01.03.2004 -

 

In zahlreichen Tarifverträgen sind Ausschlussfristen enthalten, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zeitnah geltend gemacht werden müssen. Wird die Geltendmachung innerhalb dieser Fristen verpasst, verfallen regelmäßig die Ansprüche, selbst wenn die Forderungen berechtigt sind. Problematisch wird dieser Forderungsausschluss aber dann, wenn der Arbeitnehmer keine Kenntnis von den Ausschlussfristen hatte, weil ihm der Tarifvertrag nicht bekannt war. In diesem Zusammenhang stellt sich daher stets die Frage, welche Informationspflichten den Arbeitgeber treffen. In einem nun bekannt gewordenen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht nochmals die wesentlichen Grundsätze für die Praxis festgelegt (5. 11. 2003 – 5 AZR 469/02 -).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

 

Der 40 Jahre alte Arbeitnehmer war bereits seit 1995 bei dem Arbeitgeber, einem Metallbetrieb, beschäftigt. Der Arbeitnehmer war Mitglied der IG Metall und des Betriebsrats.

 

Im Betrieb des Beklagten kam es mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erstmals zur Geltung eines Haustarifvertrages, der auf Gewerkschaftsseite von der IG Metall unterzeichnet wurde. Zuvor gab es für diesen Geltungsbereich keinen Tarifvertrag.

§ 17 MTV regelte Folgendes:

 

„§ 17 Geltendmachung von Ansprüchen

 

(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb folgender Ausschlussfristen nachweislich geltend zu machen:

 

a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von einem Monat, gerechnet vom Lohnzahlungstag an, an welchem dem Arbeitnehmer die Abrechnung für den betreffenden Lohnabrechnungszeitraum ausgehändigt wurde;

 

b) Alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.

 

(2) Ist ein Anspruch rechtzeitig gemäß Ziffer 1 erhoben worden und wird seine Erfüllung nachweislich abgelehnt, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.

 

(3) Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, die sich im Laufe eines Kündigungsschutzprozesses für die Zeit nach der streitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben, wenn es fällig mit Rechtskraft der Entscheidung, durch die das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses über den streitigen Endzeitpunkt hinaus festgestellt wird. Sodann beginnen die Ausschlussfristen für diese Ansprüche.

 

(4) Verzichtserklärungen, die bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben werden, berühren die tariflichen Ansprüche nicht.“

 

Ende 1998 kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber leitete zunächst ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG zur Kündigung ein. In einem Gutachten aus dem Jahre 2001 kam es dann zu der Feststellung, dass durch die Erkrankung „keine wesentliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit“ bestand.

 

Mit seiner Klage machte nun der Arbeitnehmer Vergütungsansprüche für die Jahre 1999 bis 2001 geltend. Aufgrund eines Gutachtens sei er über diesen gesamten Zeitraum arbeitsfähig gewesen, so dass sich der Arbeitgeber in Annahmebezug befunden habe. Die Vergütungsansprüche seien auch nicht verfallen, denn von dem Inhalt der in dem Haustarifvertrag geregelten Ausschlussfristen habe er keine Kenntnis gehabt.

 

Die Entscheidung des BAG:

 

Der Arbeitnehmer hat im Wesentlichen alle drei Instanzen verloren. Dies beruhte auf folgenden Erwägungen, wobei wir hier nur die Frage der Ausschlussfristen und des Nachweisgesetzes behandeln.

 

I. Fälligkeit

 

Für die von dem Arbeitnehmer geltend gemachten Ansprüche war die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 1 Buchstabe b MTV maßgeblich. Die Fälligkeit der Annahmeverzugsvergütung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Hiervon ausgehend waren die Annahmeverzugsansprüche jeweils nach Ablauf der Lohnzahlungsperiode, d.h. zu Beginn des Folgemonats, fällig.

 

Auf die Erteilung von Lohnabrechungen kam es vorliegend nicht an. Der Arbeitnehmer konnte seine Lohnansprüche auch ohne Abrechnung ohne Weiteres beziffern, wie er mit der Klage und den beiden Klageerweiterungen letztlich auch gezeigt hat.

 

II. Mitteilungspflicht des Arbeitgebers

 

Der Arbeitgeber war nach § 3 Satz 1 Nachweisgesetz verpflichtet, den neu abgeschlossenen Haustarifvertrag von Januar 1999 schriftlich mitzuteilen. Der Abschluss eines Tarifvertrages, der dazu führt, dass erstmals ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, stellt eine Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen im Sinne von § 3 Satz 1 Nachweisgesetz dar.

 

Dabei hat der schriftliche Hinweis auf die Anwendbarkeit des Tarifvertrages unabhängig von der beiderseitigen Tarifbindung zu erfolgen. Dies folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 3 Nachweisgesetz, wonach der Hinweis auf die genaue Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, die vereinbarte Arbeitszeit, die Dauer des Erholungsurlaubs und die Kündigungsfristen durch einen Hinweis auf den einschlägigen Tarifvertrag ersetzt werden kann.

 

Ein Tarifvertrag ist einschlägig, wenn er kraft Tarifbindung, Bezugnahme oder Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

 

III. Mitteilungspflicht erfasst nicht Hinweis auf Ausschlussfristen!

 

Das BAG hat in der vorliegenden Entscheidung nochmals klargestellt, dass die Mitteilungspflicht nach § 3 Satz 1 Nachweisgesetz nicht weiter reicht als die Nachweispflicht nach § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz. Danach ist der Arbeitgeber nur verpflichtet den Arbeitnehmer auf den Tarifvertrag hinzuweisen, in dem die Ausschlussfrist enthalten ist. Eines gesonderten Hinweises auf die Ausschlussfristen des Tarifvertrages bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 17. 4. 2002 – 5 AZR 89/01 -, EzA Nr. 5 zu § 2 Nachweisgesetz; siehe auch BAG, Urt. v. 29. 5. 2002 – 5 AZR 105/01 -, EzA Nr. 4 zu § 2 Nachweisgesetz).

 

Mit anderen Worten: Es ist unerheblich, ob die Arbeitnehmer möglicherweise vom Vorhandensein einer Ausschlussfrist keine Kenntnis hatten; ausreichend ist die Kenntnis vom Vorhandensein des Tarifvertrages. Vorliegend kam hinzu, dass die Arbeitsgerichte davon ausgingen, dass der Arbeitnehmer wegen seiner speziellen Kenntnisse als Betriebsratsmitglied ohnehin Kenntnis von dem Inhalt des Manteltarifvertrages hatte.

 

Fazit damit:

 

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, auf sämtliche einzelnen Regelungen in den Tarifverträgen, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, hinzuweisen. Maßgeblich ist nach dem Nachweisgesetz vielmehr, auf den Tarifvertrag als solchen hinzuweisen. Dem Arbeitnehmer ist es zuzumuten, sich mit den weiteren Einzelheiten selbst vertraut zu machen.

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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