27.11.2003 -

In der Insolvenz können Arbeitsverhältnisse bekanntlich unter vereinfachten Bedingungen durch den Insolvenzverwalter gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 113 Insolvenzordnung (InsO) maximal drei Monate zum Monatsende. Auch im Übrigen muss sich der Arbeitnehmer gegen sämtliche Unwirksamkeitsgründe, auch wenn sie außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegen, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht wehren, da andernfalls die Kündigung wirksam wird. Ob diese Drei-Wochen-Frist allerdings auch dann gilt, wenn zur Kündigung eine behördliche Zustimmung notwendig ist und diese Zustimmung bei Ausspruch der Kündigung nicht vorlag, hatte nun das Bundesarbeitsgericht in einem kürzlich bekannt gewordenen Fall zu entscheiden (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 3. 7. 2003 – 2 AZR 487/02 -, DB 2003, 2494).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

 

Die Arbeitnehmerin war seit 1991 als Kundenbetreuerin beschäftigt. Ende 1999 ging sie in Erziehungsurlaub (jetzt Elternzeit). Während des Erziehungsurlaubs wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.

 

Der Insolvenzverwalter kündigte nun das mit der Arbeitnehmerin bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist von drei Monaten nach § 113 InsO. Allerdings beantragte er vor Ausspruch der Kündigung nicht die nach § 18 Abs. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) erforderliche Zulässigkeitserklärung der zuständigen Stelle.

 

Die Kündigung datiert vom 30. Juni 2000, wobei der Insolvenzverwalter erklärte, er habe sie an diesem Tage per Boten zugestellt; die Arbeitnehmerin hingegen behauptete, die Kündigung sei ihr erst am 6. Juli 2000 zugegangen. Am 15. August 2000 erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht. Sie macht geltend, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach § 18 BErzGG unwirksam. Die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung laufe, da ihre Kündigung von der Entscheidung einer Behörde abhängig gewesen sei, erst ab Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an sie. Eine solche Entscheidung liege aber nicht vor.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen in der Berufung die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung:

 

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Revision die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Kündigung des Insolvenzverwalters für unwirksam erklärt.

 

 

I. Sonderkündigungsschutz während der Elternzeit

 

Während der Elternzeit kann einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin bekanntlich nur dann wirksam gekündigt werden, wenn die Kündigung vorher für zulässig erklärt worden ist. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt von der für das jeweilige Bundesland zuständigen Stelle. In Nordrhein-Westfalen sind dies bspw. die Bezirksregierungen.

 

Liegt diese erforderliche vorherige Zulässigkeitserklärung nicht vor, verstößt die dennoch ausgesprochene Kündigung gegen ein gesetzliches Verbot und ist damit nach § 134 BGB nichtig.

 

 

II. Klagefrist

 

Fehlt es an dieser Zulässigkeitserklärung, handelt es sich um eine Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen im Sinne von § 13 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gilt deshalb für diesen Fall nicht.

 

Bis zu den Grenzen der Verwirkung kann deshalb die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen fehlender Zulässigkeitserklärung nach § 18 BErzGG auch nach Ablauf von drei Wochen geltend gemacht werden.

 

Neu: Reform des Kündigungsschutzrechtes!

Allerdings galt dies nur bis zum 31. Dezember 2003. Nach dem reformierten Kündigungsschutzgesetz gilt die dreiwöchige Klagefrist nunmehr für alle Unwirksamkeitsgründe. Die Gesetzesbegründung bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf die fehlende Zustimmung einer Behörde. Künftig muss daher auch bei Verstößen gegen § 18 BErzGG grundsätzlich die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG eingehalten werden. Für die Insolvenz galten allerdings auch bislang schon Sondebestimmungen, die von der Reform unberührt bleiben.

 

 

III. Besonderheiten in der Insolvenz

 

In der Insolvenz galt diese allgemeine Klagefrist von drei Wochen für sämtliche Unwirksamkeitsgründe auch bislang schon nach § 113 Abs. 2 InsO. Im Rahmen der Insolvenz war deshalb jeder Arbeitnehmer verpflichtet, die Unwirksamkeit einer Kündigung, auch wenn sie auf anderen Gründen beruhte, innerhalb von drei Wochen geltend zu machen. Wurde und wird diese Klagefrist versäumt, wird die Kündigung wirksam bzw. eine Klage ist nicht mehr möglich.

 

 

IV. Ausnahme: Keine Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung an den Arbeitnehmer!

 

Eine Besonderheit gilt allerdings, wenn die weitestgehend unbekannte Regelung des § 4 Satz 4 KSchG Anwendung findet. Danach läuft die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer. Bedarf also die Kündigung der Zustimmung einer Behörde, muss diese Entscheidung dem Arbeitnehmer zunächst zugestellt werden. Solange dies nicht der Fall ist, kann eine dennoch ausgesprochene Kündigung die Drei-Wochen-Frist nicht in Gang setzen.

 

Diese Vorschrift gilt wegen des Verweises in § 13 Abs. 2 Satz 2 InsO ausdrücklich auch in der Insolvenz.

 

Daran scheiterte deshalb im vorliegenden Fall die Kündigung. Eine Zustimmung zur Kündigung der in der Elternzeit befindlichen Arbeitnehmern hatte der Insolvenzverwalters noch nicht einmal beantragt. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit klargestellt, dass die Vorschrift des § 4 Satz 4 KSchG immer dann gilt, wenn die Zustimmung der Behörde dem Arbeitnehmer nicht bekannt gemacht worden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob eine Zustimmung überhaupt beantragt sei oder die Zustimmung der Behörde bei Kündigungsausspruch zwar dem Arbeitgeber, nicht jedoch dem Arbeitnehmer vorliege. Diejenigen Auffassungen in der arbeitsrechtlichen Literatur, die § 4 Satz 4 KSchG nur auf die nachträgliche Zustimmung einer Behörde anwenden wollen, sind nach Auffassung des BAG abzulehnen.

 

 

Hinweis für die Praxis:

 

Wird einem sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmer in der Insolvenz gekündigt und ist zu dieser Kündigung eine behördliche Zustimmung erforderlich, kann der Insolvenzverwalter wirksam nur dann kündigen, wenn die notwendige Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer bekannt geworden ist. Betroffen sind damit insbesondere die Fälle einer Kündigung von schwerbehinderten Menschen nach dem SGB IX, von Arbeitnehmern in Elternzeit nach dem BErzGG und von Schwangeren nach dem Mutterschutzgesetz.

 

Daran ändert auch die Reform des Kündigungsschutzrechts nicht, denn die Vorschrift des § 4 Satz 4 KSchG wurde unverändert beibehalten.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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