29.11.2017 -

Mit einer Änderungskündigung kann ein bestehender Arbeitsvertrag abgeändert und auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt werden. Voraussetzung ist, dass die Änderung der angebotenen Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist. Dazu ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Änderung so konkret mitteilt, dass dieser erkennen kann, welche Dienste er künftig leisten soll. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Anforderungen in einem aktuellen Urteil nochmals bestätigt (BAG v. 26.1.2017, 2 AZR 68/16). Die betriebliche Praxis ist gut beraten, die von dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze genau zu beachten, um die Unwirksamkeit von Änderungskündigungen zu vermeiden.

Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer ist bereits seit 1997 bei dem beklagten Arbeitgeber als Elektrotechniker beschäftigt. Das vertraglich vereinbarte Aufgabengebiet umschloss u.a. die Softwareerstellung.

Im November 2001 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwere Kopfverletzungen. Der Arbeitgeber führte im Dezember 2005 einen Arbeitstest durch. Als Ergebnis des Tests hat der Arbeitgeber gemeint, der Arbeitnehmer könne keine komplexen Programmiertätigkeiten mehr durchführen. Er erklärte daher eine Änderungskündigung aus personenbedingten Gründen. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:
„…

Sehr geehrter [Kläger],

hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß zum 30.06.2006, gleichzeitig bieten wir Ihnen ein Arbeitsverhältnis an zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen mit folgenden Abweichungen:

Folgende Punkte werden abgeändert:

1. Tätigkeit und Aufgabengebiet

[Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt die Software-Erstellung, Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung, Kundenschulung u.s.w. In das Aufgabengebiet wird der Arbeitnehmer ca. ein halbes Jahr eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden.

3. Bezüge

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung von

brutto EUR 2.709,-

und lautet neu:

1. Tätigkeit und Aufgabengebiet

[Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt alle Arbeiten im Lager, vorrangig Fahrer- und Kuriertätigkeiten, hierzu gehören u.a. das Be- und Entladen von Baustellen- oder sonstigem Material in und von Transportfahrzeugen, Staplerfahren sowie allgemeine Lagertätigkeiten u.s.w.

In das Aufgabengebiet wird [der Kläger] ca. einen Monat eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden.

3. Bezüge

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von

brutto EUR 8,50

…“

Der Kläger hat daraufhin das mit der Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Vertragsbedingungen rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht Klage erhoben. Er sei weiterhin in der Lage, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Das mit der Kündigung verbundene Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages sei nicht hinreichend bestimmt.

Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen.

Die Entscheidung:
Auf die Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht hingegen die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die mit der Kündigung erstrebte Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sozial nicht gerechtfertigt.

I. Kein konkretes Vertragsangebot
Zunächst unterstellt das Bundesarbeitsgericht, dass dem Kläger aufgrund vorangegangener Erläuterungen klar sein musste, er sollte überhaupt nicht mehr als Elektrotechniker eingesetzt werden und dass ein solcher Wille des Arbeitgebers in dem Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat. Dennoch konnte er nicht ausreichend erkennen, welche Arbeitsleistung er fortan schulden sollte.

So war bereits unklar, welche Inhalte die möglichen Einsätze auf Baustellen haben sollten. Auch konnte der Kläger aus dem festgelegten Stundenlohn nicht mittelbar auf die Art der ihm auf „Baustellen“ zuzuweisenden Tätigkeiten rückschließen.

Schließlich war auch unklar, aufgrund welcher Umstände die mit einer Änderung des Aufgabenbereichs einhergehende Absenkung der Vergütung auf einen Stundenlohn von nur 8,50 € brutto sozial gerechtfertigt sein sollte.

Unklar war auch, welche Tätigkeiten der Kläger noch durchführen konnte. Die Tatsache, dass der Kläger die an sich geschuldeten Programmierarbeiten nicht mehr durchführen konnte, besagte für sich genommen lediglich, dass er einen Teilbereich des vereinbarten Leistungsspektrums nicht mehr abzudecken vermochte. Der Kläger war aber nicht dauerhaft arbeitsunfähig, so dass es ihm nicht unmöglich war, noch Teile der bisher vertraglich festgelegten Arbeitsleistung erbringen zu können.

II. Bestimmtheitsgebot beachten!
Soll der Arbeitsvertrag im Wege einer Änderungskündigung geändert werden, muss der Arbeitgeber die versprochenen Dienste so konkret umschreiben, dass dem Mitarbeiter die Art der geschuldeten Arbeitsleistung aus dem Änderungskündigungsschreiben heraus erkennbar ist. Ist dies nicht möglich, ist die Änderungskündigung schon deshalb unwirksam.

Dabei dürfen Arbeitgeber nur so weit in den Arbeitsvertrag eingreifen, wie dies zur Anpassung an die neuen Umstände möglich ist. Dafür trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt insbesondere auch für eine Reduzierung des ursprünglich vereinbarten Lohnes.

Fazit:
Die Entscheidung macht deutlich, dass die Anforderungen an eine wirksame Änderungskündigung hoch sind. Pauschale Formulierungen und weitreichende Eingriffe in den Arbeitsvertrag sind dringend zu vermeiden. Bei der Reduzierung von Entgelt ist idealerweise auf kollektive Entgeltschemata zurückzugreifen, um die Anpassung des Lohnes zu begründen. Können bestimmte Tätigkeiten einer Entgeltgruppe zugeordnet werden, spricht dies für die Richtigkeit der Gehaltsreduzierung. Dort, wo dies nicht möglich ist, kann man sich an brancheneinschlägigen Tarifverträgen orientieren.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

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