08.06.2004

Nach einer Entscheidung des Niedersächsisches Finanzgerichts vom 20.04.2004 (Az.: 9 K 573/99) kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vor den Finanzgerichten nach §§ 40 Abs.2, 48 Abs.1 Nr.1 FGO im eigenen Namen Klage erheben. Das gilt auch, wenn sie keine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann, sondern auf Grund der in § 48 Abs.1 Nr.1 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzlich geregelten Prozessstandschaft die Rechte ihrer Gesellschafter wahrnimmt.

Das FG bestätigt damit die Auslegung des BFH zu § 48 FGO auch in der heute gültigen Fassung, dessen Wortlaut die Klageerhebung durch eine GbR auf den ersten Blick auszuschließen scheint (vgl. Beschluss des BFH vom 13. Dezember 1979, IV B 79/79 BStBl II 1980, 329 m.w.Nw., Urteil des BFH vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94 BFH/NV 1996, 485). Mit dieser Vorschrift erhält der vertretungsberechtigte Gesellschafter kein eigenes Recht zur Klage, sondern er handelt in „Prozessstandschaft“ für die Gesellschaft, die wiederum in „Prozessstandschaft“ die rechtlichen Interessen ihrer Gesellschafter wahrnimmt (Beschluss des BFH vom 19. Mai 2000 VIII B 98/99 BFH/NV 2000, 1444). An dieser Rechtslage hat auch die Änderung des § 48 FGO nichts geändert (Urteil des BFH vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94 BFH/NV 1996, 485)

Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 709 Bürgerliches Gesetzbuch wird die Klägerin im Prozess durch ihre Gesellschafter vertreten, die zulässigerweise einen Prozessbevollmächtigten mit der Prozessführung beauftragt haben, indem beide eine entsprechende Prozessvollmacht für die Klägerin unterschrieben haben.

Tatbestand

Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der aus E. und M. bestehenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) für 1988 ist streitig, ob eine Einmalzahlung in Höhe von 1.038.105 DM als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) – Sonderbetriebseinnahme des M. – zu erfassen ist.

Die GbR erzielt aus der Verpachtung einer Metallwarenfabrik im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

M. erhielt aus einem mit der Betriebsgesellschaft (GmbH) abgeschlossenen Lizenzvertrag jährliche Lizenzzahlungen, die nach Maßgabe der Erfinderverordnung bis Ende 1988 steuerlich begünstigt waren. Die Vertragspartner hoben diese Vereinbarung einvernehmlich gegen die oben genannte – noch im Streitjahr 1988 geleistete – Einmalzahlung auf. Die Abfindung war deutlich geringer als die nach dem ursprünglichen Vertrag für die Folgezeit zu leistenden Jahresbeträge.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) erfasste diese Zahlung nach einer Außenprüfung als vGA/Sonderbetriebseinnahme des M.. Der Einspruch der GbR hatte insoweit keinen Erfolg.

Der Prozessbevollmächtigte hat – unter Beifügung einer von beiden Gesellschaftern unterschriebenen Vollmacht – im Namen der GbR Klage erhoben.

Das FA hält die Klage mangels eigener Klagebefugnis der GbR für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die GbR ist Klägerin.

Der Prozessbevollmächtigte hat im Namen der GbR Klage erhoben. Eine Auslegung der Klageschrift dahingehend, dass auch die beiden Gesellschafter Klage erhoben haben, ist nicht möglich, die Klageschrift ist insoweit eindeutig.

Die Klägerin ist als GbR nach §§ 40 Abs. 2, 48 Abs. 1 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt.

Die Klägerin ist als GbR auch dann klagebefugt, wenn sie keine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann, sondern aufgrund der in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO gesetzlich geregelten Prozessstandschaft die Rechte ihrer Gesellschafter wahrnimmt.

