Ein beliebtes Gestaltungsinstrument der vorweggenommenen Erbfolge ist das Verschenken von Immobilien an Kinder unter gleichzeitigem Nießbrauchvorbehalt. Die Elterngeneration kann damit bereits vorweg Erbschaftsteuerfreibeträge für die Übertragung von Immobilien an Kinder nutzen und gleichzeitig den vollen Zugriff auf das selbstbewohnte Familienheim behalten. Dabei drohen überraschende rückwirkende Steuerlasten, wenn das weiterverschenkte Familienheim in den letzten zehn Jahren vor der Schenkung geerbt worden war. Das zeigen zwei aktuelle Entscheidungen des Finanzgerichts Hessen (Gerichtsbeschluss vom 15.02.2016, 1 K 2275/15) und des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 28.09.2016, 3 K 3757/15 Erb).

Rückwirkendes Entfallen der Steuerbefreiung

In den Entscheidungen geht es um das rückwirkende Entfallen der Steuerbefreiung für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG und § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.

  • § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG stellt den Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der überlebende Ehegatte das Familienheim auch weiterhin zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt.
  • Entsprechend stellt § 13 Abs. 1 Nr. 4c den Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem Familienheim durch Kinder steuerfrei, wenn diese das Familienheim unverzüglich selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

Nach Satz 5 beider Vorschriften fällt die Steuerbefreiung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb „nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt“, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Der Gesetzeswortlaut knüpft den rückwirkenden Wegfall der Steuerbefreiung also an die „Aufgabe der Selbstnutzung“, soweit diese nicht durch besondere Bedingungen erzwungen ist.

Soweit, so gut!

Problem: Weiterverschenken unter Nießbrauchvorbehalt

Wie aber ist zu entscheiden, wenn ein Erwerber eines in diesem Sinne steuerbefreiten Familienheims das Haus zwar für die nächsten zehn Jahre zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt, das Eigentum an dem Familienheim allerdings aufgibt, indem das Haus durch Schenkung unter Nießbrauchvorbehalt an die nächste Generation im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge weitergeben wird?

Sowohl das FG Hessen als auch das FG Münster haben mit beachtlichen, wenn auch nicht unbestrittenen Gründen gegen den Wortlaut des Gesetzes(!) entschieden und jeweils die Steuerbefreiung rückwirkend entfallen lassen. In beiden Fällen kam es zu einer rückwirkenden Nachbelastung mit Erbschaftsteuer.

Maßgeblich stellen die beiden Finanzgerichte darauf ab, dass die Steuerbefreiung sowohl des § 13 Abs. 1 Nr. 4b als auch Nr. 4c ErbStG gerade zu dem Zweck geschaffen wurden, zu verhindern, dass der erwerbende Erbe sein Eigentum am Familienheim aufgeben muss, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Wird das Eigentum entweder aufgrund einer durch den Erblasser angeordneten Verpflichtung oder zur Teilung des Nachlasses weiterübertragen, kommt die Steuerbefreiung schon nach dem Gesetz nicht in Betracht. Diese Regelungen lassen es nach Auffassung der Finanzgerichte geboten erscheinen, dass die Steuerbefreiung mit der Eigentümerstellung verknüpft ist.

Dem ist zuzugeben, dass die Steuerbefreiung nach dem Gesetz auch in den Fällen verloren geht, in denen

  • der Erwerber das Eigentum an dem Haus aufgrund einer Anordnung des Erblassers weitergeben muss, aber
  • aufgrund einer weiteren Anordnung des Erblassers den Grundbesitz auch weiterhin zu eigenen Wohnzwecken – z.B. aufgrund eines zugewendeten Nießbrauchs oder Wohnrechts – nutzen darf.

Dann soll kein sachlicher Grund dafür erkennbar sein, der es rechtfertigt, dem Erben die Steuerbefreiung bei Übertragung des Eigentums am Familienheim weiter zu belassen, nur weil die Übertragung freiwillig erfolgt und nicht auf Veranlassung des Erblassers geschieht. Wenn der Erwerber nicht gezwungen werden soll, seine Eigentümerposition aufzugeben, um die Erbschaftsteuer entrichten zu können, lasse sich das sinnvollerweise nur verwirklichen, wenn die Steuerbefreiung an die Eigentümerstellung und nicht lediglich an die Selbstnutzung zu Wohnzwecken geknüpft ist, so das FG Münster.

In beiden Fällen haben die Finanzgerichte die Revision zum Bundesfinanzhof zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Man darf gespannt sein, wie die höchsten deutschen Finanzrichter diese bisher ungeklärte Frage entscheiden werden.

Fazit:

Ehegatten und Kinder, die steuerfrei ererbte Familienheime zu eigenen Wohnzwecken nutzen, sind bis zu einer verbindlichen Entscheidung des Bundesfinanzhofs gut beraten, diese Familienheime nicht im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge schenkweise an die nächste Generation zu übertragen. Auch eine Weiterübertragung unter Vorbehalt von Nießbrauch und Wohnrecht schützt wohl nicht.

Unproblematisch sind nur die Fälle, in denen der Wert des Nachlasses einschließlich Familienheim den Rahmen der erbschaftsteuerlichen Freibeträge nicht überschreitet.

Autor

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Andreas Jahn
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