Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich kürzlich mit der Frage zu befassen, ob Zuwendungen an eine Stiftung (hier die Stiftung Frauenkirche Dresden) der Pflichtteilsergänzung unterliegen (Urteil vom 10. Dezember 2003 – IV ZR 249/02).

Zum Hintergrund

Grundsätzlich räumt das Erbrecht dem Erblasser völlige Freiheit ein, im Rahmen einer letztwilligen Verfügung seine Erben zu bestimmen und zu regeln, was mit dem Nachlass zu geschehen hat (sogen. „Testierfreiheit“). Sie unterliegt allerdings gewissen Einschränkungen.

Denn dem Erblasser besonders nahe stehenden Personen, die von Gesetzes wegen geerbt hätten, soll ein Mindestanteil am Nachlass (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, sogen. „Pflichtteil“) zufallen, falls im Testament oder Erbvertrag eine (oder mehrere) andere Personen zu Erben eingesetzt werden. Anderenfalls hätte der Erblasser die Möglichkeit, einen beliebigen Dritten einseitig zu bedenken, z.B. seine Frau und seine Kinder mittellos zurückzulassen und seine junge Geliebte als Alleinerbin einzusetzen. Das Pflichtteilsrecht dient damit dem Schutz der gesetzlichen Erben und schränkt die Testierfreiheit ein.

 

Nun könnte ein findiger Erblasser auf die Idee kommen, den Pflichtteil dadurch zu umgehen, dass er schon zu Lebzeiten sein Vermögen herschenkt, damit sich der Anspruch der Pflichtteilsberechtigten nur noch an einem wertlosen Nachlass orientiert. Dem schiebt das Gesetz allerdings ebenfalls einen Riegel vor: Denn unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall sind dem Nachlass fiktiv hinzuzurechnen, von der Summe dieser Zuwendungen berechnet sich der sogen. „Pflichtteilsergänzungsanspruch“, auf den sogen. Eigengeschenke anzurechnen sind.

Der Fall

Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob auch Zuwendungen an eine Stiftung Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Es ging um folgenden Sachverhalt:

Die Klägerin begehrte als Alleinerbin ihres 1998 verstorbenen Vaters einen Teil der 4,7 Mio. DM zurück, die ihr Vater 1995 und 1997 der beklagten Stiftung Frauenkirche Dresden zuwandte. Dafür wurde ihm ideell die Turmspitze des Treppenhauses zugeordnet und ein entsprechender Stifterbrief ausgestellt. Außerdem bedachte er die Beklagte in seinem Testament mit einem Vermächtnis in Höhe von 300.000,- DM.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung von rund 1,85 Mio. DM in Anspruch genommen. Zur Begründung führte sie aus, ihr Vater habe ihr nur Werte von rund 1,3 Mio. DM hinterlassen. Unter Hinzurechnung der an die Beklagte geflossenen Beträge ergebe sich ein – fiktiver – Gesamtnachlass von 6,3 Mio. DM. Ihr Pflichtteil (die Hälfte des Nachlasses) belaufe sich damit rechnerisch auf 3,15 Mio. DM. Weil es sich bei den Zahlungen zu Lebzeiten ihres Vaters um Schenkungen an die Beklagte gehandelt habe, könne sie von dieser eine sog. Pflichtteilsergänzung gemäß § 2329 Abs. 1 BGB in Höhe der Differenz zu ihrer tatsächlichen Erbschaft fordern. Die Beklagte hingegen stellt sich auf den Standpunkt, sie selbst sei nicht beschenkt worden. Die Gelder seien nicht in das Stiftungsvermögen gelangt, sondern unmittelbar dem Stiftungszweck – Wiederaufbau der Frauenkirche – zugute gekommen.

Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Dresden wiesen die Klage ab. Das OLG folgte dabei in seiner Entscheidung (veröffentlicht u.a. in NJW 2002, 3181 ff.) weitgehend der Argumentation der Beklagten. Diese sei nicht Beschenkte, da sie die Zuwendungen aufgrund ihrer Stiftungssatzung nur treuhänderisch verwaltet habe und deswegen nicht bereichert sei.

Auf die Revision der Klägerin (mit der sie ihr Begehren in Höhe von 750.000,- € weiterverfolgte) hob der unter anderem für erbrechtliche Fragen zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Zuwendungen an die Beklagte entgegen der Annahme des OLG um – der Pflichtteilsergänzung unterliegende – Schenkungen handelte. Die Stiftung war nicht lediglich Treuhänderin für die Gelder. Sie war in der Verwendung der Mittel nicht durch eine Treuhandabrede gebunden, sondern nur gehalten, diese zu Stiftungszwecken zu verwenden. Dass die Gelder in den Wiederaufbau der Frauenkirche geflossen sind, steht einer Bereicherung der Beklagten nicht entgegen. Die Stiftung hat ein Erbbaurecht an dem Kirchengrundstück. Die Frauenkirche ist damit der bedeutendste Teil des Stiftungsvermögens, dem die durch die Wiederaufbaumaßnahmen eingetretene Werterhöhung des Gebäudes zugute kommt. Endgültige unentgeltliche Zuwendungen dieser Art unterliegen als stiftungskapitalerhöhende Zustiftungen oder als zum zeitnahen Einsatz für Stiftungszwecke gedachte freie oder gebundene Spenden dem Schenkungsrecht. Damit knüpft der Senat an eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Reichsgerichts an.

Eine andere Beurteilung wäre nach Ansicht des BGH mit dem Zweck der Pflichtteilsergänzungsbestimmungen nicht zu vereinbaren. Diese sollen eine Aushöhlung des Pflichtteilsrechts durch lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers verhindern. Aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten ist der Erfolg einer Schenkung und einer Spende zu Stiftungszwecken wirtschaftlich gleich. Beide dürfen erbrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden.

Das OLG Dresden muss im weiteren Verfahren nun u. a. den Wert des der Klägerin hinterlassenen Nachlasses ermitteln.

Auswirkungen für die Praxis

Ist im Rahmen der Erbschaftsplanung eine größere Zuwendung an eine bestehende Stiftung oder gar die Errichtung einer Stiftung und deren Ausstattung mit Kapital geplant, ist darauf zu achten, Pflichtteilsergänzungsansprüche zu vermeiden. Hierzu gibt es verschiedene Strategien, die aber von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen und eine individuelle anwaltliche Beratung erfordern.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss
Quelle: Pressemeldung des Bundesgerichtshofs

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