Eine GbR ist durch Feststellungen in einem Bescheid, in dem die Einkünfte der Personengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt werden, nicht selbst betroffen, sie ist nicht in ihren eigenen Rechten verletzt – die Feststellungen wirken sich nur in den Folgebescheiden gegenüber den Gesellschaftern aus. Mit der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (entspricht im wesentlichen § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO in der Fassung bis zum In-Kraft-Treten des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994, BGBl I, 1403) erhält die GbR das Recht, Rechtsverletzungen Dritter – ihrer Gesellschafter – geltend zu machen, eine so genannte gesetzliche Prozessstandschaft. Auch wenn die Gesetzesformulierung des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, genau wie § 48 Abs. 1 FGO a.F., missverständlich ist – nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 FGO ist der gemeinsame Empfangsbevollmächtigte im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) klagebefugt – ist tatsächlich die Gesellschaft klagebefugt, die von ihrem vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten wird (vgl. Beschluss des BFH vom 13. Dezember 1979, IV B 79/79 BStBl II 1980, 329 m.w.Nw., Urteil des BFH vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94 BFH/NV 1996, 485). Mit dieser Vorschrift erhält der vertretungsberechtigte Gesellschafter kein eigenes Recht zur Klage, sondern er handelt in „Prozessstandschaft“ für die Gesellschaft, die wiederum in „Prozessstandschaft“ die rechtlichen Interessen ihrer Gesellschafter wahrnimmt (Beschluss des BFH vom 19. Mai 2000 VIII B 98/99 BFH/NV 2000, 1444). An dieser Rechtslage hat auch die Änderung des § 48 FGO nichts geändert (Urteil des BFH vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94 BFH/NV 1996, 485) (vgl. hierzu auch Dumke in Schwarz FGO § 48 Rz. 16, Urteil des Finanzgerichts Brandenburg vom 17. Oktober 2001 2 K 762/00).

Auch der IV. Senat des BFH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass zumindest gewerblich oder freiberuflich tätige Gesellschaften bürgerlichen Rechts klagebefugt sind (vgl. Urteile vom 2. Dezember 1982 IV R 72/79 BStBl II 1983, 215 und vom 24. März 1983 IV R 123/80 BStBl II 1983, 598, der Senat geht ohne weitere Prüfung von der Zulässigkeit der Klagen der gewerblich bzw. freiberuflich tätigen GbR’s aus und prüft sofort die Begründetheit der Klagen).

Im Rahmen einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage einer GbR, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, hat der VIII. Senat des BFH die Klagebefugnis und Beteiligtenfähigkeit der GbR abgelehnt und in seiner Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob der Rechtsprechung des IV. Senats zur gewerblich oder freiberuflich tätigen GbR gefolgt werden könne. Er führt unter anderem aus, dass die Klagebefugnis der GbR in der übrigen BFH-Rechtsprechung immer auf § 48 Abs. 1 FGO a.F. gestützt wird, es sich um Gesellschaften handelt, die gewerbliche Einkünfte erzielen. Für die GbR mit Vermietungseinkünften sei § 48 Abs. 2 FGO a.F. anwendbar. (Vgl. Urteil des BFH vom 6. Dezember 1983 VIII R 203/81 BStBl II 1984, 318). Da nunmehr der § 48 Abs. 1 FGO n.F. nicht mehr nur auf gewerbliche Einkünfte beschränkt ist, im übrigen aber der ehemalige § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F. sich nun in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F. widerspiegelt, ist es zweifelhaft, in wieweit diese Rechtsprechung noch aufrecht zu halten ist. Der VIII. Senat selbst stimmt in einer neueren Entscheidung im übrigen mit der Rechtsprechung des IV. Senat insoweit überein, dass § 48 Abs. 1 FGO alter und neuer Fassung dahingehend auszulegen ist, dass grundsätzlich die Personengesellschaft befugt ist, einen Rechtsbehelf für ihre Gesellschafter einzulegen (Urteil des BFH vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94 BFH/NV 1996, 485).

Die Klägerin ist als GbR auch nach §§ 57 Nr. 1, 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO beteiligtenfähig.

