09.09.2003 -

Das Bundesarbeitsgericht hat in kurzer Folge mehrere Fälle entschieden, in denen es um die Angemessenheit von Ausbildungsvergütungen ging. Die wesentlichen Grundsätze wollen wir nachfolgend kurz zusammenfassen.

 

Angemessene Vergütung

Der Ausbildende hat nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die Angemessenheit der Vergütung wird dabei unter Abwägung der Interessen beider Seiten und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles festgestellt.

 

In der Praxis orientiert man sich dabei an den einschlägigen Tarifverträgen. Auch für die nichttarifgebundenen Parteien werden deshalb die jeweiligen Tarifvergütungen herangezogen.

 

Dabei ist der Anspruch eines Auszubildenden aus § 10 Abs. 1 BBiG auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 18 BBiG unabdingbar.

 

Funktion der Ausbildungsvergütung

Die Ausbildungsvergütung stellt zunächst eine Entlohnung dar. Daneben soll sie dem Auszubildenden zur Durchführung der Berufsausbildung eine finanzielle Hilfe sein und zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten.

 

Untertarifliche Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unzulässig

Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung zunächst davon aus, dass eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, stets als angemessen anzusehen ist. Dies wurde aktuell nochmals ausdrücklich bestätigt 1).

 

Nach dieser Rechtsprechung sind vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen dann nicht mehr angemessen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreiten. Nur wenn eine tarifliche Regelung fehlt, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt werden. Auch auf die Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen kann ggf. zurückgegriffen werden.

 

Höhe der Ausbildungsvergütung in einem staatlich geförderten bzw. spendenfinanzierten Ausbildungsverhältnis

Diese Grundsätze gelten aber nach zwei weiteren aktuellen Urteilen dann nicht, wenn Ausbildungsverhältnisse ausschließlich durch öffentliche Gelder 2) und private Spenden 3) zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert werden. Die vereinbarte Vergütung ist in diesen Fällen nicht an der tariflich geregelten Ausbildungsvergütung zu messen. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung vielmehr, ob die Vergütung fühlbar zu den Lebenshaltungskosten des Auszubildenden beitragen kann.

 

Das BAG stellt in diesen Fällen darauf ab, ob ein Betrag gezahlt wird, der höher ist als 2/3 der Sätze des jeweiligen BaföG. Es kommt in diesen Fällen nicht allein auf die tariflichen Sätze an. Entscheidend sei vielmehr, dass bei einem Interesse des Jugendlichen durchgeführten Ausbildung die vereinbarte Vergütung noch fühlbar zu seinen Lebenshaltungskosten beitrage. In den beiden entschiedenen Urteilen hat es der zuständige 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts noch als angemessen angesehen eine Ausbildungsvergütung in Höhe von ca. 64 % bzw. 72 % der tariflichen Ausbildungsvergütung zu zahlen.

Hinweis für die Praxis:

 

Bei der Vergütung von Auszubildenden hat man sich an dieser Rechtsprechung des BAG zu orientieren 4). Ausgangslage ist zunächst die entsprechende tarifliche Vergütung, sofern nicht ohnehin eine Tarifbindung vorliegt. Diese übliche Tarifvergütung kann jedenfalls nicht um 20 % unterschritten werden. Ausnahmen gelten nur in besonderen Ausbildungsverhältnissen, die bspw. staatlich gefördert und/oder spendenfinanziert sind.

 

Quellen:

1) Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 25. 7. 2002 – 6 AZR 311/00

2) Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 24. 10. 2002 – 6 AZR 626/00

3) Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 8. 5. 2003 – 6 AZR 191/02

4) Vergleiche auch Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 26. 9. 2002 – 6 AZR 434/00

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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