte ist Grundlage des Vertrages. Wird die Einsatzgenehmigung wegen Nichteinhaltung der PWS, die für die Vertragsparteien verbindlich sind und von der amerikanischen Regierung vorgegeben sind, widerrufen, endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf unter Anwendung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist ….“

Die Performance Work Statements beinhalten u.a. die Möglichkeit des Entzugs der Einsatzgenehmigung bei Missbrauch illegaler Drogen.

Am 1. Dezember 2011 wurde der Kläger von den US-Streitkräften zu einem Drogentest ausgewählt. Der Kläger blieb dem Drogentest fern. Der Vorgesetzte des Klägers bat den zuständigen Mitarbeiter der US-Streitkräfte, mit dem Drogentest zu warten, und forderte den Kläger in einem Telefongespräch auf, sofort zum Urintest zu erscheinen. Der Kläger befolgte diese Aufforderung nicht.

Daraufhin widerriefen die US-Streitkräfte die Einsatzgenehmigung für den Kläger am 5. Dezember 2011. Mit Schreiben gleichen Datums informierte der Arbeitgeber den Mitarbeiter, dass das Arbeitsverhältnis durch auflösende Bedingung unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist zum 29. Februar 2012 ende.

Für die Zeit ab 5. Dezember 2011 leistete der Arbeitgeber keine Vergütung mehr bis zum Ablauf der Auslauffrist (29. Februar 2012).

Die Parteien stritten zunächst über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses und einigten sich dann in einem Vergleich auf Beendigung mit Ablauf des 29. Februar 2012 gegen Zahlung einer Abfindung. Streitig blieben hingegen die Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 5. Dezember 2011 bis zum 29. Februar 2012. Der Kläger meint, der Arbeitgeber schulde Vergütung für diese Zeit nach Entzug der Einsatzgenehmigung aus Annahmeverzug. Auch in der Auslauffrist sei der Lohn zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Vergütungsansprüche hingegen abgelehnt und die Berufung zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt. Dem Kläger stehen für den streitigen Zeitraum keine Vergütungsansprüche zu.

I. Kein Annahmeverzug

Der Annahmeverzug bestimmt sich nach der Regelung des § 615 S. 1 BGB. Danach kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Dann muss der Arbeitnehmer die infolge des Annahmeverzuges ausgefallene Arbeit auch nicht nachleisten. Aber: Ist der Arbeitnehmer außer Stande, seine Leistung zu bewirken, entstehen keine Annahmeverzugsansprüche. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um gesundheitliche, rechtliche oder andere Gründe handelt. So kann das Unvermögen der Erbringung der Arbeitsleistung etwa auf einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot oder auch auf dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis beruhen.

So lag der Fall hier. Der Kläger war im Streitzeitraum für die vertraglich vorgesehene Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter nicht mehr leistungsfähig. Ihm wurde die für eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften erforderliche Einsatzgenehmigung entzogen. Damit war der Kläger mangels Einsatzgenehmigung nach dem 5. Dezember 2011 leistungsunfähig für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit. Nach Entzug der Einsatzgenehmigung war er – ähnlich wie im Fall eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots – außer Stande, die vertraglich vereinbarte Leistung zu bewirken. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand unstreitig nicht.

II. Vergütungsansprüche aus § 15 Abs. 2 TzBfG?

Bei der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ist nach § 21 TzBfG i.V.m. § 15 Abs. 2 TzBfG zwingend eine Auslauffrist einzuhalten. Damit soll die Umgehung des Schutzzwecks der gesetzlichen Kündigungsfristen verhindert werden. Bei Eintritt einer auflösenden Bedingung besteht also das Arbeitsverhältnis in der Verlängerungsphase mit allen beiderseitigen Rechten und Pflichten fort. Dies betrifft aber allein das Arbeitsverhältnis an sich. Der Wortlaut der Norm besagt nicht, dass auch der Vergütungsanspruch unabhängig von der Erfüllung seiner jeweiligen Voraussetzungen aufrechterhalten werden soll. Der Vergütungsanspruch kann nur aus einer den Entgeltanspruch aufrechterhaltenden Norm folgen, wie z.B. § 615 S. 1 BGB (s. oben). Dies gilt sowohl für die gesetzliche Mindestauslauffrist von zwei Wochen nach § 15 Abs. 2 TzBfG als auch für eine individual- oder (wie hier) tarifvertraglich vereinbarte längere Auslauffrist.

Nimmt also der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung während der Auslauffrist nicht an, besteht ein Vergütungsanspruch nur, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit leistungsfähig ist. Dies war er hier wegen des Entzugs der Einsatzgenehmigung gerade nicht mehr.

III. Vergütungsanspruch wegen Betriebsrisikos?

Nach der speziellen Vorschrift des § 615 S. 3 BGB kann ein Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit infolge von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt. Damit ist das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko gemeint. Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können. Kann z.B. die Arbeitsleistung wegen Ausfalls von Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel, einer Betriebsstilllegung oder eines Geschehens, das von außen auf typische Betriebsmittel einwirkt und sich als höhere Gewalt darstellt, nicht erbracht werden, bleibt der Vergütungsanspruch bestehen. Dieses sogenannte Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber.

Hier hat sich aber kein Betriebsrisiko verwirklicht. Entscheidender Umstand war vielmehr der Entzug der dem Kläger persönlich erteilten Einsatzgenehmigung. Dieser gehört nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers.

Fazit:

Der Arbeitgeber war hier auch nicht aus sonstigen Gründen für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung des Klägers verantwortlich. Der Entzug der Einsatzgenehmigung wurde ausschließlich veranlasst durch die Nicht-Teilnahme des Klägers an dem durch die US-Streitkräfte festgesetzten Drogentest. Vergütungsansprüche bestehen unter keinem Gesichtspunkt, wenn ein Arbeitnehmer die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung selbst zu verantworten hat. Die Entscheidung ist von praktischer Bedeutung und ist entsprechend auf Fälle, in denen Mitarbeitern z.B. eine Fahrerlaubnis entzogen wird, anzuwenden. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt wegen einer einzuhaltenden Auslauffrist endet, entstehen bei persönlicher Leistungsunfähigkeit ab sofort keine Vergütungsansprüche mehr. Dies gilt freilich nicht für sonstige Vergütungsansprüche, bspw. Urlaubsabgeltungs- und/oder Freizeitausgleichsansprüche, die im Rahmen der ordnungsgemäßen Abwicklung noch erbracht werden müssen.

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