01.02.2018 -

Wird ein Arbeitsvertrag zwar vereinbart, legen die Vertragsparteien aber den genauen Inhalt, insbesondere die regelmäßige vertragliche Arbeitszeit nicht fest, entsteht oftmals Streit über den genauen Umfang, insbesondere im Hinblick auf die zu gewährende Vergütung. Mit einer solchen Thematik hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht zu befassen und dabei die sogenannte Referenzmethode als geeignetes Mittel zur Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit festgelegt (BAG v. 2.11.2016 – 10 AZR 419/15).


Anhand der sogenannten Referenzmethode lässt sich die regelmäßige vertragliche Arbeitszeit ermitteln. Bei mehrjährigen Vertragsverhältnissen bietet sich ein Referenzzeitraum von drei Jahren an.   

Der Fall:

Die Parteien streiten über den zeitlichen Umfang, in welchem der Arbeitgeber den klagenden Arbeitnehmer zu beschäftigen hat.

Der Kläger arbeitet seit dem 1. September 2001 für die Beklagte als Cutter. Die Parteien haben keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Ursprünglich wurde der Vertrag als freier Mitarbeitervertrag ausgestaltet. Nach rechtskräftiger Feststellung, dass von Beginn an ein Arbeitsverhältnis besteht, entstand nun Streit über den genauen zeitlichen Umfang.

Die Zahl der tatsächlichen jährlichen Einsatztage des Klägers schwankte zwischen 106 Tagen im Jahre 2004 und 130 Tagen im Jahre 2013. Ein Einsatztag des Klägers entsprach einem Arbeitstag eines Vollzeitarbeitnehmers.

Der Kläger hat gemeint, seine Teilzeitbeschäftigungsquote sei nach der Zahl der Einsatztage in den letzten drei vollen Kalenderjahren vor Klageerhebung zu bestimmen. Dies spiegelt den aktuellen Stand des Arbeitsverhältnisses der Parteien wider und sei ein geeigneter Referenzzeitraum. Hieraus würden sich im Schnitt 121 Einsatztage pro Jahr ergeben. Zu dieser Zahl seien noch zehn Tage zu addieren, die ein Arbeitnehmer in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Durchschnitt eines Jahres krank sei. Ferner müsse anteilig der Urlaub berücksichtigt werden, den die Beklagte ihren Arbeitnehmern gewähre. Insgesamt ergebe sich so ein Beschäftigungsumfang von 59,28 % einer Vollzeitkraft.

Der beklagte Arbeitgeber hat beantragt, eine Teilzeitquote nur in einem Umfang von 51,1 % festzulegen. Dies ergebe sich aus der durchschnittlichen Zahl der Einsatztage seit Beginn des Arbeitsverhältnisses. Je länger der Referenzeitraum gewählt werde, desto besser werde die Vertragspraxis der Parteien abgebildet und würden Zufälligkeiten bei der Berechnung vermieden. Dann ergäben sich durchschnittlich nur 115 Einsatztage des Klägers pro Jahr. Rein statistische Krankheitstage von Arbeitnehmern seien bei der Berechnung der Teilzeitquote des Klägers nicht zu beachten. Hieraus folge unter Berücksichtigung von Urlaub eine Quote von 51,1 %.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hingegen stattgegeben.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Quote auf 54,7 % festgelegt.

I. Referenzmethode

Das Bundesarbeitsgericht hat als Referenzzeitraum die letzten drei vollen Kalenderjahre vor Klageerhebung zugrunde gelegt. Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag ohne ausdrückliche Erklärungen zu seinem näheren Inhalt geschlossen, kann in Ermangelung anderer Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit nur auf das gelebte Rechtsverhältnis abgestellt werden. Dem entspricht die übliche Referenzmethode. Der Referenzeitraum ist dann so zu bemessen, dass zufällige Ergebnisse ausgeschlossen sind und der aktuelle Stand des Vertragsverhältnisses der Parteien wiedergegeben wird.

Das Bundesarbeitsgericht betont, dass es keine feste Regel gibt, welcher Zeitraum hierbei in den Blick zu nehmen ist. Bei einem mehr als einem Jahr bestehenden Arbeitsverhältnis wird allerdings ein Referenzzeitraum von weniger als einem Jahr häufig ungeeignet sein. Im Hinblick darauf, dass die Frage des Beschäftigungsumfangs zukunftsgerichtet ist, wird regelmäßig die länger zurückliegende Vergangenheit nur begrenzt von Bedeutung sein. Je weiter man zurückliegende Zeiträume einbezieht, desto weniger wird in einem solchen Fall der aktuelle Stand des Arbeitsverhältnisses abgebildet.

Üblicherweise sind daher regelmäßig drei Jahre zugrunde zu legen.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass durchaus auch ein anderer Referenzzeitraum gewählt werden kann. Dann müsste aber der Arbeitgeber anhand konkreter Tatsachen erhebliche Einwendungen dazu substantiiert vorbringen. Daran fehlte es hier.

II. Berechnung der Quote

Das Bundesarbeitsgericht hat bei der Berechnung der Quote statistische Krankheitsdaten nicht einbezogen. Die Heranziehung eines statistischen Durchschnitts von Krankheitstagen sagt weder etwas über das gelebte Arbeitsverhältnis noch über deren Willen aus und widerspricht der im Übrigen gewählten Referenzmethode. Demgegenüber waren die Urlaubstage zu berücksichtigen.

Im Referenzzeitraum der Jahre 2011 bis 2013 entfielen auf Vollzeitarbeitnehmer in Brandenburg (dem Beschäftigungsort) durchschnittlich 252 Arbeitstage. Bei 31 Urlaubstagen, die der Arbeitgeber Vollzeitkräften mit vollendetem 40. Lebensjahr gewährte, verbleiben im Referenzzeitraum jährlich 221 tatsächliche Arbeitstage. Diese sind ins Verhältnis zu den durchschnittlichen 121 tatsächlichen jährlichen Einsatztagen des Klägers zu setzen. Hieraus folgte die vom Bundesarbeitsgericht berechnete Teilzeitquote in Höhe von 54,75 %.

Fazit:

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts sind plausibel und zutreffend. Fehlt es an konkreten Vereinbarungen über den Umfang der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, ist nach der Referenzmethode ein Durchschnitt zu ermitteln. Bei mehrjährigen Vertragsverhältnissen bietet sich ein Referenzzeitraum von drei Jahren an. Weiter zurückliegende Zeiten sind regelmäßig nicht einzubeziehen, da diese den Blick auf den aktuellen Beschäftigungsumfang verfälschen. Maßgebend sind dabei stets der individuelle Parteiwille und das gelebte Rechtsverhältnis. Abstrakte bzw. statistische Krankheitstage sind nicht einzubeziehen.

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