27.03.2004 -

In vielen Arbeitsverträgen wird Arbeitnehmern eine Nebentätigkeit entweder vollständig untersagt oder jedenfalls unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt. Wird gegen diese Vereinbarungen verstoßen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine etwaige (fristlose) Kündigung wirksam ist. Die wesentlichen Grundsätze wollen wir nachfolgend zusammenfassen.

 

I. Grundsätze

 

Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft ausschließlich seinem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ist er berechtigt, neben seiner Haupttätigkeit des Arbeitsverhältnisses auch andere Tätigkeiten auszuüben.

 

Aber: Weitere Tätigkeiten dürfen das Arbeitsverhältnis im Leistungs- und Vertrauensbereich nicht berühren. Die Freiheit einer weiteren Nebentätigkeit wird also immer dann unzulässig, wenn der Arbeitnehmer durch die Nebentätigkeit die Pflichten aus seinem Arbeitsverhältnis nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann oder die Nebentätigkeit in Wettbewerb zum Hauptarbeitsverhältnis tritt.

 

II. Arbeitsvertragsklauseln

 

Die Arbeitsgerichte orientieren sich bei der Beurteilung arbeitsvertraglicher Klauseln dabei an den vorgenannten Grundsätzen. Wird daher das bestehende Arbeitsverhältnis durch die zusätzliche Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Zustimmung zu der Nebentätigkeit zu erteilen.

 

Dies gilt selbst dann, wenn in dem Arbeitsvertrag eine Nebentätigkeit insgesamt ausgeschlossen wird. Diese Klauseln sind unwirksam und kommen nur dann zum Tragen, wenn aus Sicht des Arbeitgebers ein berechtigtes Interesse an dem Nebentätigkeitsverbot besteht. Kann ein solches Interesse nicht nachgewiesen werden, hat ein Verstoß gegen das Nebentätigkeitsverbot keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen.

 

Hinweis für die Praxis:

 

Ohne berechtigtes Interesse ist ein vertragliches Nebentätigkeitsverbot damit grundsätzlich unzulässig und unwirksam. In der Praxis kann es sich allerdings dennoch empfehlen, entsprechende Klauseln zu vereinbaren. Diese könnten folgenden Wortlaut haben:

 

„Jede Nebentätigkeit ist anzuzeigen. Besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, kann die Ausübung der Nebentätigkeit untersagt werden.“

 

In erster Linie ist diese Klausel deklaratorischer Natur. Sie schärft aber das Problembewusstsein auf Arbeitnehmerseite und kann daher bei Bedarf zusätzlich aufgenommen werden. Die Klausel kann beliebig erweitert werden, bspw. um den Zusatz, dass bei etwaigen Verstößen die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht.

 

III. Arbeitsrechtliche Sanktionen

 

Die Ausübung einer unzulässigen Nebentätigkeit ist ein Arbeitsvertragsverstoß verhaltensbedingter Art. Je nach Schwere und Gewichtung kann eine arbeitsvertragswidrige Tätigkeit damit eine Abmahnung, eine fristgerechte und sogar eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

 

Checkliste

 

Bei der Prüfung, welche Maßnahme zu ergreifen ist, empfehlen wir die Einhaltung der folgenden Checkliste:

 

1.          Feststellung der Ausübung einer nichtgenehmigten Tätigkeit

 

2.         Bestehen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers an der Unterlassung der Nebentätigkeit

 

3.         Abmahnung wegen Ziffer 1 unter Hinweis auf ein bestehendes berechtigtes Interesse im Sinne von Ziffer 2

 

4.        Sind Grad und Auswirkung der unerlaubten Tätigkeit als gravierend zu qualifizieren, kann eine Abmahnung im Einzelfall entbehrlich sein

 

5.         In diesem Fall ordentliche oder fristlose Kündigung aussprechen

 

6.        Entschuldigungs- oder Rechtfertigungsgründe prüfen und Auswirkungen auf den Vertrauensbereich feststellen

 

7.        Fristlose Kündigung nur ausnahmsweise und vorsorglich verbunden mit hilfsweiser fristgerechter Kündigung, soweit jedenfalls auch der Vertrauensbereich betroffen ist, insbesondere bei Wettbewerbsverstößen

 

 

IV. Sonderfall: Arbeitsunfähigkeit und Nebentätigkeit

 

Bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit ist jeder Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht gehalten, während seiner Krankheit alles zu unterlassen, was die Genesung hinauszögern könnte. Erbringt dabei ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten, die seiner baldigen Genesung hinderlich sind, rechtfertigt dies nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch eine fristlose Kündigung. Je nach Intensität der Nebenbeschäftigung kann sich zudem der begründete Verdacht ergeben, dass die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht war. Auch dies berechtigt dabei grundsätzlich zur fristlosen Kündigung (Kündigung wegen Nebentätigkeit während Arbeitsunfähigkeit: LAG Hamm, Urt. v. 8. 3. 2000 – 18 Sa 1614/99 -, BB 2000, 1787; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11. 1. 2002 – 8 Sa 1159/01 -, zitiert nach juris).

 

Aber: Eine zulässige Nebentätigkeit darf in aller Regel auch während einer Arbeitsunfähigkeit ausgeübt werden. Wird also die Genesung nicht verzögert und sind auch sonst keine Auswirkungen auf das Hauptarbeitsverhältnis festzustellen, darf die Nebentätigkeit nicht zum Anlass einer Sanktion herangezogen werden. Dabei trifft die volle Beweislast den kündigenden Arbeitgeber. Neben der ausgeübten Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit müssen daher weitere Kündigungsgründe nachgewiesen werden können. Ist dies nicht oder nur eingeschränkt möglich, kann in aller Regel allenfalls eine Abmahnung ausgesprochen werden.

 

Fazit damit:

 

Bei einer unerlaubt ausgeübten Nebentätigkeit muss stets geprüft werden, ob berechtigte Interessen des Arbeitgebers an einem Nebentätigkeitsverbot vorhanden sind. Diese liegen regelmäßig nur dann vor, wenn durch die Nebentätigkeit die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr ordnungsgemäß erfüllt werden können oder die Nebentätigkeit in Wettbewerb zum Hauptarbeitsverhältnis tritt. Eine Kündigung wegen einer Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit kommt in der Regel nur dann in Frage, wenn es sich (ebenfalls) um unerlaubten Wettbewerb handelt oder der Genesungsprozess beeinträchtigt wird.

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen