14.09.2016

Der Wunsch eines Gesellschafters, sich in einer Gesellschafterversammlung durch seinen Rechtsanwalt vertreten oder begleiten zu lassen, ist ein ständiger Streitpunkt unter Gesellschaftern. Wie zu verfahren ist, wenn die Satzung hierzu nichts regelt, zeigt anschaulich das Urteil des OLG Dresden vom 25.08.2016 – 8 U 347/16.

Der Fall (abgewandelt)

In einem Gesellschafterstreit sollte der Geschäftsanteil des Minderheitsgesellschafters einer GmbH eingezogen werden. Damit sollte der Minderheitsgesellschafter X gleichzeitig aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. X kündigte an, sich durch seinen Rechtsanwalt entweder vertreten lassen zu wollen oder ihn als Beistand und Begleitung hinzuzuziehen. Diesen Wunsch wiesen sowohl der Mehrheitsgesellschafter als auch die Gesellschaft selbst durch vorheriges Ablehnungsschreiben zurück. Die Satzung enthielt hierzu keine gesonderte Regelung, sondern verwies auf das Gesetz.

X fragt nach der Rechtslage bei Vertreterzulassung und Begleiterzulassung und nach Rechtschutzmöglichkeiten.

Die (kommentierend und ergänzend aufbereiteten) Entscheidungsgründe

1.       Anspruch auf Vertretung und Anspruch auf Begleitung in einer Gesellschafterversammlung

Hintergrund dieser Ansprüche ist das Teilnahmerecht eines Gesellschafters an Gesellschafterversammlungen. Das Teilnahmerecht des Gesellschafters an der Gesellschafterversammlung gehört zum Kernbereich seiner Mitgliedschaftsrechte. Es ist Voraussetzung für die Ausübung seines Stimmrechts. Dies gilt unabhängig davon, ob dem betroffenen Gesellschafter für den angekündigten Beschlussgegenstand ein Stimmrecht zusteht oder nicht.

Denn das Teilnahmerecht sichert neben der Ausübung des Stimmrechts den mitgliedschaftlichen Anspruch des Gesellschafters auf Anhörung und Stellungnahme zu Beschlussgegenständen. Der Gesellschafter soll auch bei eigenem Stimmrechtsausschluss die Willensbildung der übrigen Gesellschafter wirksam beeinflussen können. Darüber hinaus dient das Teilnahmerecht dazu, den Gesellschafter in die Lage zu versetzen, sich Kenntnis von Abläufen und Inhalten der Beschlussfassungen zu verschaffen.

Das Teilnahmerecht ist deshalb im Kern unentziehbar und kann lediglich in seltenen Ausnahmefällen beschränkt werden, bspw. bei konkreter Interessengefährdung gerade durch die Teilnahme des betreffenden Gesellschafters an der konkreten Beratung.

Die Vertreterzulassung

Sieht der Gesellschaftsvertrag keine höchstpersönliche Ausübung von Gesellschafterrechten vor, darf sich jeder Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung vertreten lassen. Hierzu muss er dem Vertreter eine Vollmacht ausstellen, die der Vertreter im Original vorzulegen hat.

Die Zulässigkeit der Vertretung beinhaltet zugleich ein vom Gesellschafter abgeleitetes Teilnahmerecht des Bevollmächtigten an der Gesellschafterversammlung. Beschränkungen der Zulassung eines Vertreters sind nur bei Vorliegen besonderer Umstände oder eines wichtigen bzw. ihm gleichkommenden sachlichen Grundes anzuerkennen. Dabei sind für Berufsgeheimnisträger, etwa Rechtsanwälte, noch höhere Anforderungen an einen Teilnahmeausschluss anzulegen.

Lässt sich ein Gesellschafter in der Gesellschaftsversammlung vertreten, hat er dann allerdings in der Regel keinen Anspruch darauf, daneben selbst an der Versammlung teilnehmen zu dürfen.

Die Begleiterzulassung

Die Gesellschafterversammlung ist im Grundsatz eine „geschlossene Veranstaltung“. Übt ein Gesellschafter sein Teilnahmerecht und sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung selbst aus, besteht grundsätzlich keine Recht auf Hinzuziehung dritter Personen als Berater, Beistand oder Zeugen, sodass eine Teilnahme von Sachverständigen, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten grundsätzlich nur aufgrund Satzung oder durch einen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung zugelassen werden kann.

