27.10.2003

 

Ist eine Ehe geschieden worden und heiratet der Ehegatte, der seinem früheren Ehegatten gegenüber unterhaltspflichtig ist, erneut, so stellt sich die Frage, wie der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nun zu berechnen ist. Das Problem ergibt sich, wenn die erneute Eheschließung dazu führt, dass der unterhaltspflichtige Ehegatte weniger Steuern zahlen muss und sich deshalb sein Nettoeinkommen erhöht.

 

Die bisherige Rechtsprechung bis hin zum Bundesgerichtshof war ständig davon ausgegangen, der Steuervorteil aus der erneuten Eheschließung müsse bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten mitberücksichtigt werden. Nur in Extremfällen hatte die bisherige Rechtsprechung davon abgesehen. Diese langjährige Rechtsprechung ist aufgrund einer soeben veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls für die Zukunft gegenstandslos geworden.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Oktober 2003 ausgeführt, die bisherige Rechtsprechung sei verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoße. Wörtlich heißt es in der Entscheidung u.a.:

 

             

            Der neuen Ehe und nicht der geschiedenen Ehe des wiederverheirateten Unterhaltspflichtigen soll also eine steuerliche Entlastung zuteil werden. Dass diese Entlastung und das der neuen Ehe insoweit steuerlich belassene Einkommen auch der Abdeckung von Verpflichtungen der Ehegatten dienen können und damit gegebenenfalls auch der Pfändung unterliegen, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber die steuerliche Entlastung der neuen Ehe und nicht der geschiedenen Ehe zugewiesen hat. Hätte er unterhaltsrechtlich die Zuordnung zur geschiedenen Ehe beabsichtigt, hätte er dies ausdrücklich gesetzlich regeln müssen. Dies hat er aber gerade nicht getan, sondern ausschließlich bestehenden Ehen den Splittingvorteil eingeräumt und geschiedene Ehen auf das Realsplitting verwiesen. Eine solche gesetzgeberische Ausgestaltung entspricht dem Schutzauftrag nach Art. 6 Abs. 1 GG, der auch bei der Auslegung von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beachten ist.

            …

 

            Steuerliche Vorteile, deren Entstehen vom Eheschluss ausgelöst werden, die das Zusammenleben der Ehegatten voraussetzen und die der Gesetzgeber in Konkretisierung seines Schutzauftrags allein der bestehenden Ehe einräumt, dürfen ihr durch die Gerichte nicht dadurch wieder entzogen werden, dass sie der geschiedenen Ehe zugeordnet werden und über die Unterhaltsberechnung auch den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten erhöhen.

 

 

Man wird davon ausgehen können, dass bestehende Unterhaltsregelungen (Urteile und Vereinbarungen) jedenfalls für die Zukunft aufgrund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgeändert werden können. Ob das auch für die Vergangenheit möglich ist, muss im Einzelfall geprüft werden.

 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2003 finden Sie hier.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Rainer Bosch

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