25.06.2018 -

Ein Oberarzt, der vom Chefarzt seiner Abteilung mehrfach in seiner fachlichen Qualifikation herabgewürdigt wird und deshalb psychisch erkrankt, hat gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Schmerzensgeld, so das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil (BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06). Der Chefarzt habe „mobbingtypische Verhaltensweisen“ gezeigt und damit die psychische Erkrankung schuldhaft herbeigeführt. Dafür müsse nun der Arbeitgeber einstehen, schließlich sei der Chefarzt Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers.


Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt, dass der Arbeitgeber Mobbing unterbindet. Er ist zu einem konkreten Einschreiten verpflichtet.

Was verstehen Arbeitsgerichte unter Mobbing

Mobbing ist kein Rechtsbegriff. Eine Vielzahl von Verhaltensweisen wird allgemein als „Mobbing“ bezeichnet; es ist daher ein tatsächliches und kein rechtliches Phänomen. Das Bundesarbeitsgericht definierte im Jahr 1997 Mobbing als „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“.

Jedoch stellt nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (z.B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung) eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers dar, so dass Bundesarbeitsgericht (BAG v. 15.09.2016 – 8 AZR 351/15). Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, qualifizieren nicht als Mobbing, sondern sind noch sozialadäquat. Die Grenze zum nicht rechts- bzw. sozialadäquaten Verhalten ist allerdings laut Bundesarbeitsgericht dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellen, allerdings die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zur Annahme einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt. Führt das Verhalten sowie eine darin erkennbare, verbundene Systematik und Zielrichtung insgesamt zu einer Beeinträchtigung des geschützten Rechts des Arbeitnehmers, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in eine Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen (BAG v. 15.09.2016 – 8 AZR 351/15).

Was kann der Arbeitnehmer gegen Mobbing tun?

Zu unterscheiden sind innerbetriebliche und gerichtliche Maßnahmen: Der Arbeitnehmer hat ein Beschwerderecht. Er kann sich im Wege der Beschwerde direkt an den Arbeitgeber wenden, der aufgrund seiner Fürsorgepflicht den Arbeitnehmer vor Mobbing von Kollegen oder Vorgesetzten schützen muss. Zudem kann sich der Arbeitnehmer an den Betriebsrat, so vorhanden, wenden. Wird keine Abhilfe geschaffen, kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber oder den mobbenden Kollegen persönlich vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld in Anspruch nehmen.

Was muss der Arbeitgeber tun, wenn im Betrieb gemobbt wird?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, verlangt, dass der Arbeitgeber Mobbing unterbindet; er ist zu einem konkreten Einschreiten verpflichtet. Als Maßnahmen kommen in Betracht: Ermahnung, Abmahnung, Umsetzung und ordentliche oder außerordentliche Kündigung des mobbenden Mitarbeiters. Versäumt es der Arbeitgeber, sich schützend vor den gemobbten Mitarbeiter zu stellen, drohen ihm Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers.

Warum ist die Durchsetzung von Ansprüchen in Mobbing-Verfahren so schwierig?

Kern des Problems ist die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers. Der Arbeitnehmer muss die beanstandeten Verhaltensweisen möglichst konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen. Das heißt, er muss vortragen, wo, wann, wie und von wem er angefeindet wurde und wer dies bezeugen kann. Nur wenn der Beweis vieler Einzelhandlungen gelingt, die insgesamt ein Bild „systematischer Anfeindung“ ergeben, hat eine Klage Aussicht auf Erfolg. Hieran scheitern viele Mobbing-Klagen in der Praxis.

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