17.08.2003 -

 

Das Bundeskabinett hat am 18. Juni 2003 weitere Reformen am Arbeitsmarkt verabschiedet. Dieser Regierungsentwurf ist zentraler Bestandteil der Agenda 2010.

 

Neben der Bundesregierung haben auch die Länder Niedersachen, Bayern und Sachsen entsprechende Gesetzesentwürfe eingebracht. Welche Fassung nun endgültig verabschiedet werden wird, ist zurzeit noch offen. Die von der Bundesregierung geplanten wichtigsten Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes wollen wir dennoch – schon jetzt – vorstellen.

 

I. Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes

Eines der Hauptziele des Regierungsentwurfes ist es, Hindernisse für Neueinstellungen abzubauen und mehr Transparenz und Rechtssicherheit bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes zu schaffen. Folgende Änderungen sind deshalb vorgesehen:

 

1. Schwellenwert

Bekanntlich findet das Kündigungsschutzgesetz auf Kleinbetriebe keine Anwendung. Allgemeinen Kündigungsschutz erlangen Arbeitnehmer vielmehr erst in Betrieben, mit in der Regel mehr als 5 beschäftigten Arbeitnehmern. Teilzeitbeschäftigte werden dabei anteilig mit 0,5 (bis 20 Wochenstunden) bzw. 0,75 (bis 30 Wochenstunden) berücksichtigt. Wird dieser Schwellenwert von mehr als 5 Arbeitnehmern überschritten, unterliegen sämtliche Arbeitnehmer des Betriebs damit dem allgemeinen Kündigungsschutz.

 

Der Regierungsentwurf sieht nun zu diesem Grundsatz eine zunächst bis zum 31. Dezember 2008 befristete Einschränkung vor. Zusätzlich eingestellte Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen werden auf den Schwellenwert für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Betrieben mit mehr als 5 Arbeitnehmern nicht angerechnet.

 

Beispiel:

In einem Betrieb sind bislang 4 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach der geplanten Neuregelung können bis zum 31. Dezember 2008 bspw. drei weitere Arbeitnehmer befristet eingestellt werden, ohne dass auf die Beschäftigten dadurch das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.

 

2. Sozialauswahl

Nach aktuellem Recht muss gem. § 1 Abs. 3 KSchG eine Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung durchgeführt werden. Der Arbeitgeber hat dabei bei der Auswahl des Arbeitnehmers „soziale Gesichtspunkte“ ausreichend zu berücksichtigen.

 

Nach dem Regierungsentwurf sollen die im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Kriterien auf die Grunddaten der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers beschränkt werden.

 

Besonders fähige Arbeitnehmer müssen in die Sozialauswahl nicht mehr einbezogen werden, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Weiterbeschäftigung wegen der Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder der Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur hat.

 

3. Interessenausgleich mit Namensliste

Wieder eingeführt werden soll ferner die Zulässigkeit einer von Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen eines Interessenausgleichs aufgestellten Namensliste von Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll. Die soziale Auswahl bei den darin genannten Arbeitnehmern kann dann gerichtlich nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 111 BetrVG).

 

4. Gesetzlicher Abfindungsanspruch

Das Kündigungsschutzgesetz ist nach wie vor ein bestandsschützendes Gesetz. Auch wenn in der Praxis die Mehrzahl der Kündigungsschutzklagen mit einem Aufhebungsvergleich enden, ändert dies an der Grundkonzeption nichts.

 

Der Entwurf sieht nun in einem neuen § 1 a KSchG einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung vor. Dieser Abfindungsanspruch setzt allerdings den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen kann, wenn er die Klagefrist verstreichen lässt. Die Höhe der Abfindung beträgt dann ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.

 

5. Klagefrist

Die Klagefrist gegen Kündigungen des Arbeitgebers soll insgesamt vereinheitlicht werden. Künftig soll nach dem Regierungsentwurf bei allen Kündigungen, also unabhängig vom Klagegrund, die Drei-Wochen-Frist eingehalten werden müssen. Diese strenge Drei-Wochen-Frist galt bislang nur bei der Kündigungsschutzklage, § 4 KSchG und soll künftig für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe gelten.

 

II. Änderungen des TzBfG

Der Regierungsentwurf enthält auch Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG).

 

So soll Unternehmensgründern in den ersten 4 Jahren der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen erleichtert werden. Die Vorschrift des § 14 TzBfG soll deshalb dahingehend erweitert werden, dass neugegründete Unternehmen in den ersten 4 Jahren ab Aufnahme der Erwerbstätigkeit Arbeitsverträge bis zur Dauer von 4 Jahren auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristen können. Dabei kann innerhalb dieser 4 Jahre ein befristeter Arbeitsvertrag auch mehrfach verlängert werden. Allerdings soll diese Regelung nicht für Neugründungen gelten, die im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzern stehen.

 

III. Änderungen des SGB III

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes soll ebenfalls erheblich verkürzt werden. Leistungen auf Arbeitslosengeld sollen grundsätzlich nach dem Regierungsentwurf auf eine Höchstdauer von 12 Monaten begrenzt werden, für Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr auf höchstens 18 Monate.

 

Eine Übergangsregelung ist dabei für Arbeitnehmer vorgesehen, die ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zum In-Kraft-Treten der Neuregelung bereits erworben haben.

 

Hinweise für die Praxis:

Über den weiteren Verlauf der Diskussion werden wir Sie zeitnah informieren. Im Übrigen verweisen wir auf Heft 13/2003 der Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), das sich mit dem Regierungsentwurf schwerpunktmäßig beschäftigt und auch den Wortlaut abgedruckt hat (BR-Drs. 421/03).

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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