Laut abstammungsrechtlichen Vorschriften des Familienrechts ist das in einer Ehe geborene Kind rechtlich dem Ehemann dieser Ehe als Vater zuzuordnen. Nach bisher weit überwiegend vertretener Meinung entfaltet diese Vaterschaftsvermutung des Familienrechts eine sogenannte Sperrwirkung auch im Erbschaftsteuerrecht. Anders formuliert: Solange der „falsche Vater“ als Ehemann der Mutter Vater im Rechtssinne ist, kann der biologische Vater nicht Vater im steuerrechtlichen Sinne sein. Diese seit langer Zeit geltenden Grundsätze geraten nun ins Wanken, da das Finanzgericht Hessen zu einer differenzierenden Betrachtung gelangt ist.

1. Sachverhalt
Der Kläger war der biologische Vater der Beschenkten. Diese wurde 1987 innerhalb der Ehe ihrer leiblichen Mutter mit dem Ehemann der Mutter geboren. Die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter wurde nicht angefochten. Im Jahre 2015 wurde die biologische Vaterschaft des Klägers festgestellt. Der Kläger schenkte seiner biologischen Tochter daraufhin im Jahre 2016 einen höheren Geldbetrag. Das zuständige Finanzamt setzte Schenkungssteuer unter Anwendung der (schlechteren) Steuerklasse III fest. Die Steuerklasse I, die für das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern gilt, sei nicht anwendbar, da eine rechtliche Vaterschaft der Beschenkten zum Ehemann der leiblichen Mutter bestehe, die zivilrechtlich die rechtliche Anerkennung der Vaterschaft des Klägers als biologischen Vater ausschließe.

2. Entscheidungsgründe
In seiner Entscheidung hat das Hessische Finanzgericht die aktuellen Entwicklungen im Zivilrecht auf das Schenkungssteuerrecht übertragen. Bei einer Schenkung des biologischen Vaters an seine leibliche Tochter gelte bei der Schenkungssteuer die Steuerklasse I mit dem persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro auch dann, wenn der biologische Vater nicht zugleich der rechtliche Vater ist.

Der Begriff „Kinder“ sei im Erbschaftsteuergesetz nicht definiert und mit der Definition des Einkommensteuerrechts nicht deckungsgleich, vielmehr sei für die Begriffsauslegung das bürgerliche Recht heranzuziehen. Dabei sei dann sowohl der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch der aktuellen familienrechtlichen Entwicklung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung zu tragen. Da gerade der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkannt hat, dass zwischen einem Kind und seinem biologischen Vater eine natürliche unveränderliche Bindung besteht, die bei enger persönlicher Beziehungen dem Schutzbereich des Privat- und Familienlebens unterfällt, könne nicht nur auf die familienrechtlich anerkannte Vaterschaft abgestellt werden. Zudem habe der Gesetzgeber im Jahre 2013 im Familienrecht durch Einführung des § 1686 a BGB den „leiblichen, nicht rechtlichen Vater“ als eine Ausprägung der Vaterschaft anerkannt und ihm als biologischem Vater eigene Rechte zugesprochen (BT-Drucksache 17/12163, S. 8). Unter Berücksichtigung dieser Entwicklungen sei es sachgerecht, die zivilrechtliche Entwicklung auf das Schenkungssteuerrecht zu übertragen.

Fazit für die Praxis: Der derzeit noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Finanzgerichts Hessen liegen gute Argumente zugrunde. Setzt sich diese Auffassung auch beim Bundesfinanzhof durch, hat die Entscheidung auch für andere Fallgruppen Konsequenzen: So müssen dann die zugrundeliegenden Erwägungen auch auf die Feststellungen bzw. die besonderen Konstellationen der Verwandtschaftsverhältnisse bei Leihmutterschaft übertragen werden können.

Zunächst bleibt allerdings abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof in dem vom Finanzgericht Hessen entschiedenen Fall positioniert.

 

 

 

 

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