30.10.2016 -

Nach Ausspruch einer Kündigung steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, im Anschluss weitergehende Vereinbarungen zu treffen. Solche Vereinbarungen werden meist Abwicklungsvereinbarung genannt, eben weil sie die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses inhaltlich regeln sollen. Dem Arbeitnehmer werden in solchen Fällen bestimmte Zugeständnisse gemacht; im Gegenzug verzichtet er dafür auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem wichtigen aktuellen Urteil mit der Frage zu befassen, ob solche Klageverzichtsvereinbarungen zulässig und welche Anforderungen an die Wirksamkeit zu stellen sind (BAG, Urteil v. 24.09.2015 – 2 AZR 347/14). Die Entscheidung ist für künftige Verhandlungen und die Gestaltung von Abwicklungsvereinbarungen von besonderer Bedeutung und zwingend zu beachten.

Der Fall:

Der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger war bei dem beklagten Arbeitgeber seit März 2002 als Fleischer beschäftigt. Nach längerer Erkrankung und erfolgreicher Wiedereingliederung nahm er am 1. März 2013 seine Arbeit wieder auf. Zuvor hatten er und der Geschäftsführer bereits mehrere Gespräche über eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt.

Am 5. März 2013 übergab der Geschäftsführer dem Kläger ein auf den 28. Februar 2013 datiertes Kündigungsschreiben. Darin hieß es, der Arbeitgeber kündige das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 30. Juni 2013. Zugleich überreichte der Geschäftsführer dem Kläger eine ebenfalls auf den 28. Februar 2013 datierte Abwicklungsvereinbarung, die beide Seiten auch unterschrieben. Sie lautete auszugsweise:

1. Arbeitgeberin und Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche und fristgemäße Kündigung vom 28. Februar 2013 aus betrieblichen Gründen zum 30. Juni 2013 sein Ende finden wird.

2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, dem Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist ein qualifiziertes Endzeugnis mit guter Leistungs- und Führungsbewertung zu erteilen.

3. Der Arbeitnehmer bestätigt, dass er diese Erklärung freiwillig unter reiflicher Überlegung geschlossen hat. Er verzichtet hiermit ausdrücklich auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage. Die Arbeitgeberin weist darauf hin, dass sie über etwaige Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld nicht belehrt hat und hierüber nur die für den Arbeitnehmer zuständige Arbeitsagentur Auskunft erteilen kann.

4. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund – ob bekannt oder unbekannt – erledigt.“

Im Anschluss erhob der Kläger allerdings fristgerecht Kündigungsschutzklage. Er hat behauptet, der Geschäftsführer habe ihn über den Inhalt des Abwicklungsvertrages getäuscht. Er sei von einer Abfindung und von einer Verlängerung der Kündigungsfrist ausgegangen. Darauf habe er vertraut und die Vereinbarung unterschrieben, ohne sie zu lesen. Zudem benachteilige ihn die Vereinbarung unangemessen.

Der Arbeitgeber hat hingegen beantragt, die Kündigungsschutzklage abzuweisen. Er hat insbesondere die Auffassung vertreten, die Abwicklungsvereinbarung sei wirksam. Sie sei mit dem Einverständnis des Klägers getroffen und von ihm unterzeichnet worden. Eine unangemessene Benachteiligung liege schon deshalb nicht vor, da dem Kläger in der Vereinbarung ein überdurchschnittliches Zeugnis mit „guter Leistungs- und Führungsbewertung“ zugesagt wurde.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und der Klage stattgegeben!

I. AGB-Kontrolle

Das Bundesarbeitsgericht hat die Abwicklungsvereinbarung nach der sogenannten AGB-Kontrolle geprüft und festgestellt, dass der Klageverzicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam war. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Bei Arbeitsverträgen handelt es sich um sogenannte Verbraucherverträge im Sinne der AGB-Kontrolle. Dabei reicht es aus, wenn eine von dem Arbeitgeber gestellte Vereinbarung (hier die Abwicklungsvereinbarung) zur einmaligen Verwendung vorformuliert wird, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Der Kläger konnte hier auch keinen Einfluss auf die Abwicklungsvereinbarung nehmen. Die AGB-Kontrolle fand daher umfassend Anwendung.

II. Klageverzicht nur bei angemessener Kompensation zulässig!

Ein vor Ablauf von drei Wochen nach Zugang einer Kündigung erklärter formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (Klageverzicht) ist ohne eine ihn kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht sieht darin eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers.

Das Bundesarbeitsgericht hat dazu nunmehr klargestellt, dass eine unangemessene Benachteiligung nicht nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer in einer vorformulierten Erklärung ohne jegliche Gegenleistung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet hat. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer für seinen Verzicht keine angemessene Kompensation erhält.

Die Benachteiligung (der Klageverzicht) kann dann kompensiert werden, wenn dem Arbeitnehmer an anderer Stelle vertraglich ein Vorteil gewährt wird. Dabei müssen Vor- und Nachteile in einem inneren Zusammenhang stehen. Der gewährte Vorteil muss also von einem gewissen Gewicht sein, damit er einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigung darstellt. Insofern bedarf es also einer Abwägung zwischen dem vereinbarten Nachteil einerseits und dem gewährten Vorteil andererseits.

III. Zeugnisregelung nicht ausreichend

Die Verpflichtung zur Erteilung eines guten Zeugnisses stellt für das Bundesarbeitsgericht keine angemessene Gegenleistung und Kompensation dar. In der vertraglichen Bekräftigung eines ohnehin bestehenden Zeugnisanspruchs wird lediglich ein ohnehin bestehender Anspruch geregelt. Dabei ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber lediglich den gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers erfüllen will. Die Erfüllung von gesetzlichen Pflichten stellt aber keine überobligatorische Leistung dar. Etwas praxisfremd wird darauf hingewiesen, dass sicherlich nur die zutreffende Benotung erfolgen sollte und nicht ein objektiv unzutreffendes „zu gutes“ Zeugnis erteilt werde sollte.

Hinweis für die Praxis:

Ohne weitere Kompensation ist also das bloße Zugeständnis eines guten oder sogar sehr guten Zeugnisses nicht ausreichend. Dem Arbeitnehmer müssen weitere nennenswerte Vorteile gewährt werden. Welche dies sein könnten, beantwortet das Bundesarbeitsgericht nicht. Sicherlich ist aber in der Zahlung einer angemessenen Abfindung in Höhe des Regelsatzes eine solche angemessene Kompensation zu sehen. Inwieweit Abfindungszahlungen, die deutlich unter dem Regelsatz liegen, als angemessene Kompensation anerkannt werden, bleibt unklar.

Fazit:

Zusätzliche Leistungen, die Arbeitnehmern im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung vor Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist gewährt werden, sollten als solche besonders gekennzeichnet werden. Zudem reichen bloße „Bagatellzusagen“ wie etwa ein gutes Zeugnis nicht aus. Dem Arbeitnehmer müssen schon nennenswerte Vorteile gewährt werden. Andernfalls droht das Risiko, dass trotz der Vereinbarung später Kündigungsschutzklage erhoben wird und das eigentliche Ziel, die Vermeidung eines Rechtsstreits, gerade nicht erreicht wird.

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