14.09.2003

Das OLG Düsseldorf hat in einem neueren Urteil (Urt. v. 27.6.2003 – 14 U 21/03) entschieden, dass die Verwertung eines leeren GmbH-Mantels wirtschaftlich einer Neugründung gleichsteht und deshalb hierauf die Gründungsvorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) analog anzuwenden sind. Der Erwerber eines leeren GmbH-Mantels haftet somit auch für die auf seinen Geschäftsanteil rückständige Stammeinlage gem. §§ 16 Abs.3, 19 GmbHG .

Nach § 16 Abs.3, § 19 GmbHG haftet der Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils für die zur Zeit der Anmeldung der Gesellschaft auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen. In der genannten Entscheidung hatte der Erwerber durch einen Geschäftsanteilsübertragungsvertrag keinen Geschäftsanteil an einer neu gegründeten Gesellschaft erworben, so dass § 16 Abs. 3 GmbHG nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern einen leeren GmbH-Mantel verwertet.

 

Anmerkung: Eine Mantelverwendung sowie der Erwerb der Geschäftsanteile zu diesem Zweck, sog. Mantelkauf, sind grundsätzlich zulässig. Als GmbH-Mantel wird eine GmbH ohne Unternehmensgegenstand und damit ohne eigentlich wirtschaftliche Tätigkeit (sog. leere Hülse) bezeichnet. Sie kann entstehen, indem bereits bei der Gründung eine Mantelgründung eingetragen wird (sog. Vorratsgründung), wodurch eine GmbH geschaffen wird, deren Unternehmensgegenstand erst später bei Bedarf und unter Umständen durch Dritte nach Anteilsübertragung bestimmt werden soll. Sie kann zudem durch späteren Wegfall bzw. Aufgabe eines zunächst realisierten Gegenstandes entstehen. Denn solange nicht eines der jeweils einschlägigen Auflösungsverfahren durchgeführt ist, bleibt die äußere Form der GmbH als juristische Person erhalten und kann mit neuem Unternehmensgegenstand (wieder) aktiviert werden.     

 

Für das Gericht stellte sich die Frage, ob diese Verwertung eines leeren GmbH-Mantels wirtschaftlich einer Neugründung gleichzustellen ist und somit eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, so dass die genannten  Vorschriften hierauf analog anzuwenden sind. Das Gericht bejahte dies und wies die Berufung des Beklagten mit der Begründung zurück, dass das Landgericht nach seiner Ansicht den Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung in entsprechender Anwendung der §§ 16 Abs. 3, 19 GmbHG wegen einer Umgehung der Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes zur Zahlung des eingeklagten Betrages in Höhe von 12.526,65 € verurteilt hat. Das Gericht führte dabei die vom Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Vorrats-AG und Vorrats-GmbH (Aktiengesellschaft oder GmbH, welche durch Vorratsgründung errichtet wurden) konsequent fort.

 

I. Die Rechtsprechung des BGH  zur Vorratsgründung:

 

Bereits im Jahre 1992 hat der Bundesgerichtshof (BGH, NJW 1992, 1824, 1826) bezüglich einer sog. Vorrats-AG ausgeführt,  Zweck der Gründungsvorschriften sei es in erster Linie, die reale Aufbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitalausstattung einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt ihres Entstehens als Ausgleich für die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sicherzustellen. Bedenken im Hinblick auf eine Gesetzesumgehung, die im Zusammenhang mit der späteren Verwendung des Mantels zu besorgen sei, sprächen daher dafür, ihnen bei einer späteren wirtschaftlichen Neugründung durch eine sinngemäße entsprechende Anwendung der Gründungsvorschriften bei der Mantelverwendung Rechnung zu tragen. Diese Grundsätze hat er dahingehend bestätigt, dass die Verwendung des Mantels einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH nach seiner Ansicht wirtschaftlich eine Neugründung darstelle. Auf diese wirtschaftliche Neugründung durch Ausstattung der Vorratsgesellschaft mit einem Unternehmen und erstmalige Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes seien die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden. Die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften betreffe sowohl den durch die formalrechtliche registergerichtliche Präventivkontrolle abgesicherten Mindestschutz als auch den weiter gehenden Schutz auf der (materiellrechtlichen) Haftungsebene. Unter Berücksichtigung der dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Befürchtungen einer Umgehung der gesetzlichen Gründungsvorschriften im Zusammenhang mit der späteren Verwendung des Mantels kam das OLG Düsseldorf somit zu dem Ergebnis, dass es keinen Unterschied machen kann, ob diese Mantelverwendung  durch die Neuschaffung des Rechtsträgers geschieht oder dadurch, dass eine vorhandene, aber unternehmenslose juristische Person als „Behälter“ für das neue Unternehmen verwendet wird.

