15.11.2016 -

Kündigungen bedürften bekanntlich nach § 623 BGB der zwingenden Schriftform. Gleiches gilt für Auflösungs- bzw. Aufhebungsverträge. In vielen arbeitsgerichtlichen Vergleichen oder auch Aufhebungsverträgen wird aber zusätzlich vereinbart, dass dem Mitarbeiter das Recht zusteht, mit einer kurzen Erklärungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden (sogenannte Turboklausel). Das Bundesarbeitsgericht hatte nun die äußerst praxisrelevante Frage zu entscheiden, ob auch die Erklärung dieses vorzeitigen Ausscheidens dem zwingenden Schriftformerfordernis nach § 623 BGB unterfällt (BAG, Urteil v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14). Der zuständige 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit zutreffenden Erwägungen die Anwendung des § 623 BGB bejaht. Wir möchten die Entscheidung hier für die Praxis erläutern.

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Arbeitgeber, einem ambulanten Pflegedienst, seit Mai 1997 beschäftigt. Der Arbeitnehmer kündigte im August 2013 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28. Februar 2014. Im Rahmen des sich anschließenden Kündigungsschutzverfahrens schlossen die Parteien einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der streitgegenständlichen Kündigung mit Ablauf des 28. Februar 2014 enden sollte. Die Klägerin wurde ab dem 1. November 2013 von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Gehalts freigestellt.

§ 4 des Vergleichs lautet wie folgt:

Die Beklagte räumt der Klägerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein. Die Klägerin wird ihr vorzeitiges Ausscheiden mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen, schriftlich, gegenüber der Beklagten anzeigen. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sich die Beklagte, für jeden Kalendertag vorzeitigen Ausscheidens eine Sozialabfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 70,00 € brutto je Kalendertag an die Klägerin zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 26. November 2013 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers mit, dass die Klägerin zum 1. Dezember 2013 eine andere Arbeitsstelle gefunden habe. Gemäß § 4 des gerichtlichen Vergleichs zeige er daher das Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. November 2013 fristgerecht an. Das Schreiben wurde nur per Telefax übermittelt; ein Original wurde nicht übersandt.

Nach Auffassung des Arbeitgebers wurde die vereinbarte Schriftform durch die bloße Telefaxübermittlung des Schreibens nicht gewahrt. Auch die Anzeige des vorzeitigen Ausscheidens unterfalle dem zwingenden Schriftformerfordernis des § 623 BGB.

Die Arbeitnehmerin berief sich hingegen darauf, bei der Anzeige des vorzeitigen Ausscheidens handele es sich entsprechend dem Wortlaut des Vergleichs nicht um eine Willenserklärung, sondern nur um die Ausübung eines Optionsrechts, welches in einem Grundgeschäft, d.h. hier in dem gerichtlichen Vergleich, vereinbart worden sei. In diesem Grundgeschäft sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits formwirksam geregelt worden. Mit der Anzeige sei lediglich die Abwicklung der Restlaufzeit des Vertragsverhältnisses modifiziert worden.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass es sich bei dem Schreiben zum vorzeitigen Ausscheiden um eine Kündigung der Klägerin gehandelt habe, welches das Schriftformerfordernis des § 623 BGB missachtet habe. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Erklärung des vorzeitigen Ausscheidens allein durch Telefax anerkannt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Die Schriftform des § 623 BGB wurde nicht gewahrt.

I. Schriftformerfordernis § 623 BGB

Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Die Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Das Schriftformerfordernis schützt damit vor allem den Kündigungsempfänger. Darüber hinaus entfaltet das Schriftformerfordernis für den Erklärenden eine Warnfunktion.

Hinweis für die Praxis:

§ 623 BGB erfasst jedes Arbeitsverhältnis. Es handelt sich um zwingendes Recht, welches weder durch vertragliche noch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden kann. Alle Erklärungen, die nicht eigenhändig unterzeichnet sind, sind damit formunwirksam. Dies gilt sowohl für Telefaxschreiben als auch für E-Mails oder bloße Kopien.