Die Beteiligtenfähigkeit im Sinne der FGO ist nicht die Parteifähigkeit im Sinne des Zivilrechts, sondern die Fähigkeit, Subjekt eines finanzgerichtlichen Prozessverhältnisses zu sein. Sie unterscheidet sich von der Parteifähigkeit im Sinne des § 50 Abs. 1 Zivilprozessordnung unter anderem dadurch, dass sie nicht von der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit abhängt. Grundsätzlich ist jeder, der Träger formeller oder materiell steuerlicher Pflichten sein kann, beteiligtenfähig. (vgl. von Groll in Gräber FGO § 57 Rz. 7 f). Aus der Zuerkennung der Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO folgt für die Personenvereinigung, die nicht schon nach zivilrechtlichen Vorschriften (§§124, 161 Handelsgesetzbuch – HGB -) parteifähig ist, ohne weiteres die Zuerkennung der Beteiligtenfähigkeit. Wenn das Gesetz nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen das Recht einräumt, in bestimmten Angelegenheiten Klage zu erheben, dann ist damit zugleich ausgesprochen, dass sie dies auch können. (vgl. Ruban in Festschrift für Döllinger S. 515, 527 m.w.Nw.).

Darüber hinaus ist die Klägerin als eine gewerblich tätige GbR rein faktisch eine OHG – lediglich nicht in das Handelsregister eingetragen -, die nach § 124 Abs. 1 HGB vor Gericht klagen und verklagt werden kann.

Die Eintragung der Klägerin im Handelsregister als OHG ist für ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten gemäß § 123 Abs. 1 und 2 HGB nicht erforderlich, da ihr Geschäftsbeginn bereits vor Eintragung lag und die §§ 2 und 105 Abs. 2 HGB keine Anwendung finden – als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung betreibt die Klägerin ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB (vgl. Baumbach/Hopt HGB § 1 Rz. 18).

Die Klage wurde durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der wiederum von beiden Gesellschaftern der Klägerin ausdrücklich bevollmächtigt wurde, ordnungsgemäß erhoben. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 709 Bürgerliches Gesetzbuch wird die Klägerin im Prozess durch ihre Gesellschafter vertreten, die zulässigerweise einen Prozessbevollmächtigten mit der Prozessführung beauftragt haben, indem beide eine entsprechende Prozessvollmacht für die Klägerin unterschrieben haben.

Der streitige Feststellungsbescheid ist rechtswidrig und die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der streitige Feststellungsbescheid bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 170 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) formell rechtswidrig ist. Er ist zumindest materiell rechtswidrig.

Bei der streitigen Zahlung handelt es sich, wie auch das FA zwischenzeitlich anerkannt hat, um keine vGA und damit um keine Sonderbetriebseinnahme des M.

Eine vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Die Vermögensminderung bzw. die verhinderte Vermögensmehrung ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Urteil des BFH vom 17. Februar 1993 I R 3/92 BStBl. II 1993, 457).

Die Zahlung des Einmalbetrages in 1988 zur Auflösung des Lizenzvertrages ist nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Es liegt eine klare und eindeutige vertragliche Vereinbarungen vor, nach denen die Vertragspartner des ursprünglichen Lizenzvertrages dessen Aufhebung im Streitjahr einvernehmlich gegen Zahlung eines Einmalbetrages vereinbarten. Diese Regelung entspricht einer unter fremden Dritten üblichen. Da Ende 1988 die Steuerbegünstigung für Vergütungen – unter die auch die bisherigen Lizenzzahlungen fielen – nach der Erfinderverordnung auslief, war die hier getroffene Regelung – Ablösung der zukünftigen, dann nicht mehr begünstigten Ansprüche, durch einen steuerbegünstigten Einmalbetrag – durchaus verständlich, um die Steuervergünstigung noch einmal in Anspruch zu nehmen. Auch die vereinbarte Höhe entspricht dem unter Fremden Üblichen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass M., hätte er an dem ursprünglichen Vertrag festgehalten, bereits nach kurzer Zeit erheblich höhere Ansprüche gegenüber der GmbH gehabt hätte, als dies aufgrund des Aufhebungsvertrages tatsächlich der Fall war.

Quelle: Website des Niedersächsischen FG, http://www.nwb.de/finanzgericht/NFG/volltexte/2004/April/9_K_573_99.doc)

(Mitgeteilt von RA & StB Andreas Jahn)

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