Für Berufsausbildungsverhältnisse gilt bekanntlich das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Vereinbarungen mit Auszubildenden müssen deshalb mit den Schutzvorschriften des Berufsausbildungsgesetzes vereinbar sein; Regelungen, die zu Ungunsten des Auszubildenden von den Vorschriften abweichen, sind nach § 18 BBiG nichtig. In einer nun bekannt gewordenen Entscheidung hatte sich das BAG mit der praxisrelevanten Frage der Abgrenzung zwischen einem Berufsausbildungsverhältnis und einem Arbeitsverhältnis zu beschäftigen (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 6. 12. 2002 – 6 AZR 216/01 -, DB 2004, 141 = EzA Nr. 4 zu § 19 BBiG). In dem Fall ging es um eine Rückzahlungsklausel, die nur für den Fall eines zu Stande gekommenen Arbeitsverhältnisses wirksam vereinbart werden konnte.
Der Sachverhalt (verkürzt):
Das klagende Unternehmen stellte eine Vertriebsassistentin mit dem Ziel ein, sie zur Versicherungsfachfrau auszubilden. In dem Vertrag aus dem Jahre 1998 heißt es unter anderem:
„Wir freuen uns, dass Sie für uns als Vertriebsassistentin tätig werden wollen und sind bereit, mit Ihnen folgenden Vertrag abzuschließen:
1. Beginn und Ende der Fachausbildung sowie Probezeit
…
4. Einkommen
Sie erhalten ein monatliches Festgehalt von 2.770,00 DM brutto.
…
6. Ihre Fachausbildung zur Versicherungsfachfrau ist keine Ausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes. Die entstandenen Kosten sind von Ihnen – im rechtlich zulässigen Rahmen – zu erstatten, wenn Sie nach der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Außendienst Ihr Vertragsverhältnis ohne unsere Zustimmung vor Ablauf eines Jahres beenden.“
Die Vertriebsassistentin kündigte ihr Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen zum Ende August 1999. Das Unternehmen berief sich auf die in Ziffer 6 vereinbarte Rückzahlungsklausel und machte einen Betrag in Höhe von 14.314,01 DM nebst Zinsen geltend.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben.
Die Entscheidung des BAG:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Vertriebsassistentin zurückgewiesen und die Ansprüche des Unternehmens im Wesentlichen bestätigt.
I. Problematik des Falles
Der vorliegende Fall dreht sich allein um die Frage, welches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Handelt es sich um ein Berufsausbildungsverhältnis, kommen die Schutzbestimmungen der §§ 3 – 18 BBiG zur Anwendung mit der Folge, dass eine Rückzahlungsklausel nicht wirksam vereinbart werden konnte (vgl. auch § 19 BBiG). Handelt es sich hingegen um ein Arbeitsverhältnis, sind vertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung der Ausbildungs- oder Fortbildungskosten im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 -, DB 1994, 1726 = NZA 1994, 937).
II. Abgrenzung Berufsausbildungsverhältnis – Arbeitsvertrag
1. Weisungsrecht des Arbeitgebers
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Arbeitsverhältnis vor, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten und gegen die Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.
2. Gewichtung der vertraglichen Pflichten maßgeblich
Zwar stellen auch die zur Ausbildung eingestellten Personen in einem gewissen Umfang ihre Arbeitskraft nach Weisung des Ausbilders zur Verfügung. Wesentlicher Inhalt ihres Vertragsverhältnisses ist jedoch die Ausbildung für eine spätere qualifizierte Tätigkeit. Entscheidend kommt es damit auf die Gewichtung der vertraglichen Pflichten an. Steht die Erbringung einer Arbeitsleistung im Vordergrund handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, für das die Schutzbestimmungen des Berufsbildungsgesetzes nicht gelten.
III. Lösung des Falles
Im vorliegenden Fall überwogen die Elemente eines Arbeitsverhältnisses nach der vertraglichen Vereinbarung und der tatsächlichen Durchführung. Zwar erfuhr die Vertriebsassistentin im Rahmen des Vertragsverhältnisses eine systematische Fachausbildung zur Versicherungsfrau. Dennoch lag der Schwerpunkt nicht auf der Fachausbildung, sondern auf der weisungsgebundenen Arbeitsleistung. Dies kam zunächst in dem vereinbarten monatlichen Festgehalt von 2.720,00 DM brutto zum Ausdruck, das den üblichen Satz von Auszubildenden in Höhe von 1.303,00 DM erheblich überstieg. Im Vergleich hierzu erzielten Vollzeitkräfte im Außendienst durchschnittliche Bruttoverdienste von 6.915,00 DM. Die Vergütung der Klägerin für die Leistungen der Beklagten betrug demnach das Vielfache einer Ausbildungsvergütung und immerhin 2/3 des Entgelts einer Vollzeitkraft im Außendienst. Das Vertragsverhältnis der Parteien wies damit eine größere Nähe zu einem Arbeits- als zu einem Ausbildungsverhältnis auf.
Auch enthielt der Vertrag Kunden- und Gebietsschutz sowie Wettbewerbsbestimmungen, Klauseln, die typisch für Vertragsverhältnisse mit Arbeitnehmern im Außendienst und gerade nicht für Rechtsverhältnisse sind, in deren Vordergrund ein Lernzweck steht.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte damit die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart hatten. Die vereinbarte Rückzahlungsklausel war damit wirksam.
Hinweis für die Praxis:
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Sie macht aber auch deutlich, dass es nicht auf den eigentlichen Willen der Vertragsparteien ankommt, sondern auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses. Überwiegen dabei wesentliche Elemente eines Arbeitsverhältnisses, kommt das Schutzgesetz für Auszubildende nicht zur Anwendung.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen
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