Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist der Erwerb eines zuvor durch die Eltern selbstgenutzten Familienheims von Todes wegen steuerfrei, wenn die Kinder das ererbte Familienheim „unverzüglich“ selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Was aber bedeutet unverzüglich? Diese Frage stellt sich regelmäßig dann, wenn das Objekt nicht sofort bezogen werden kann, weil bspw. die Erbauseinandersetzung bis hin zur Übertragung des Eigentums längere Zeit in Anspruch nimmt.

Im entschiedenen Fall des FG Münster (Urteil vom 28.09.2016, 3 K 3793/15 Erb) bestand die Besonderheit, dass ein unter Betreuung stehender behinderter Miterbe existierte, so dass für die Eigentumsübertragung des Familienheims an das durch die Eltern mit dem Familienheim bedachte andere Kind zuvor Genehmigungen des Vormundschaftsgerichts und von Ergänzungsbetreuern eingeholt werden mussten.

Unverzüglich heißt nicht sofort

  • Unverzüglich im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfolgt eine Handlung nur dann, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Das bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss.
  • Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall, damit der Erwerber den Beschluss zum Einzug bedenken und im Anschluss dann ggf. erforderliche Renovierungs- und Gestaltungsmaßnahmen durchführen kann.
  • Auch nach Ablauf von sechs Monaten kann eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung gegeben sein, wenn der Erwerber darlegt und glaubhaft macht, warum ein Einzug in die Wohnung nicht früher möglich ist und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Dabei sind die Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten (BFH, Urteil vom 23.06.2015, II R 39/13).

Vor diesem Hintergrund sieht das Finanzgericht Münster den Zeitraum, in dem der Kläger sowohl mit dem Sozialamt als auch mit seinem Bruder unter Einschaltung der dazu notwendigen Personen und Institutionen (Ergänzungsbetreuer und Vormundschaftsgericht) seine Eigentümerposition klären musste, für unschädlich. Denn solange sich der mit dem Familienheim bedachte Erbe seiner Eigentümerposition nicht sicher sein konnte, können von ihm Maßnahmen zur Umsetzung einer Entscheidung zur Selbstnutzung nicht verlangt werden.

Spätestens nach der Eigentumsumschreibung im Grundbuch ist die Selbstnutzung des ererbten Grundbesitzes erforderlich. Und spätestens jetzt läuft die zugestandene 6-Monats-Frist an. Lässt der Erwerber den 6-Monats-Zeitraum verstreichen, ohne das erworbene Objekt selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, kann die Steuerbefreiung nach Auffassung der Finanzrichter nicht gewährt werden.

Das FG Münster stellt vorsorglich klar, dass die Selbstnutzung als Familienheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur dann gegeben ist, wenn sich dort der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet. Eine Nutzung als Wochenendhaus neben einem anderen Mittelpunkt des täglichen Lebens reicht nicht aus.

Fazit:

Unverzüglich im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG heißt nicht immer sofort und auch nicht immer zwingend 6 Monate. Wenn unvermeidliche Verzögerungen eintreten, kann sich der Zeitraum auch deutlich verlängern. Sobald allerdings klar ist, dass die Eigentumslage für den Erwerber geklärt ist, läuft spätestens dann die 6-Monatsfrist an. Lässt der Erwerber diese Frist verstreichen, ist die Steuerfreiheit verloren.

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