 

II. Der zugrundeliegende Sachverhalt: 

 

Die Gemeinschuldnerin ist eine GmbH, welche bis Januar 1994 als „O. Fahrzeuge GmbH“ firmierte. Bereits seit Beginn des Geschäftsjahres 19993 hatte sie ihre Tätigkeit eingestellt. Am 4.01.1994 übertrug die Alleingesellschafterin O ihren Geschäftsanteil mit notariell beurkundetem Vertrag auf die Erwerberin A. Dabei erklärte sie, dass der Geschäftsanteil in Höhe von 50.000 DM voll eingezahlt sei. Durch notarielle Vereinbarung vom selben Tage wurden der Gesellschaftsvertrag neu gefasst und der Sitz der Gesellschaft verlegt. Ab Januar 1994 ging die Gesellschaft wieder einer Geschäftstätigkeit nach. Am 30.1.1996 übertrug Frau A. formgerecht einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 24.500 DM zu einem Kaufpreis von 50.000 DM an den Beklagten. Durch Beschluss vom 1.1.1999 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger ist der Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin und nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Stammeinlage in Höhe von 12.526,65 € in Anspruch. Er hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei in entsprechender Anwendung der § 16 Abs. 3, § 19 GmbHG zur Zahlung der Stammeinlage verpflichtet.

 

III. Die Entscheidungsgründe:

 

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf gelten die vom BGH für eine Vorrats-AG und Vorrats-GmbH entwickelten Grundsätze in gleicher Weise bei der Verwendung so genannter gebrauchter, leerer GmbH-Mäntel. Soweit der BGH die Ausgestaltung der entsprechenden Anwendung der Gründungsvorschriften auf die materiellrechtliche Haftungsebene offen gelassen hat, sei es zur Vermeidung einer Gesetzesumgehung sachgerecht und geboten, außer den Vorschriften der §§ 3, 5, 8 Abs. 2, § 9a GmbHG auch die Bestimmungen der § 16 Abs. 3, § 19 GmbHG analog anzuwenden. Der Gesellschafter könne insoweit nicht besser dastehen als der Geschäftsführer, der die entsprechende Versicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG abzugeben und hierfür einzustehen habe (vgl. auch § 9a GmbHG).

 

Das Gericht bewertete die Übertragung der Geschäftsanteile an der „O. Fahrzeuge GmbH“ von Frau O. auf Frau A. durch den Vertrag vom 4.1.1994 als eine Verwendung eines leeren GmbH-Mantels. Die hierfür notwendige Unternehmenslosigkeit der Gesellschaft und ihre Verwandlung in eine Unternehmensträgerin durch Aufbau eines neuen oder durch Einbringung eines vorhandenen Unternehmens sowie die überwiegend zusätzlich geforderte Vermögenslosigkeit der Gesellschaft sahen die Richter als gegeben an. Ein Inhaber- und Branchenwechsel sei hingegen zwar typisch, aber weder begriffsnotwendig noch in jedem Falle ausreichend. Ausweislich der Bilanz zum 31.12.1993 sei die O. Fahrzeuge GmbH unternehmenslos, weil sie im gesamten Geschäftsjahr 1993 keine operative Tätigkeit mehr entfaltet habe. Denn ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung habe sie im gesamten Geschäftsjahr 1993 keine Umsätze und auch keinen Personal- oder Materialaufwand gehabt. Betriebliche Aufwendungen hätten lediglich aus Abgaben sowie Abschluss- und Prüfungskosten resultiert. Mit Zinsen und ähnlichen Aufwendungen stellten sie das gesamte Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit dar. Die Gesellschaft sei zu diesem Zeitpunkt auch vermögenslos gewesen, weil das gezeichnete Kapital und der angegebene Jahresüberschuss durch den Verlustvortrag aufgezehrt und das buchmäßige Eigenkapital daher mit „0“ ausgewiesen wurde. Mit der Übertragung der Geschäftsanteile auf Frau A. seien nach dem Bericht des Konkursverwalters die Neufassung des Gesellschaftsvertrages und eine Sitzverlegung einhergegangen. Zudem sei auch der Geschäftsgegenstand geändert worden. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ging die Gemeinschuldnerin ab 1994 ferner einer Geschäftstätigkeit nach.

 

Das Gericht führte weiter aus, dass es an der Verwendung eines leeren GmbH-Mantels zum Zeitpunkt des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 4.1.1994 nichts ändert, dass nach dem Bericht des Klägers an das Konkursgericht das Stammkapital der Gemeinschuldnerin nach den Bilanzen ursprünglich, also bei ihrer Gründung, erbracht worden war.

 

Ohne Bedeutung sei auch, dass der Beklagte ausweislich des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 30.1.1996 für den erworbenen Teilgeschäftsanteil einen Kaufpreis von 50.000 DM gezahlt hat, weil dieser nicht gem. § 19 GmbHG der Gesellschaft zur Verfügung stand.

 

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2003 — 14 U 21/03, mitgeteilt von  RA Volker Quinkert. Vorinstanz: LG Düsseldorf,  ZIP 2002, 2215.

 

Verfasser: Daniel Möller, Dipl. jur.

 

 

 

 

 

 

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