05.02.2004

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft gegen Entgelt hat der BFH mit Urteil vom 6. Juni 2002 – V R 43/01 – (BStBl II 2003 S. 36) unter Aufgabe seiner bisherige Rechtsprechung entschieden, dass Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen für eine Personengesellschaft durch einen Gesellschafter gegen Vergütung einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch darstellen kann. Der Leistungsaustausch setzt danach lediglich voraus, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Voraussetzungen sind weiter, dass der Geschäftsführer selbständig im Sinn des § 2 Abs. 1 UStG tätig ist und ein Sonderentgelt erhält.

Mit nachfolgend im Wesentlichen wiedergegebenem Schreiben des BMF vom 23.12.2003 (IV B 7 – S 7100 – 246/03) nimmt die Finanzverwaltung zur Anwendung des Urteils in der Praxis Stellung und gewährt eine weitere Übergangsfrist bis zum Ablauf des 31.03.2004.

 

Selbständigkeit

1. Natürliche Personen

Natürliche Personen als Gesellschafter, die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen an eine Personengesellschaft erbringen, werden unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG selbständig tätig. Weisungsgebundenheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG kann in diesen Fällen nicht vorliegen, weil der Gesellschafter Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist. Auch ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Weisungsrecht der Personengesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter kann nicht zu einer Weisungsgebundenheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG führen.

Beispiel 1:
Der Komplementär einer aus natürlichen Personen bestehenden KG erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der KG. Der Komplementär ist selbständig tätig.

Natürliche Personen als Gesellschafter, die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen an eine Kapitalgesellschaft erbringen, sind unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig tätig. Dies gilt v.a. dann, wenn sie für diese Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG erzielen.

Beispiel 2:
Der Aktionär einer Aktiengesellschaft (AG) erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der AG. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsvertrag geschlossen. Der Aktionär ist nicht selbständig tätig.

2. Juristische Personen

Juristische Personen als Gesellschafter, die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen an die Gesellschaft erbringen, werden grundsätzlich selbständig tätig. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer führt nicht zur Unselbständigkeit. Die Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn die juristische Person im Rahmen der Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist.

Beispiel 3:
Die Komplementär-GmbH erbringt Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegen Sonderentgelt an die KG. Der Kommanditist dieser KG ist gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementär- GmbH. Die Komplementär-GmbH ist mit ihren Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen selbständig tätig. Diese werden von der Komplementär-GmbH an die KG im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches erbracht, auch wenn z.B. die Vergütung unmittelbar an den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gezahlt wird.

 

Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft

Ein Gesellschafter kann an die Gesellschaft sowohl Leistungen erbringen, die ihren Grund in einem gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis haben, als auch Leistungen, die auf einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis beruhen. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Leistungen richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten werden, oder um Leistungen, die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Entscheidend ist die tatsächliche Ausführung des Leistungsaustausches und nicht allein die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung.

Umsatzsteuerrechtlich maßgebend für das Vorliegen eines Leistungsaustausches ist, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht. Die Steuerbarkeit der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Sonderentgelt voraus (vgl. BFH-Urteile vom 6. Juni 2002, a.a.O. und vom 16. Januar 2003 – V R 92/01 -, BStBl II S. 732). Auf die Bezeichnung der Gegenleistung z.B. als Aufwendungsersatz, als Umsatzbeteiligung, als Kostenerstattung o.ä. kommt es nicht an.

Wird im Rahmen der Ergebnisverwendung ein Gewinnvorab aus dem Bilanzgewinn verteilt (z.B. an den geschäftsführenden Gesellschafter), ist dieser Gewinnvorab kein Sonderentgelt.

Dabei ist der handelsbilanzielle Gewinn maßgebend. Ein Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter liegt hingegen vor, wenn der Gesellschafter für seine Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung an die Gesellschaft eine Vergütung erhält (auch wenn diese als Gewinnvorab bezeichnet wird), die im Rahmen der Ergebnisermittlung bei der Handelsbilanz als Aufwand behandelt wird. Die Vergütung ist in diesem Fall Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Auf Grund der Rechtsprechungsänderung des BFH mit Urteil vom 6. Juni 2002, a.a.O., ist es unerheblich dass der Gesellschafter zugleich seine Mitgliedschaftsrechte ausübt.

Auch gewinnabhängige Vergütungen können ein zur Steuerbarkeit führendes Sonderentgelt darstellen, wenn sie sich nicht nach den vermuteten, sondern nach den tatsächlich erbrachten Gesellschafterleistungen bemessen. Das gilt z.B. für Gesellschafterbeiträge gegenüber Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes.

Wird für die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung neben einem Sonderentgelt auch eine gewinnabhängige Vergütung gezahlt (sog. Mischentgelt), sind das Sonderentgelt und die gewinnabhängige Vergütung umsatzsteuerrechtlich getrennt zu beurteilen. Das Sonderentgelt ist als Entgelt ein zuordnen, da es einer bestimmten Leistung zugeordnet werden kann. Die gewinnabhängige Vergütung ist dagegen kein Entgelt.

Auch andere gesellschaftsrechtlich zu erbringende Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft können bei Zahlung eines Sonderentgelts als Gegenleistung für diese Leistung einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch begründen. Eine Haftungsvergütung der Gesellschaft an die Gesellschafter wird grundsätzlich nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses gewährt. Sollte ausnahmsweise ein Sonderentgelt zu bejahen sein, ist die Leistung des Gesellschafters nicht gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.

 

Anwendung

Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 6. Juni 2002 sind auf nach dem 31. März 2004 ausgeführte Leistungen anzuwenden. Vor diesem Zeitpunkt können sie auf Antrag des Steuerpflichtigen angewendet werden, soweit die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entstandene Steuer noch festgesetzt werden kann. Die Abschnitte 1 Abs. 8 Satz 1, 17 Abs. 1 Sätze 10 und 11 sowie 18 Abs. 4 Satz 1 der UStR sind ab 1. April 2004 nicht mehr anzuwenden.

(Mitgeteilt von RA & StB Andreas Jahn)

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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