21.02.2017 -

BAG entscheidet: DRK-Schwestern sind als Leiharbeitnehmerinnen zu qualifizieren

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 21. Februar 2017 (1 ABR 62/12) die lange diskutierte Streitfrage zum Status der Mitglieder der DRK-Schwesternschaft im Rahmen der Personalgestellung entschieden. Nach dem Urteil steht nunmehr fest, dass DRK-Schwestern als Leiharbeitnehmerinnen zu qualifizieren sind, wenn sie weisungsabhängig und gegen Entgelt in einer von einem Dritten betriebenen Einrichtung der Krankheits- oder Gesundheitspflege eingesetzt werden. Dieses Ergebnis war zu erwarten, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen einer Vorabentscheidung bereits die Arbeitnehmereigenschaft der DRK-Schwestern für grundsätzlich gegeben hielt.

Die Problematik:

Bislang war ein Großteil der etwa 22.000 Kranken- und Altenpflegerinnen, die unter dem Dach des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) tätig sind, auf der Grundlage sog. Gestellungsverträge in Einrichtungen der Kranken- und Gesundheitspflege außerhalb des DRK tätig. Gegenstand dieser Gestellungsverträge ist die Überlassung der DRK-Schwestern als hauptberuflich tätig werdende Pflegekräfte ohne zeitliche Begrenzung. Sie unterliegen während der Gestellung den fachlichen und organisatorischen Weisungen der jeweiligen Einrichtung. Ihre Vergütung erhalten sie auch während der Gestellung allerdings weiterhin durch die DRK-Schwesternschaft, die als Verein organisiert ist und deren Mitglieder die einzelnen Schwestern sind. Der DRK-Schwesternschaft werden von der Einrichtung die Personalkosten ersetzt; darüber hinaus wird ihnen von dort auch eine Verwaltungspauschale gewährt. Die DRK-Schwestern wiederum erwerben Anwartschaften gegen die Schwesternschaft (beispielsweise einen Anspruch auf Erholungsurlaub).

Bisher verwies die Rechtsprechung auf die Mitgliedschaft der Schwestern in der DRK-Schwesternschaft als Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeit und verneinte eine Arbeitnehmerstellung. Ihre Tätigkeit für die Einrichtungen in der Kranken- und Gesundheitspflege qualifizierten die Gerichte daher auch nicht als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG.

Die Entscheidung:

Angestoßen wurde die aktuelle Entscheidung durch ein Verfahren zwischen der Ruhrlandklinik Essen und ihrem Betriebsrat. Letzterer hatte die Zustimmung zur Einstellung einer DRK-Schwester mit dem Hinweis darauf verweigert, dass es sich um eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung handele, die nach dem AÜG nicht zulässig sei. Die Klinik war hingegen der Auffassung, dass § 1 AÜG mangels Arbeitnehmereigenschaft der DRK-Schwester keine Anwendung finde und beantragte die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung.

Das BAG setzte das Verfahren zunächst aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die bisherige Rechtsprechung, nach der die DRK-Schwestern nicht als Arbeitnehmerinnen zu qualifizieren waren, mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG (sog. Leiharbeitsrichtlinie) vereinbar ist. Der EuGH entschied am 17. November 2016 (C-216/15), dass auch die DRK-Schwestern in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fallen, da sie offenbar über eine Reihe von Rechten verfügten, welche mit den Arbeitnehmerrechten des deutschen Rechts übereinstimmen oder gleichwertig seien. Ob die Voraussetzungen der Leiharbeitsrichtlinie auch tatsächlich vorlagen, oblag aber der Entscheidung des BAG.

Das BAG befand daraufhin am 21. Februar 2017 (1 ABR 62/12), dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung zu Recht verweigert hatte und klärte im Rahmen dieses Verfahrens gleichzeitig den Status der DRK-Schwestern. Bei der Gestellung von DRK-Schwestern handele es sich nach unionsrechtskonformer Auslegung um Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG, die nicht dauerhaft durchgeführt werden dürfe.

Praxishinweis

Das Urteil des BAG wird ganz erhebliche Auswirkungen für die Praxis haben. Da nun feststeht, dass die Gestellung von DRK-Schwestern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren ist, müssen die Vorschriften des AÜG eingehalten werden. Schon bisher ist danach insbesondere eine dauerhafte Überlassung unzulässig. Das Problem verschärft sich durch die Neuregelung des AÜG zum 1. April 2017 zudem, da ab diesem Zeitpunkt eine Höchstüberlassungsdauer von grundsätzlich 18 Monaten gilt. Das bisher praktizierte Modell der dauerhaften Personalgestellung ist damit nicht vereinbar.

Eine Lösung soll nach Medienberichten allerdings schon in Sicht sein. Danach sollen sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und DRK-Präsident Rudolf Seiters darauf verständigt haben, dass für DRK-Schwestern jedenfalls die im AÜG vorgesehene Höchstüberlassungsdauer keine Anwendung finden soll. Offenbar soll das Gesetz um eine entsprechende Ausnahmeregelung ergänzt werden.

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