II. Keine Anwendung auf Abwicklungsverträge

Das Schriftformerfordernis gilt zwar auch für Aufhebungsverträge, nicht aber für Abwicklungsverträge. Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren die Parteien nach Erklärung einer Kündigung die Bedingungen, zu denen der Arbeitnehmer ausscheidet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird also nicht durch den Abwicklungsvertrag, sondern durch die ausgesprochene Kündigung bewirkt. Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene arbeitgeberseitige Kündigung endet, genügt die in einem solchen Abwicklungsvertrag zugrunde liegende formgerecht erklärte Kündigung dem Schriftformerfordernis.

Hinweis für die Praxis:

Gerichtliche Vergleiche sind in diesem Sinne Abwicklungsverträge.

III. Vorzeitiges Ausscheiden zulässig

Die Vereinbarung eines Rechts des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Abwicklungsvertrag (gerichtlichen Vergleich) mit einer Ankündigungsfrist ist grundsätzlich zulässig. Solche Klauseln werden in vielen gerichtlichen Vergleichen vereinbart. Sie werden auch als Turboklauseln bezeichnet. Meist wird dem Mitarbeiter das Recht eingeräumt, mit einer kurzen Ankündigungsfrist von z.B. 14 Tagen oder auch nur einer Woche vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und die Restlaufzeit wird dann in vielen Fällen kapitalisiert als Abfindung ausgezahlt.

Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass solche Klauseln nicht an den Mindestkündigungsfristen des § 622 BGB zu messen sind. Die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen können bei solchen Turboklauseln auch unterschritten werden. Eines besonderen Schutzes des betroffenen Arbeitnehmers bedarf es hier nicht. Der Arbeitnehmer hat kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum vorgesehenen Beendigungstermin und bevorzugt stattdessen eine Abfindung. Die vorzeitige Beendigung ist daher in seinem Sinne. Der Gesetzgeber hat zudem in einer vergleichbaren Situation dem Arbeitnehmer ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht ausdrücklich eingeräumt. So hat gem. § 12 S. 1 KSchG der Arbeitnehmer das Recht zur Verweigerung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Falle der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn er inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Vor diesem Hintergrund ist die zwingende Wahrung der Grundkündigungsfrist im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung nicht erforderlich.

IV. Vorzeitiges Ausscheiden und Schriftformerfordernis

Dennoch ist die Ausübung des vertraglichen Rechts zur vorzeitigen Beendigung ebenso wie der Sonderkündigungsschutz nach § 12 S. 1 KSchG formal eine Kündigung, welche zwingend § 623 BGB unterfällt. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien die Erklärung als „Anzeige“ bezeichnen oder „Recht zum vorzeitigen Ausscheiden“. Die Vorschrift des § 623 BGB gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für alle Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Zweck des § 623 BGB umfasst folglich auch die Erklärung der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung.

Die mit Telefaxschreiben übermittelte Kündigungserklärung entspricht jedoch nicht den Anforderungen des § 623 i.V.m. § 126 BGB. Die Erklärung war damit gem. § 125 S. 1 BGB nichtig.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist von besonderer praktischer Relevanz. Uns sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Erklärungen zum vorzeitigen Ausscheiden lediglich per E-Mail oder per Telefax erklärt werden. Formal sind alle diese Erklärungen aber nichtig! Zwar haben beide Seiten regelmäßig kein Interesse daran, sich auf diese Nichtigkeit zu berufen. Dennoch ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nunmehr zwingend zu beachten. Es empfiehlt sich daher, in Vergleichen ausdrücklich zu vereinbaren, dass Erklärungen zum vorzeitigen Ausscheiden gem. § 623 BGB zu erfolgen haben. Auf diese Weise werden Rechtsunsicherheiten vermieden. Die Arbeitsgerichte sollten auf entsprechende Erklärungen hinwirken.

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