Eine Teilnahmebefugnis von Begleitern kann sich aber ausnahmsweise aus Treuepflichten der übrigen Gesellschafter ergeben, bspw. wenn

  • schwerwiegende Entscheidungen zu fällen sind und dem Gesellschafter die erforderliche Sachkunde fehlt oder der Gesellschafter mit Blick auf seine persönlichen Verhältnisse und Fähigkeiten beratungs- und unterstützungsbedürftig ist;
  • die statusrechtliche Stellung des Gesellschafters (Einziehung, Ausschließung, Kündigung, …) durch den angekündigten Beschluss unmittelbar betroffen ist;
  • die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Gesellschaftergleichbehandlung dies gebieten, so wenn anderen Gesellschaftern oder der Gesellschaft die Teilnahme eines Beistands gestattet ist („Prinzip der Waffengleichheit“).

Will bspw. auch der Mehrheitsgesellschafter mit Beistand erscheinen, gewinnt zudem das Interesse des betroffenen Gesellschafters Bedeutung, eine Begleitperson an der Versammlung teilnehmen zu lassen, die in einem möglichen späteren gerichtlichen Verfahren (Beschlussanfechtungsklage) als Zeuge zur Verfügung steht.

In all diesen Fällen wird bei einer Interessenabwägung die Begleiterzulassung für die übrigen Gesellschafter nicht unzumutbar sein.

Darf der Vertreter oder Begleiter wegen seiner Person abgelehnt werden?

Das kann dann der Fall sein, wenn die Person des Vertreters oder Beistands seine Teilnahme für die übrigen Gesellschafter unzumutbar macht, bspw. wenn zu erwarten ist, dass diese Person die Gesellschafterversammlung ernsthaft stören oder eine Beschlussfassung unrechtmäßig behindern würde. Dafür reicht aber nicht aus, dass der zur Vertretung bestimmte Rechtsanwalt vorher gegen die Gesellschaft aufgetreten war. Selbst gravierende Auseinandersetzungen mit dem anwaltlichen Vertreter eines Gesellschafters rechtfertigen nicht per se dessen Teilnahmeausschluss.

Hausrecht als untaugliches Mittel

Als letztes Mittel neigen Sitzungsleiter dann gelegentlich dazu, die Entfernung des Vertreters oder Beistands mittels Hausrecht durchzusetzen. Das Hausrecht ist hierfür aber ein grundsätzlich untaugliches Mittel. Zwar wird das dem Sitzungsleiter zustehende Hausrecht durch die Teilnahmerechte von Gesellschaftern und ihrer Vertreter bzw. Begleiter weder verdrängt noch eingeschränkt. Wird einer teilnahmebefugten Person jedoch vom Hausrechtsinhaber der Zutritt zum Versammlungsort versagt, darf dort keine Gesellschafterversammlung abgehalten werden.

2.       Rechtsschutzmöglichkeiten des Gesellschafters

Eine Versammlungsteilnahme als Vertreter oder Beistand kann der betroffene Gesellschafter zumeist ausschließlich im Wege der Beantragung einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) erreichen. Hierzu führt das OLG Dresden aus:

„Der Kläger konnte die unmittelbar drohende Verletzung der über seine Mitgliedschaftsrechte abgeleiteten Teilnahmerechte nur durch ein einstweiliges Zulassungsbegehren verhindern; es stand eine unwiederbringliche Entwertung von zentralen Gesellschafterrechten in Rede … Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine Bedenken gegen einstweilige Rechtschutzmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache …. Eine nachträgliche Beschlussanfechtung kompensiert den Rechtsverlust nicht ausreichend …“

Fazit:

Soll einem Gesellschafter trotz angekündigter schwerwieger Beschlussfassungen, möglicher Weise sogar den Staus des Gesellschafters betreffende Beschlussfassungen, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder dessen Hinzuziehung als Beistand in der Gesellschafterversammlung versagt werden, so sollte sich der betroffene Gesellschafter zur Wehr setzen. Das gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag einschränkende Regelungen zur Teilnahme beinhaltet. Sonst sind schwerwiegende und nicht wieder gutzumachende Rechtsverluste nicht auszuschließen. Notfalls muss eiliger Rechtsschutz durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung ins Auge gefasst werden.

Die übrigen Gesellschafter sollten im Zweifel eher großzügiger mit dem Wunsch nach Zulassung eines Vertreters oder Beistands verfahren, wenn sie nicht von vornherein einen formalen Beschlussmangel riskieren wollen, der Anfechtbarkeit oder sogar Nichtigkeit der zu fassenden Beschlüsse nach sich ziehen kann.

Diese Erwägungen betreffen nicht nur allgemein eine Gesellschafterversammlung oder eine Mitgliederversammlung im Verein; sie sind im Einzelfall entsprechend auch für wesentliche Beschlussgegenstände in einer Vorstandssitzung eines Vereins oder ggf. auch einer Stiftung heranzuziehen. Auch dort kann das dringende Bedürfnis bestehen, die Mitgliedschaftsrechte oder Organrechte durch Hinzuziehung eines rechtlichen Beistands zu wahren.

Autor

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Andreas Jahn
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