Der Absatz von Waren erfolgt – insbesondere im Internet – zunehmend auch in der Form von Versteigerungen. Eine besondere Form der Versteigerung stellt die sogenannte umgekehrte Versteigerung dar, bei der der Angebotspreis in bestimmten Abständen reduziert wird und die Kaufinteressenten durch Zuwarten auf einen besseren Preis spekulieren können. Der Vorteil dieser Verkaufsform besteht in der gesteigerten Aufmerksamkeit, die durch das Ansprechen der Spiellust beim Publikum erzeugt wird. Diese besondere Form der Versteigerung hatte den Bundesgerichtshof schon in einem Urteil aus dem Jahr 1986 (I ZR 228/83, GRUR 1986, 622 = WRP 1986, 381 – Umgekehrte Versteigerung I) beschäftigt. In der damaligen Entscheidung war der BGH zu dem Ergebnis gekommen, dass durch die übermäßige Anlockwirkung einer umgekehrten Versteigerung der Kaufentschluss des Käufers nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht und eine solche Versteigerung gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. An dieser Bewertung hält der BGH nicht länger fest.

 

 

Sachverhalt der Entscheidung:

 

Die Beklagte, die einen Handel mit Kraftfahrzeugen betreibt, bot einen gebrauchten Pkw unter anderem mit der nachstehenden Werbeaussage an:

 

„Autoversteigerung

 

Dieses Auto kommt unter den „Hammer“. In jeder Woche, in der das Auto nicht verkauft wird, fällt der Preis um 300,00 DM. Aber warten sollten Sie nicht zu lange.

 

…“

 

 

Gegen diese Anpreisung wandte sich der klagende Wettbewerbsverein, der darin eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Werbung sah. Die umgekehrte Versteigerung nutze in übertriebener Weise die Spiellust der angesprochenen Verkehrskreise zur Absatzförderung aus. Das Landgericht Düsseldorf hatte der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht Düsseldorf und der BGH sehen die Werbung als zulässig an.

 

 

Die Entscheidung des BGH:

 

Eine sogenannte umgekehrte Versteigerung verstößt nach Ansicht des BGH
– jedenfalls in dem entschiedenen Fall, in dem es um den Verkauf eines Gebrauchtwagens ging – nicht gegen § 1  UWG. Die Methode enthalte zwar Elemente einer Wertreklame und nutze sogenannte aleatorische Reize aus, womit ein besonderes Anlocken von Kunden verbunden sei. Dies reiche aber ohne das Vorliegen zusätzlicher, besonderer Umstände nicht aus, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit gemäß § 1 UWG zu begründen. Der Einsatz aleatorischer Reize sei erst dann nicht mehr als zulässig anzusehen, wenn hierdurch die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig beeinflusst werde, dass ein Kaufentschluss nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt werde. Eine solche Beeinflussung sei allerdings aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, auf den der BGH in seiner neueren Rechtsprechung abstellt, nicht gegeben. Die Anschaffung eines Gebrauchtwagens stelle eine beträchtliche Investition dar, die der Verbraucher nur nach reiflicher Überlegung und Prüfung von Vergleichsangeboten vornehme. Der zeitliche Druck, der dadurch entstehe, dass andere Kaufinteressenten das Angebot möglicherweise schneller annehmen, gehöre zum Wesen des Angebots eines bestimmten Gegenstandes und könne eine Sittenwidrigkeit der Werbung insoweit nicht begründen.

 

Der BGH hebt in der Entscheidung einerseits hervor, dass der Erwerb eines Gebrauchtwagens eine erhebliche Investition darstellt und der Kaufinteressent bereits aus diesem Grund eine besondere Vorsicht walten lassen wird; er betont in der Entscheidung aber andererseits, dass die Prüfung von Vergleichsangeboten heute unschwer möglich ist, der Kaufinteressent sich somit leicht die zur Bewertung des Angebots erforderlichen Informationen beschaffen kann. Das Urteil wird insoweit nicht nur für die Versteigerung hochpreisiger Produkte Geltung beanspruchen, sondern für die Absatzform der umgekehrten Versteigerung allgemein von Bedeutung sein.

 

Verfasser: Rechtsanwalt Stephan Dornbusch

 

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