25.07.2017 -

Grobe Verletzungen eines Betriebsratsmitglieds können den Arbeitgeber nach § 23 BetrVG dazu berechtigen, den Ausschluss aus dem Betriebsrat beim Arbeitsgericht zu beantragen. Die Anforderungen an eine solche grobe Pflichtverletzung sind sehr hoch. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun die wichtige Frage zu entscheiden, ob eine Pflichtverletzung in der laufenden Amtsperiode zu einem Ausschluss auch für die Folgeperiode nach Neuwahl führen kann (BAG v. 27.7.2016, 7 ABR 14/15). Die Frage wird in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur kontrovers diskutiert und ist von großer praktischer Bedeutung.

Der Fall:
Die beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und Dienstleistung. Es besteht ein Betriebsrat.

In einem Gespräch informierte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin den Betriebsratsvorsitzenden und den damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden über Planungen des Gesellschafters, Geschäftsanteile der Arbeitgeberin zu verkaufen. Dabei wurde den beiden Betriebsratsmitgliedern unter Hinweis auf die absolute Vertraulichkeit eine Information über den Namen des Kaufinteressenten gegeben.

Darüber setzte der Betriebsratsvorsitzende während der nächsten Betriebsratssitzung die übrigen Betriebsratsmitglieder unter Hinweis auf die strenge Vertraulichkeit der Information in Kenntnis. Ein bei dieser Sitzung anwesendes Betriebsratsmitglied brachte dennoch im Rahmen einer Mitgliederversammlung der ver.di Betriebsgruppe einen möglichen Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Arbeitgeberin zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. In der Folge gab es eine Betriebsversammlung, anlässlich derer sich die Kandidaten für die anstehende Betriebsratswahl vorstellten. Anwesend war auch hier das vorgenannte Betriebsratsmitglied, das zu Beginn erneut einen möglichen Verkauf von Gesellschaftsanteilen zur Sprache brachte. Auch hier wies der Betriebsratsvorsitzende erneut auf die Verschwiegenheitspflicht hin.

Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht den Ausschluss des einzelnen Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht fand die Wahl eines neuen Betriebsrats statt. Das Betriebsratsmitglied, gegen das das Ausschlussverfahren eingeleitet worden war, wurde erneut als Betriebsratsmitglied gewählt.

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, dieses Betriebsratsmitglied sei wegen einer groben Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat auszuschließen. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschließungsantrag bleibe auch nach der Neuwahl des Betriebsrats bestehen.

Das Arbeitsgericht hat den Ausschließungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm hingegen im Beschwerdeverfahren stattgegeben.

Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht den Ausschließungsantrag ebenfalls abgewiesen und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben.

I. Grobe Pflichtverletzung
Gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG kann u.a. der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.

Hinweis für die Praxis:
Zu den groben Pflichtverletzungen zählen z.B. der Aufruf zu einem wilden Streik unter Ausnutzung des Betriebsratsamts, Tätlichkeiten gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern während einer Betriebsratssitzung oder auch die grobe Verletzung von Verschwiegenheitspflichten. Erforderlich ist damit eine offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung. Das Bundesarbeitsgericht verlangt, dass die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats ernstlich bedroht oder lahmgelegt ist.

II. Ausschließungsantrag ist amtszeitbezogen!
Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings nunmehr klargestellt, dass eine Pflichtverletzung, die während einer vorangegangenen Amtszeit des Betriebsrats begangen wurde, den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrat nicht rechtfertigen kann. Die in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur kontrovers diskutierte Frage ist damit nunmehr klar entschieden.

Das Bundesarbeitsgericht hat dies zunächst mit der Dauer der Amtszeit begründet. Der Betriebsrat ist – anders als der Gesamtbetriebsrat und der Konzernbetriebsrat – keine Dauereinrichtung. Dies folgt u.a. aus den Vorschriften der §§ 21 bis 24 BetrVG. Es wird stets zwischen der Wahl, dem Ablauf der Amtszeit, dem alten und dem neuen Betriebsrat unterschieden. Der neue Betriebsrat ist – auch bei Personenidentität – mit dem alten Betriebsrat daher nicht identisch. Dies wiederum führt dazu, dass Pflichtverletzungen sich nur auf die jeweilige Amtsperiode auswirken können.

Fazit:
Damit kann ein nach § 23 Abs. 1 BetrVG rechtskräftig aus dem Betriebsrat ausgeschlossenes Betriebsratsmitglied unmittelbar im Anschluss wieder erneut zum Betriebsratsmitglied gewählt werden. Das Ergebnis ist im Hinblick auf die gesetzliche Systematik sicherlich zutreffend, für die Praxis aber wenig förderlich. Amtspflichtverletzungen, die kurz vor Ablauf einer Amtsperiode begangen werden, sind damit nicht zu sanktionieren. Das gestörte Vertrauensverhältnis bleibt auch bei Neuwahl bestehen. Dies wirkt sich dann auch auf die Amtsausübung aus. Zudem müssen Betriebsratsmitglieder damit bei Pflichtverstößen, selbst wenn sie grob sind, kaum Sanktionen befürchten. Alternativ sollten Arbeitgeber in solchen Konstellationen einen Antrag nach § 120 BetrVG (Strafantrag wegen Verletzung von Geheimnissen) oder eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung prüfen.

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