Die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs sind in § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Kommt es zu einem solchen Betriebsübergang, geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber über. Der Arbeitnehmer hat allerdings die Möglichkeit, diesem Betriebsübergang zu widersprechen. In einem für die Praxis bedeutsamen Urteil hatte sich das Bundesarbeitsgericht nun mit der Frage zu befassen, ob der nachträgliche Widerruf eines solchen Widerspruchs zulässig und möglich ist (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 30.10.2003 – 8 AZR 491/02 -, NZA 2004, 481).
Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):
Der Arbeitnehmer war bei einer GmbH und Co. KG im Bereich Verkehrstechnik beschäftigt. Dieser Bereich wurde zum 1. Mai 2001 veräußert. Dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diesen Betriebserwerber widersprach der Arbeitnehmer fristgerecht gegenüber der KG mit Schreiben vom 20. März 2001.
Am 10. April 2001 widerrief der Kläger gegenüber der KG seinen Widerspruch und bat um Rücknahme der Kündigung. Noch am gleichen Tage stimmt die KG dem Widerruf zu und erklärte die Kündigung für gegenstandslos. Sie wies den Arbeitnehmer weiter darauf hin, dass ein Arbeitsverhältnis mit ihr zum 30. April 2001 ende und auf die Beklagte (den Betriebserwerber) übergehe.
Der Betriebserwerber lehne jegliches Arbeitsangebot des klagenden Arbeitnehmers ab. Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Er begehrte die Feststellung, dass aufgrund des Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber zustande gekommen ist.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg. Im Einzelnen:
I. Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang auf einen Erwerber zu widersprechen, entspricht der ständigen Rechtspraxis seit in Kraft treten des § 613 a BGB. Mit Wirkung zum 1. April 2002 wurde zudem die für den Betriebsübergang maßgebliche Vorschrift des § 613 a BGB durch zwei weitere neue Absätze 5 und 6 ergänzt. Das richterlich anerkannte Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer wurde nunmehr auch in § 613 a Abs. 6 BGB gesetzlich geregelt.
II. Motive für einen Widerspruch unbeachtlich
Die Angabe eines Grundes ist für die Ausübung des Widerspruchsrechts ebenso wenig von Belang wie das zugrunde liegende Motiv des Arbeitnehmers. Dieser hat allein zu entscheiden, ob er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen will und muss daher die Gründe und das mit dem Widerspruch verbundene Risiko eigenverantwortlich beurteilen. Er ist nicht ohne Weiteres vor faktischen und rechtlichen Nachteilen geschützt, die mit dem Widerspruch verbunden sein können.
Nachteilige Folgen ergeben sich regelmäßig insbesondere daraus, dass der bisherige Arbeitgeber nach dem Betriebsübergang keine oder nur noch eine eingeschränkte Beschäftigungsmöglichkeit für den widersprechenden Arbeitnehmer hat. Derartige Nachteile muss der Arbeitnehmer grundsätzlich in Kauf nehmen. Das Beurteilungsrisiko für die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs liegt damit allein beim Arbeitnehmer.
III. Widerruf unzulässig!
Bei dem Widerspruch gegen einen Betriebsübergang handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um ein Gestaltungsrecht in der Form eines so genannten Rechtsfolgenverweigerungsrechts. Der Widerspruch ist nämlich darauf gerichtet, die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer, nicht eintreten, sondern statt dessen das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen zu lassen. Der Widerspruch stellt damit eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Die Ausübung des Widerspruchs ist ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft. Auch ein etwaiger erklärter Vorbehalt wäre damit unzulässig.
Die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs liegen nur dann vor, wenn dem Erklärungsempfänger vor oder gleichzeitig mit der Erklärung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang der Widerruf dieses Widerspruchs zugeht (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist hingegen der Widerspruch einmal zugegangen, kann ein Widerruf nicht mehr einseitig erklärt werden.
IV. Vereinbarung über Widerruf möglich
Der Widerspruch gegen einen Betriebsübergang betrifft nicht nur das 2-seitige Verhältnis zwischen dem bisherigen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Der Widerspruch entfaltet auch Rechtswirkungen gegenüber dem Betriebsnachfolger. Dieser trifft aufgrund eines Widerspruchs entsprechende Dispositionen, bspw. müssen neue Arbeitnehmer eingestellt werden, um den widersprechenden Arbeitnehmer zu ersetzen. Insoweit unterscheidet sich der Widerspruch von einer Kündigung.
Eine Einigung über die Rücknahme eines Widerspruchs kann damit wirksam nur zwischen allen drei Beteiligten getroffen werden. Eine lediglich 2-seitige Vereinbarung zwischen bisherigem Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter dar. Die Rechtsfolge – Übergang des Arbeitsverhältnisses – würde nachträglich abgeändert und damit der Betriebserwerber statt des bisherigen Arbeitgebers mit der Entgeltzahlungs- und Beschäftigungspflicht belastet. Entsprechende Abreden sind daher nur zwischen dem Arbeitnehmer, dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber möglich.
Hinweis für die Praxis:
Der Fall macht deutlich, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts für den Arbeitnehmer erhebliche Risiken mit sich bringen kann. Zunächst besteht die Gefahr, dass der alte Arbeitgeber den widersprechenden Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann und daher eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Das mit dem Widerspruch verbundene Risiko trägt damit allein der Arbeitnehmer.
Ein Widerruf des Widerspruchs ist ebenso unzulässig wie nachträgliche Abreden allein mit dem bisherigen Arbeitgeber. Lediglich eine 3-seitige Vereinbarung zwischen allen Beteiligten kommt in Betracht. Wir weisen im Übrigen an dieser Stelle auf die nach der Rechtsprechung zulässige Möglichkeit hin, dass sich ein Arbeitnehmer angesichts eines bevorstehenden Betriebsübergangs gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber verpflichtet, kein Widerspruch zu erklären, so dass sein Arbeitsverhältnis übergeht. Mit einer entsprechenden Vereinbarung kann bereits im Vorfeld Rechtsklarheit erlangt werden.
(Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen)
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