06.03.2018 -

In der Arztpraxis gibt es so einige Pflichten, die Ärztin oder Arzt beachten müssen. Neben den Anforderungen an die reine Behandlung spielen hierbei auch (teils fachfremde) Dinge wie etwa die Beaufsichtigung der ärztlichen und nichtärztlichen Angestellten in berufsrechtlicher, arbeitsrechtlicher und manchmal auch strafrechtlicher Hinsicht eine Rolle.


Gibt eine Praxismitarbeiterin Patientendaten ohne Genehmigung an Dritte weiter, ist dies als schwerwiegende Pflichtverletzung zu bewerten.

In einem Fall des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (kurz: LAG, Urt. v. 11.11.2016, Az. 12 Sa 22/16) hatte eine 52-jährige nichtärztliche medizinische Fachangestellte ein Terminblatt der sie anstellenden radiologischen Praxis mit dem Namen einer Patientin inkl. beabsichtigter Untersuchung mit dem Kommentar „mal sehen, was die schon wieder hat“ per WhatsApp an ihre Tochter geschickt. Es kam, wie es kommen musste: Die Tochter zeigte das Foto ihrer Mutter im Sportverein herum, wodurch im Verlauf auch der Vater der Patientin von dem Foto und dem Kommentar erfuhr. So nahmen die Dinge arbeitsrechtlich ihren Lauf. Die Praxisinhaber stellten die Fachangestellte erst zur Rede und kündigten ihr dann außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich fristgemäß.

Korrekter Umgang mit den rechtlichen Formalien der Kündigung zwingend erforderlich  

Im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung entschied das LAG, die Kündigung war rechtmäßig. Eine Weitergabe von Patientendaten stellt sich als schwerwiegende arbeitsrechtliche – und auch strafrechtlich relevante – Pflichtverletzung dar. Den Praxisinhabern war nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es angesichts der schwerwiegenden Pflichtverletzung nicht. Diese Konsequenz des oben verkürzt dargestellten Sachverhalts ist wahrscheinlich für jeden Beteiligten nachvollziehbar. Allerdings zeigt die Entscheidung des LAG auch, dass selbst in so relativ klaren Fällen ein ordentlicher Umgang mit den vermeintlich „einfachen Formalien“ der Kündigung unerlässlich ist.

Der Fall hatte über die (wohl eindeutige) Pflichtverletzung hinaus eine brisante Fragestellung über eben genau diese „einfachen Formalien“ zum Hintergrund. Dies führte trotz (!!!) der erheblichen Pflichtverletzung der Fachangestellten dazu, dass die Praxisinhaber in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Mannheim bezogen auf die fristlose Kündigung unterlagen, sodass „nur“ die ordentliche Kündigung als wirksam galt. Ohne die (im Ergebnis erfolgreiche) Berufung der Praxisinhaber hätte dies bedeutet, bis zum Ablauf der „normalen“ Kündigungsfrist die Angestellte zu beschäftigten – und zu vergüten. Erst vor dem LAG erhielten die Praxisinhaber auch mit ihrer außerordentlichen fristlosen Kündigung Recht. Grund genug also, um sich kurz die wichtigsten „einfachen“ Formalien der Kündigung vor Augen zu führen:

Grundsätzlich muss zunächst klar sein, wer mit wem einen Vertrag hat. Welches „Vergehen“ ist der/dem Angestellten vorzuwerfen und wie schwer wiegt es? Welche Art der Kündigung kommt danach in Frage – außerordentlich fristlos oder ordentlich fristgemäß? Welche Fristen gelten und wer spricht rein praktisch eigentlich die Kündigung als solche aus? In dem oben dargestellten Fall war klar, dass die Fachangestellte „bei der Praxis“ angestellt war und dass es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelte, da sie gegen ihre Verschwiegenheitspflicht auch aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hatte. Problematisch wurde es dann aber doch bei dem „einfachen“ Kündigungsschreiben bzw. genauer bei der „einfachen“ Unterschrift. Es hatte nämlich „nur“ eine Praxisinhaberin (statt aller Praxisinhaber zusammen) unterzeichnet. Hieraus leitete das Arbeitsgericht auf den Vortrag der Fachangestellten hin in erster Instanz ab, dass die einzige Unterzeichnerin nicht zur Vertretung aller Praxisinhaber befugt war (mangels beiliegender Originalvollmacht auch der anderen Inhaber). Das hätte beinahe zum Scheitern der außerordentlichen fristlosen Kündigung geführt, sodass die Praxisinhaber die Fachangestellte noch innerhalb der Frist der gleichzeitig ausgesprochenen ordentlichen Kündigung hätten beschäftigen – und vor allem bezahlen – müssen.


Die schwerwiegende Verstoß der Mitarbeiterin führte rechtmäßig zur außerordentlichenfristlosen Kündigung.

Die Praxisinhaber konnten im beschriebenen Fall die außerordentliche fristlose Kündigung mit einem nochmaligen Kündigungsschreiben nachholen. Dies gelang aber nur, weil die (offensichtlich anwaltlich vertretene) Fachangestellte die Kündigung sofort wegen des Mangels an der Vollmacht nach deren Erhalt zurückgewiesen hatte. So konnten die Praxisinhaber noch innerhalb der 2-Wochen-Frist zur außerordentlichen fristlosen Kündigung ein neues Kündigungsschreiben aufsetzen und fristgemäß zustellen. Allerdings konnte die Kündigung dann auch erst ab diesem Tag gelten; die Praxisinhaber mussten also noch die Zeit zwischen der gescheiterten ersten Kündigungserklärung und der erfolgreichen zweiten Kündigungserklärung vergüten.

Der Fall zeigt, dass es für Praxisinhaber wichtig ist, sich mit den arbeitsrechtlichen Fragestellungen für ihre Praxis auseinanderzusetzen. Die vermeintlich „einfachen Formalien“ sind in der Realität keine – spätestens jedenfalls vor den Gerichten. Gute Grundkenntnisse schützen den Praxisinhaber vor unangenehmen „Überraschungen“ und können dazu beitragen, die wirtschaftlichen Risiken im Zaume zu halten.

Crashkurs „Arbeitsrecht in der Arztpraxis“

Unser „Crashkurs Arbeitsrecht in der Arztpraxis“ bereitet Praxisinhaber optimal auf die wesentlichen Formalien vor: Fachanwälte für Medizin- und Arbeitsrecht informieren Sie in diesem kostenlosen Seminar kompakt, umfassend und praxisnah über die wichtigsten Fallstricke bei der Beschäftigung von Praxismitarbeitenden.

Crashkurs „Arbeitsrecht für die Arztpraxis“
am 16. März 2018, von 15:30 bis 18 Uhr
Konferenz-Zentrum „Beletage“ Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8
10117 Berlin-Mitte

Die Teilnahme ist kostenlos.

Bitte melden Sie uns Ihre Teilnahme bis zum 12. März per E-Mail an praxisseminar@meyer-koering.de. Vielen Dank – wir freuen uns auf Sie!

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

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Alexander Helle
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