Seit der Mietrechtsreform vom 01. September 2001 gelten bei Wohnraum-Mietverhältnissen für Vermieter und Mieter unterschiedliche Kündigungsfristen gemäß
§ 573c BGB: Der Mieter kann das Mietverhältnis nach dieser Vorschrift grundsätzlich spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Für den Vermieter gilt dies nur innerhalb der ersten fünf Jahre, nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums verlängert sich die Kündigungsfrist für ihn um jeweils drei Monate.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun in mehreren Fällen darüber zu entscheiden, ob durch Inkrafttreten der Mietrechtsreform auch die Kündigungsfristen von Altverträgen modifiziert worden sind. Der Senat hat entschieden, dass in solchen Verträgen enthaltene Formularklauseln, in denen die damaligen – nach Mietdauer gestaffelten – gesetzlichen Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben wurden, fortgelten und nicht nach § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam sind.

 

I. Der Sachverhalt

Den zugelassenen Revisionen lagen vor dem 1. September 1996 bzw. vor dem 1. September 1991 abgeschlossene Mietverträge zugrunde, die in einer Formularklausel die für eine ordentliche Kündigung damals geltenden Fristen des § 565 Abs. 2 BGB wörtlich oder sinngemäß wiederholten. Danach betrug die Kündigungsfrist für den Mieter und den Vermieter bei einer Mietdauer von bis zu fünf Jahren drei Monate, danach sechs Monate, ab dem achten Jahr neun Monate und nach zehn Jahren Mietdauer ein Jahr.

 

Durch das am 1. September 2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 29. März 2001 (BGBl. I S. 1149) sind die gesetzlichen Fristen für die ordentliche Kündigung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages geändert worden. Der an die Stelle von § 565 Abs. 2 BGB getretene neue § 573 c Abs. 1 BGB sieht für die Kündigung des Mieters unabhängig von der Mietdauer eine Frist von drei Monaten vor. Eine Vereinbarung, die davon zum Nachteil des Mieters abweicht, ist unwirksam (§ 573 c Abs. 4 BGB). Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB bestimmt dazu, dass § 573 c Abs. 4 BGB keine Anwendung findet, wenn (von § 573 c Abs. 1 BGB abweichende) Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 „durch Vertrag vereinbart“ worden sind.

 

Die Kläger hatten nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung ihre alten Mietverträge, die jeweils eine zwölfmonatige Kündigungsfrist vorsahen, gekündigt und sich auf den Standpunkt gestellt, dass durch die Kündigung ihr Mietverhältnis mit Ablauf der neuen, dreimonatigen Kündigungsfrist beendet worden sei. Die Vermieter vertraten demgegenüber die Auffassung, dass die sich aus den Mietverträgen ergebende längere Kündigungsfrist fortgelte und deshalb das Mietverhältnis entsprechend länger fortbestehe.

 

 

 

II. Die Entscheidung des BGH (Urteile vom 18. Juni 2003 – VIII ZR 240/02 u.a.)

Nach Auffassung des BGH sind die in den Mietverträgen enthaltenen Kündigungsfristen weiterhin maßgebend, weil eine vor dem 1. September 2001 getroffene vertragliche Vereinbarung über die Kündigungsfristen – im Sinne des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB – auch dann vorliege, wenn in einer Formularklausel die früheren gesetzlichen Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben wurden. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut der Übergangsvorschrift und ihrem sachlichen Zusammenhang mit § 573 c Abs. 4 BGB, sondern auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für das Mietrechtsreformgesetz. Danach sollte mit der Übergangsvorschrift aus Gründen des Vertrauensschutzes sichergestellt werden, dass vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes wirksam vereinbarte Kündigungsfristen auch zukünftig wirksam bleiben (BT-Drucks. 14/4553, S. 77). Dazu gehört auch eine formularvertragliche Vereinbarung, in der die früheren – teilweise dispositiven – gesetzlichen Kündigungsfristen wiedergegeben wurden. Der Rechtsausschuß des Bundestages hat der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung der Übergangsvorschrift ohne Änderungsempfehlung zugestimmt. Seinen von der Gesetzesbegründung der Bundesregierung abweichenden Ausführungen, die in einer Formularklausel wiedergegebenen früheren gesetzlichen Kündigungsfristen sollten nur dann fortgelten, wenn sich aus dem Vertragskontext oder sonstigen Umständen bei Vertragsschluss ergebe, dass die Parteien ein besonderes Interesse an der Geltung der damaligen gesetzlichen Fristen gehabt und gerade vor diesem Hintergrund diese Regelung „ganz bewusst“ getroffen hätten (BT-Drucks. 14/5663, S. 83), ist der Senat nicht gefolgt. Er hat darauf hingewiesen, dass eine solche Einschränkung des
Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB in der Formulierung der Übergangsvorschrift keinen Ausdruck gefunden habe. Auch lasse es die Zielsetzung der Mietrechtsreform, durch ein verständliches und transparentes Mietrecht dem Rechtsfrieden zu dienen (BT-Drucks. 14/4553, S. 1; BT-Drucks. 14/5663, S. 2), nicht als sachgerecht erscheinen, die Frist für die Kündigung eines vor dem 1. September 2001 abgeschlossenen Mietvertrages durch den Mieter von einer konfliktträchtigen und wenig aussichtsreichen Aufklärung des Ablaufs der viele Jahre zurückliegenden Vertragsverhandlungen abhängig zu machen. Der Mieter werde auch nicht unzumutbar belastet, wenn er grundsätzlich an den vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen festgehalten werde. Er habe in den vom Rechtsausschuss angesprochenen Härtefällen – wie schon nach bisherigem Recht – einen Anspruch auf vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages, wenn er einen Ersatzmieter stelle.

 

III. Fazit

Vermieter können bei vor dem 1. September 2001 abgeschlossenen Wohnraum-Mietverträgen auch künftig darauf vertrauen, dass die vertraglich geregelten Kündigungsfristen einzuhalten sind.

 

Bei Neuverträgen oder Verträgen, die nach dem 1. September 2001 noch unter Verwendung von Formularverträgen geschlossen wurden, welche die früheren Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergeben, ist allein die Kündigungsfrist des § 573c BGB maßgeblich.

 

Verfasser: Rechtsanwalt Alexander Knauss

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