Bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 war an Digitalisierung nicht zu denken. Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung bringt daher ganz neue Herausforderungen mit sich, auch im Umgang mit dem Erbe eines Verstorbenen. Denn bisher fanden die Erben maßgebliche Unterlagen und Dokumente meist im – mehr oder weniger geordneten – Aktenordner. Heute werden diese Dinge zunehmend nur noch als Dateien auf dem heimischen Computer, dem Smartphone oder Tablet sowie in der Cloud gespeichert. Die digitalen Bestandteile des Lebens beschränken sich aber auch schon lange nicht mehr allein auf die private oder berufliche Kommunikation. Vielmehr ist auch an Vermögenswerte wie etwa digitale Musik- und Buchsammlungen oder Bitcoins zu denken.  


Zum digitalen Bestandteil des Lebens zählen auch Vermögenswerte wie digitale Musik- und Buchsammlungen oder Bitcoins.

Was wiegt schwerer: Datenschutz oder Erbrecht?

Während bei der Nachlassabwicklung immer häufiger praktische Fragen im Zusammenhang mit dem digitalen Erbe des Verstorbenen auftauchen, besteht bei rechtlicher Betrachtung noch eine erhebliche Unsicherheit. In einem vom Berliner Kammergericht im vergangenen Jahr entschiedenen Fall hatte die Mutter eines 2012 verstorbenen Mädchens gerichtlich Zugriff auf das Facebook-Konto ihres verstorbenen Kindes gefordert. Das Unternehmen hatte diesen Zugriff verweigert, und zwar – wie das Kammergericht entschied – zu Recht. Nach Ansicht des Kammergerichts geht der Schutz des Fernmeldegeheimnisses vor. Während der Senat die Fragen rund um das Fernmeldegeheimnis ausführlich prüfte und zuungunsten der Erbin beantwortete, ließ er die in der Rechtsprechung bislang ungeklärte Frage offen, ob der Erbe überhaupt in den Vertrag des Verstorbenen mit einem Anbieter digitaler Kommunikationsmöglichkeiten einrücken kann (wie ein Erbe auch sonst in alle anderen Verträge des Verstorbenen einrückt).

Die Entscheidung des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängig (Az.: III ZR 183/17). Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichts dem Erbrecht und insbesondere dem elementaren Grundsatz der sogenannten Universalsukzession den Vorrang gegenüber dem (vermeintlichen) Datenschutz einräumt.

Zum aktuellen Stand der BGH-Entscheidung
(Nachtrag vom 22.06.2018): Tendenz erkennbar 

Zwar wird das Urteil in dem Verfahren erst für den 12.07.2018 erwartet. Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann ließ in einer einstündigen Verhandlung am 22. Juni allerdings durchaus eine Tendenz erkennen. So geht aus seinen Erläuterungen hervor, dass sich der Senat vorstellen kann, den Zugang zum digitalen Erbe eines Verstorbenen durch das Erbrecht zu erfassen und dem analogen Erbe gleichzusetzen.

Zudem meldete der Senat Bedenken gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des beklagten Unternehmens an, die eine Unvererblichkeit des Kontoinhalts des Facebook-Kontos vorsehen. Auch der Vertrauensschutz der Kommunikationspartner führe nicht automatisch dazu, dass Erben das Konto nicht einsehen dürften, sagte der Vorsitzende Richter.

Zwar ist der Fall noch nicht entschieden und die Frage damit weiterhin offen, ob der Bundesgerichtshof das derzeitige Verfahren für das von allen Seiten erwartete Grundsatzurteil nutzen wird. Die Hinweise des Senats deuten allerdings bereits in eine gute Richtung.


Die Entscheidung des BGH darüber, ob das Erbrecht Vorrang vor dem (vermeintlichen) Datenschutz hat, wird mit Spannung erwartet.

Unser Rat: Frühzeitig auch digital vorsorgen!

Schon jetzt sollte allerdings jeder, der sich Gedanken über die eigene Nachfolge und ein Testament macht, auch die Fragen des sogenannten „digitalen Nachlasses“ sorgfältig in die Überlegungen einbeziehen. Da viele Punkte bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch nicht geklärt sind, ist es dringend anzuraten, dass jeder Betroffene für die “digitalen Bestandteile seines Lebens“ durch entsprechende Regelungen selbst vorsorgt. Dies betrifft Testamente ebenso wie Vorsorgevollmachten.

Wir empfehlen, auch den digitalen Nachlass im Rahmen einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) zu regeln. Hierzu muss der Erblasser insbesondere die allgemeinen Testamentsformen beachten. Dabei sind nicht alle Ratschläge, die derzeit in Zeitungsartikeln und Beiträgen von Verbraucherorganisationen zu lesen sind, sinnvoll und zweckmäßig. Ein Beispiel: Schreibt der Erblasser – wie in einem oft zitierten Ratschlag zu lesen ist – seine Passwörter in sein Testament, so muss er damit leben, dass dieses Testament anschließend durch das Nachlassgericht eröffnet und allen Verfahrensbeteiligten bekannt gegeben wird. Dies wird im Zweifel nicht dem Willen des Passwortinhabers entsprechen. Es empfehlen sich daher besondere und mit Blick auf die bisherigen Verfahren und Vorgehensweisen individuelle Regelungen.

Bei allen Fragen rund um das „digitale Vermögen“ beraten wir Sie gerne.

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