16.03.2017 -

Das Kündigungsschutzgesetz findet bekanntlich in Kleinbetrieben keine Anwendung, § 23 KSchG. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass sich diese Bezugsgröße auf die in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bezieht und nicht auf die Anzahl der Arbeitnehmer des Unternehmens (BAG, Urteil v. 19.07.2016 – 2 AZR 468/15). Dabei hat sich das Bundesarbeitsgericht auch mit der Frage beschäftigt, in welchen Fällen ausnahmsweise auch die Anzahl der Arbeitnehmer des Unternehmens ausschlaggebend sein können.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war seit 2007 als Sales- und Marketingmanager zunächst bei einer Schwestergesellschaft des nunmehr beklagten Unternehmens beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde dann ab Juli 2009 mit dem aktuellen Arbeitgeber fortgeführt.

Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht mit Kündigung vom 28. Oktober 2013 zum 31. Dezember 2013. Zum Zeitpunkt der Kündigung wurden unstreitig in dem Betrieb neben dem Kläger neun weitere Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Arbeitgeber betrieb allerdings eine selbständige Niederlassung in der Schweiz. Jedenfalls zwei dieser Mitarbeiter wurden gelegentlich im Rahmen von Präsentationen und Meetings auch in Deutschland in dem Betrieb des Klägers eingesetzt.

Mit der Kündigungsschutzklage hat der Kläger vor allem darauf abgestellt, dass die in der schweizer Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer bei der Bemessung der Arbeitnehmerzahl der Hauptniederlassung zu berücksichtigen seien. Das Kündigungsschutzgesetz finde daher Anwendung.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Betriebsbegriff nach KSchG

Das Kündigungsschutzgesetz findet in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, keine Anwendung, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG. Dies gilt für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.

Hinweis für die Praxis:

Die Berechnung der Arbeitnehmerzahl erfolgt dabei nach dem vereinbarten Stundenumfang. Arbeitnehmer mit einer Stundenzahl bis zu 20 Wochenstunden zählen mit dem Faktor 0,5, bis zu 30 Wochenstunden mit dem Faktor 0,75 und mit mehr als 30 Wochenstunden mit dem Faktor 1,0. Für Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2004 eingestellt wurden, greift das Kündigungsschutzgesetz nach dieser Berechnung bereits bei einer Anzahl von mehr als fünf beschäftigten Arbeitnehmern (Altbelegschaft).

II. Eingliederung in den Betrieb maßgeblich

Mitarbeiter müssen, damit sie in einem Betrieb nach dem vorgenannten Faktor mitzählen, in die betriebliche Struktur eingebunden sein. Maßgeblich ist dazu, dass sie ihre Tätigkeit für diesen Betrieb erbringen und die Weisungen ihrer Arbeitsdurchführung auch (im Wesentlichen) von dort erhalten. Dazu reicht es nicht aus, dass Mitarbeiter eines anderen Betriebs gelegentlich im Rahmen von Meetings und Präsentationen einen Betrieb aufsuchen. Dies genügt nicht, um sie bei der Bestimmung der Betriebsgröße mitzuzählen. Sie müssen vielmehr in die betriebliche Struktur eingebunden sein.

Bei den Mitarbeitern der schweizer Niederlassung fehlte es an diesen Voraussetzungen, da sie nur gelegentlich den Betrieb in Deutschland aufgesucht haben.

III. Unternehmensgröße nicht maßgeblich

Das Kündigungsschutzgesetz stellt auf die Betriebs- und nicht auf die Unternehmensgröße ab. Eine Zusammenrechnung der Arbeitnehmer verschiedener Betriebe findet damit nicht statt. Diese Differenzierung hat das Bundesverfassungsgericht für zulässig erachtet. Dies gilt sogar dann, wenn sich ein Unternehmen in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Auch in solchen Fällen bleibt der Betriebsbezug maßgeblich.

Hinweis für die Praxis:

Im Einzelfall kann allerdings durchaus eine Zusammenrechnung verschiedener Betriebe in einem Unternehmen in Betracht kommen. Dies gilt aber nur in den Fällen, in denen die Privilegierung des Kleinbetriebs angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation bei vollständiger Betrachtung ins Leere laufen würde. Anhaltspunkte für eine solche Umgehung waren hier im konkreten Fall nicht vorhanden.

Fazit:

Unterhält ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten, findet das Kündigungsschutzgesetz in diesen Betrieben nur dann Anwendung, wenn jeweils mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Eine Zusammenrechnung aller Arbeitnehmer des Unternehmens kommt nur dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung vorliegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Entstehung allgemeinen Kündigungsschutzes durch eine willkürliche Zersplitterung des Unternehmens bewusst verhindert werden soll.

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