07.01.2004

 

Zum Hintergrund:

 

Das Urheberrechtsgesetz schütz neben Werken der bildenden Kunst auch Bauwerke gegen Reproduktion, wenn sie nicht nur auf handwerklicher Routine beruhen, sondern eine individuelle Gestaltung aufweisen. In solchen Fällen erlischt das Urheberrecht ebenso wie bei Kunstwerken, Werken der Musik, Sprachwerken etc. erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Bei Werken im öffentlichem Raum (Gebäude, Denkmäler) kann es jedoch naturgemäß zu Spannungen zwischen den Rechten des Urhebers und dem Bedürfnis öffentlich zugängliches zu reproduzieren kommen. Man denke dabei in erster Linie an Touristen, die unbewusst urheberrechtlich geschützte Bauwerke fotografieren und die Aufnahmen dann mittels Film oder digitaler Übertragung vervielfältigen und sogar über das Internet verbreiten. Auch die Ablichtung und Zeichnung von Bauwerken im Rahmen der kommerziellen Nutzung von Abbildungen von Stadtteilen und Häuserzeilen, die sich auf Postkarten, in Bildbänden oder in Kalendern wiederfinden, ist durchaus beachtenswert.

 

Zur Lösung dieses Spannungsverhältnisses hat der Gesetzgeber in § 59 UrhG die sogenannte Panoramafreiheit eingeführt. Hiernach ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben (Beachte: Nur die einflächige Abbildung ist erlaubt, keine plastische Nachbildung). Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse allerdings nur auf die äußere Ansicht. Die Panoramafreiheit stellt eine wesentliche Ausnahme vom ausschließlichen Verwertungsrecht des Urhebers dar und erlaubt, Postkarten, Bilder u.ä. mit Straßenansichten ohne Rücksicht auf urheberrechtlich geschützte Werke zu vertreiben, die möglicherweise auf diesen Ansichten zu sehen sind. Dass aber die jeweiligen Künstler und Architekten dem Einwand der Panoramafreiheit nicht in jedem Fall schutzlos ausgeliefert sind, hat unlängst der Bundesgerichtshof nochmals in seiner sog. Hundertwasser-Entscheidung bestätigt.

 

Der Fall:

 

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Rechtsstreit zwischen der Erbin des Künstlers Friedensreich Hundertwasser und der Metro AG zugrunde. Eines der bekanntesten architektonischen Werke, die unter Beteiligung des Künstlers entstanden sind, ist das 1986 fertiggestellte und nach ihm benannte Hundertwasser-Haus in Wien, ein Wohn- und Geschäftshaus im dritten Bezirk. Anlass für den Rechtsstreit war ein durch die Metro AG vertriebener gerahmter Druck, der das Hundertwasser-Haus aus der gleichen Perspektive wie eine von Hundertwasser selbst vertriebene Postkarte zeigte. Um das Haus aus dieser Perspektive aufnehmen zu können, hatte sich der Fotograf seinerzeit Zugang zu einer im gegenüberliegenden Haus befindlichen Privatwohnung verschafft.

 

Hundertwasser beanstandete dieses Vorgehen als Verletzung seines Urheberrechts am Bauwerk und nahm die Metro AG auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch. Die Metro AG berief sich ihrerseits auf die eingangs erläuterte Panoramafreiheit. Das Landgericht München I gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht München wies sie ab. Dieses Urteil hat der BGH aufgehoben.

 

Leitsätze:

 

a) Das Recht, ein Urheberrechtlich geschütztes Bauwerk durch Lichtbild zu vervielfältigen, umfasst nur Fotografien, die von einem für das Publikum allgemein zugänglich Ort aus aufgenommen worden sind.

 

b) Die in einem Lichtbildwerk liegende schöpferische Leistung kann auch dadurch übernommen werden, dass das auf der geschützten Fotografie abgebildete Objekt nachgestellt und auf dieselbe Weise fotografiert wird.

 

Begründung:

 

Der BGH ist der Auffassung, dass die Metro AG sich in diesem Fall auf die Bestimmungen der Panoramafreiheit nicht berufen könne. Die das Urheberrecht an einem Bauwerk beschränkende Vorschrift des § 59 UrhG solle es der Allgemeinheit ermöglichen, das, was Passanten von der Straße aus mit eigenen Augen sehen können, auch als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder als Film zu betrachten. Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung sei es aber nicht mehr gedeckt, wenn der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus – etwa mit den Mitteln der Fotografie – fixiert werden soll. Diese enge Auslegung der Schrankenbestimmung ergebe sich aus dem Grundsatz, dass der Urheber möglichst umfassend an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes zu beteiligen sei.

 

 

Fazit:

 

Der BGH hat mit dieser Entscheidung weiter konkretisiert, wie das Tatbestandsmerkmal an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen gem. § 59 Abs. 1 UrhG zu verstehen ist. Schon zuvor stand fest, dass z.B. Luftaufnahmen, Aufnahmen vom Balkon oder vom Dach eines benachbarten Gebäudes nicht von § 59 UrhG freigegeben sind. Die Hundertwasser-Entscheidung fügt sich nahtlos in die Reihe dieser bereits entschiedenen Fälle ein.

 

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Alexander Wolf, LL.M. 

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