23.11.2016 -

Fragen der Nachtarbeit sind im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Wege einzuschränken. In einer aktuellen Entscheidung hat sich das Bundesarbeitsgericht dabei mit Fragen der Zuschlagshöhe und den Leistungspflichten von Arbeitgebern befasst (BAG, Urteil v. 09.12.2015 – 10 AZR 423/14).

Wir möchten hier von einer Wiedergabe der Entscheidung wegen des sehr speziell gelagerten Falles absehen und uns vielmehr auf die Kernaussagen der Entscheidung beschränken. Die wesentlichen Regelungen zur Nachtarbeit finden sich dabei in § 2 Ab. 3 bis 5 ArbZG. Dort ist geregelt, dass Nachtzeit die Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr ist, Nachtarbeit ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst und Nachtarbeitnehmer sind solche Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

Ergänzt werden die Vorschriften durch § 6 ArbZG. Die Nachtarbeit ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen der Arbeit festzulegen. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Entscheidung ist dabei § 6 Abs. 5 ArbZG mit folgendem Wortlaut:

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

Welcher Ausgleich hier angemessen ist und welche Bedingungen einzuhalten sind, hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr präzisiert. Die wesentlichen Kernaussagen haben folgenden Inhalt:

1. Ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen stellt ohne das Vorliegen besonderer Umstände, die auf eine höhere oder geringere Belastung schließen lassen, regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG dar. Bei Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit erhöht sich der Ausgleichsanspruch regelmäßig auf 30 %.

2. Ein Wert von 25 % ist typischerweise dann angemessen, wenn ein Arbeitnehmer „Nachtarbeitnehmer“ i.S.v. § 2 Abs 5 ArbZG ist, also im gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang von 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leistet oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leistet und während dieser Zeit die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, ohne dass besondere Umstände vorliegen, die Anlass für eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs bieten würden.

3. Eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des von § 6 Abs. 5 ArbZG geforderten Ausgleichs für Nachtarbeit kommt in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorliegen, die den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % wegen der im Vergleich zum Üblichen niedrigeren oder höheren Belastung als zu gering oder zu hoch erscheinen lassen. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist.

4. Der Ausgleichsanspruch kann sich erhöhen oder vermindern, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Aspekten die normalerweise mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt oder demgegenüber gemindert ist. Leistet ein Arbeitnehmer dauerhaft Nachtarbeit, besteht wegen der damit verbundenen Mehrbelastung regelmäßig ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 30 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. auf Gewährung einer entsprechenden Anzahl bezahlter freier Tage.

5. Leistungen, die der Arbeitgeber für Zeiten außerhalb der gesetzlichen Nachtzeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr (§ 2 Abs. 3 ArbZG) erbringt [hier: Zuschläge für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr] erfüllen den Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG nicht und sind weder anrechenbar noch bei der Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs zu berücksichtigen.

6. Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen kann oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann. Relevanz kann die letztgenannte Erwägung aber nur in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist.

7. Rein wirtschaftliche Erwägungen sind nicht geeignet, eine Abweichung vom Regelwert nach unten zu begründen. Eine Wettbewerbsverzerrung ist in diesen Fällen ausgeschlossen, weil das gesetzliche Gebot des § 6 Abs. 5 ArbZG für alle betroffenen Unternehmen gilt. Ein Grund für die Reduzierung des Nachtarbeitszuschlags kann sich nach dem Normzweck auch nicht aus der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers oder einer Region ergeben. Hiervon hängt der Gesundheitsschutz nicht ab.

8. Im Hinblick auf die regelmäßig als angemessen angesehenen Werte ist von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Gewährt der Arbeitgeber einen Ausgleich in diesem Umfang, genügt er zunächst seiner Darlegungslast und es ist kein weiterer Tatsachenvortrag zur Angemessenheit erforderlich. Der Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu begründen, aus welchen Umständen sich ein höherer Anspruch ergeben soll. Bleibt der geleistete Ausgleich hingegen hinter diesen Werten zurück, ist es bereits im ersten Schritt Sache des Arbeitgebers darzulegen, aufgrund welcher Faktoren ein geringerer Zuschlagsanspruch angemessen sein soll.

Fazit:

Nachtarbeit unterliegt speziellen Beschränkungen nach dem ArbZG. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist zwingend zu beachten. Dies betrifft nicht nur die Verpflichtung, Zuschläge bzw. zusätzliche freie Tage nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu gewähren, sondern auch vielfältige weitere Pflichten, die sich im Einzelnen aus § 6 Abs. 1 bis 6 ArbZG ergeben. Arbeitgeber, bei denen Nachtarbeit erbracht werden muss, haben bei der Arbeitsvertragsgestaltung auf diese Vorgaben zu achten.

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