27.02.2017 -

Der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz ist unverzichtbar. Im laufenden Arbeitsverhältnis kann daher ein Arbeitnehmer auf seine gesetzlichen Mindesturlaubsansprüche nicht verzichten. Etwas anderes gilt jedoch für den Urlaubsabgeltungsanspruch. Bei diesem handelt es sich um einen Zahlungsanspruch. Der Arbeitnehmer kann über diesen Zahlungsanspruch frei verfügen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nun zu klären, ob der Verzicht auf die Urlaubsabgeltung in einem Aufhebungsvertrag in diesem Sinne zulässig und möglich ist (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.02.2016 – 8 Sa 1923/15). Das Urteil steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin war seit dem 1. März 2011 als Product-Manager zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.000,00 € beschäftigt. Der jährliche Urlaubsanspruch betrug 28 Arbeitstage. Im Jahre 2012 nahm sie acht Urlaubstage in Anspruch und ging dann in Elternzeit für die Zeit ab dem 12. September 2012 bis zum 13. Oktober 2014.

In der zweiten Oktoberhälfte 2014 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, in dem sie ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 2014 im gegenseitigen Einvernehmen beendeten. Unter anderem vereinbarten sie:

§ 2 Abfindung

Die Arbeitnehmerin erhält eine ab sofort vererbliche Abfindung in Höhe von 5.000,00 € brutto. Die Abfindung wird bis spätestens zum 31. Oktober 2014 auf das Konto der Arbeitnehmerin bei der … zur Einzahlung gebracht.

§ 3 Urlaub/Überstunden

Mit der Zahlung der Abfindung sind sämtliche der Arbeitnehmerin noch zustehende Urlaubsansprüche und Überstunden – gleich aus welchem Rechtsgrund – abgegolten.

§ 8 Schlussformel

Mit der Erfüllung der in diesem Vertrag genannten Ansprüche sind alle wechselseitigen wirtschaftlichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung ausgeglichen, seien sie bekannt oder unbekannt.

Mit ihrer Zahlungsklage wandte sich die Arbeitnehmerin u.a. gegen den wirksamen Verzicht der Urlaubsabgeltungsansprüche und verlangte – trotz der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag – einen Urlaubsabgeltungsanspruch für weitere 12 Arbeitstage gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch in Höhe von 1.661,52 €.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen die Zahlungsklage abgewiesen.

I. Surrogationstheorie des Bundesarbeitsgerichts

Zunächst ist hier nochmals kurz auf die Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einzugehen. Nach alter Rechtsprechung konnten Arbeitnehmer weder auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis noch auf einen hieraus resultierenden Urlaubsabgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzichten. Der umfassende Schutz bezog sich nach dieser Rechtsprechung sowohl auf den Urlaubsanspruch als auch auf den Urlaubsabgeltungsanspruch.

Im Zuge der aktualisierten Rechtsprechung des EuGH zur Aufrechterhaltung von Urlaubsansprüchen bei dauererkrankten Mitarbeitern hat das Bundesarbeitsgericht aber diese Surrogationstheorie vollständig aufgegeben. Nunmehr stellt sich der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Zahlungsanspruch dar. Dieser Zahlungsanspruch unterliegt Verfallfristen, ist pfändbar, vererbbar und der Arbeitnehmer kann über den Anspruch in einem Vertrag verfügen.

II. Zeitpunkt nach Rechtsprechung maßgeblich

Das Bundesarbeitsgericht hat bislang dazu in einer Entscheidung aus dem Jahre 2013 festgestellt, dass der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den ihm zustehenden gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch verzichten kann. Die Frage, ob der Arbeitnehmer auch schon vor der Beendigung auf einen zukünftigen Urlaubsabgeltungsanspruch im Vorhinein verzichten kann, hat das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG, Urteil v. 14.05.2013 – 9 AZR 844/11) in dieser Entscheidung offen gelassen.

Das Landesarbeitsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Wird im Rahmen eines Aufhebungsvertrages ein Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit beendet, entsteht zeitgleich mit dem Abschluss der Vereinbarung der Urlaubsabgeltungsanspruch. Zu diesem Zeitpunkt war damit dieser Anspruch verzichtbar.

Hinweis für die Praxis:

Weiterhin noch nicht abschließend entschieden ist damit die wichtige Frage, ob Arbeitnehmer auch im Vorhinein auf Urlaubsabgeltungsansprüche verzichten können. Nach unserer Auffassung ist dies möglich, wenn dem Mitarbeiter weiterhin die Möglichkeit eingeräumt bleibt, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwaige Urlaubsansprüche in natura noch nehmen zu können. Relevant ist dies vor allem bei Arbeitnehmern, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages weiterhin arbeitsunfähig erkrankt sind und damit ihren Resturlaubsanspruch nicht mehr nehmen können. In solchen Fällen ist nach unserer Auffassung der Verzicht auf eine Urlaubsabgeltung daher möglich. Allerdings hat sich das Bundesarbeitsgericht dazu bislang noch nicht geäußert, so dass hier Restrisiken bei entsprechenden Vereinbarungen bestehen.

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