Der Wille des Kindes hat mit zunehmendem Alter immer größere Bedeutung, auch wenn es um die Kontakte mit einem Elternteil geht. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, das Umgangsrecht einzuschränken oder sogar auszuschließen, wenn das Kind ernsthaft und fortwährend den Kontakt mit einem Elternteil ablehnt.
Der Fall:
In dem vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 17.09.2016 – 1 BvR 1547/16) entschiedenen Fall hatte der Vater eines im Jahr 2003 geborenen Mädchens Verfassungsbeschwerde eingelegt. Anlass hierfür war es, dass ein Gericht es abgelehnt hatte, eine frühere Entscheidung abzuändern, mit der unbefristet Umgangskontakte zwischen dem Vater und seiner Tochter ausgeschlossen worden waren.
Die Eltern hatten sich kurz nach der Geburt des Kindes getrennt. Der Vater versuchte seit dem Jahr 2004, ein Umgangsrecht mit seiner Tochter zu erreichen. Ein letztes Treffen fand im Jahr 2008 statt. Die Tochter lehnt den Umgang mit dem Vater aufgrund des langjährigen Streits der Eltern und der zahlreichen in diesem Zusammenhang geführten Gerichtsverfahren vollständig ab. Das Mädchen hat offenbar den Vater abgelehnt und die Mutter als ihre engste Bezugsperson wahrgenommen, um sich so dem durch die Eltern aufgebauten Druck zu entziehen. Ein Gericht hatte daher entschieden, dass der Umgang des Vaters mit seiner Tochter auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen werde.
Der Vater sieht darin eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz, wonach die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht und die Pflicht der Eltern sind.
Die Entscheidung:
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und darüber hinaus festgestellt, sie sei ohnehin unbegründet.
Das Recht der Eltern auf Umgang mit ihren Kindern ist grundrechtlich geschützt. Konkret bedeutet dies, dass Eltern ein Recht darauf haben, die Entwicklung des Kindes mitzuerleben, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen.
Dieses Recht war bei der Entscheidung über den Umgang ebenso zu berücksichtigen wie das Wohl des Kindes und dessen Individualität. Zu beachten war vor allem, dass das Kind seinen Willen deutlich und selbstbestimmt zum Ausdruck gebracht hatte. Der Wille des Kindes ist bei der Ausgestaltung des Umgangs mit seinen Eltern umso mehr zu beachten, je älter das Kind wird. Ein erzwungener Umgang des Kindes mit einem Elternteil kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen, wenn die Selbstbestimmung des Kindes nicht berücksichtigt wird. Dem Willen des Kindes ist nur dann weniger Gewicht beizumessen, wenn davon auszugehen ist, dass die Äußerungen des Kindes manipuliert sind und nicht seinem wirklichen Willen entsprechen.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wäre das Kindeswohl gefährdet, wenn das Kind zum Umgang mit seinem Vater gezwungen würde. Für das Kind sei der Kontakt mit dem Vater wegen des anhaltenden Konflikts der Eltern eine Bedrohung, weil es dadurch seine Beziehung und Bindung zur Mutter angegriffen fühle. Deswegen sei es zum Schutz des Kindes erforderlich, den Umgang weiterhin auszuschließen. Druck gegenüber der Mutter, die grundsätzlich auf Kontakte des Kindes mit dem Vater hinzuwirken hat, würde nur die ablehnende Haltung des Kindes verstärken. Auch begleitete Treffen würden nichts ändern oder von vornherein am Widerstand des Kindes scheitern. Das Kind müsse auch nicht therapiert werden, weil seine Haltung allein deshalb entstanden sei, weil die Eltern ihre Konflikte nicht lösen könnten.
Fazit:
Je älter Kinder werden, desto mehr Mitspracherecht haben sie bei der Entscheidung darüber, inwieweit sie den Umgang mit den Eltern haben. Dies kann auch zum Ausschluss des Umgangs führen. Dabei ist allerdings immer zu prüfen, ob das Wohl des Kindes durch den Umgang mit einem Elternteil tatsächlich gefährdet wird und inwieweit die Äußerungen des Kindes dem eigenen Willen entsprechen. Denn grundsätzlich hat jeder Elternteil einen Anspruch auf den Umgang mit seinen Kindern, den der andere Elternteil auch sicherstellen muss.
Dieser Beitrag ist entstanden mit maßgeblicher Mitwirkung von Frau Rechtsanwältin Miriam Hachenberg.
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