Der Betriebsrat hat auch bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Immer wieder kommt es zwischen den Betriebspartnern zu Streit über die Frage, in welchem Umfange eine Mitbestimmung besteht bzw. zu welchen Maßnahmen der Arbeitgeber verpflichtet ist. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zu dieser Frage in einem aktuellen Beschluss weiterentwickelt (BAG v. 28.3.2017, 1 ABR 25/15). Wir möchten hier die Kernpunkte der Entscheidung für die Praxis darstellen:
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen.
Der Fall (verkürzt):
Die Arbeitgeberin betreibt ein Textilhandelsunternehmen. Mit dem beteiligten Betriebsrat einigte sie sich auf die Bildung einer Einigungsstelle zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes.
Die Einigungsstelle führte dann aber nicht zu einer einvernehmlichen Regelung. Vielmehr musste die Einigungsstelle einen Teilspruch erlassen.
Die Arbeitgeberin wendet sich gegen die Wirksamkeit dieses Einigungsstellenspruchs. Die Regelungen seien nicht von der Zuständigkeit der Einigungsstelle gedeckt gewesen. Es haben in dem Betrieb auch keine unmittelbaren Gesundheitsgefahren bestanden. Damit eröffneten auch arbeitsschutzrechtliche Generalklauseln wie etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG keine zwingende Mitbestimmung.
Der Betriebsrat war demgegenüber der Ansicht, konkrete Gesundheitsgefahren müssten nicht festgestellt werden. Es genüge bereits eine bloße Gefährdung.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die überwiegenden Regelungen in der durch Spruch zu Stande gekommenen Betriebsvereinbarung für unwirksam erklärt.
Die Entscheidung:
Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Betriebsvereinbarung insgesamt für unwirksam erklärt.
I. Kompetenz der Einigungsstelle
Das Bundesarbeitsgericht befasst sich zunächst sehr umfassend mit der Zuständigkeit und Kompetenz einer Einigungsstelle. Hierauf möchten wir an dieser Stelle nicht eingehen und belassen es bei dem Hinweis, dass die Einigungsstelle einen konkreten Regelungsauftrag hat. Dieser muss zu Beginn eines Einigungsstellenverfahrens von den Betriebspartnern festgelegt werden, damit die Einigungsstelle überhaupt erkennen kann, welcher Auftrag für sie besteht und wann er beendet ist. Schon daran fehlte es hier.
II. Mitbestimmung beim Gesundheitsschutz
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen.
III. Vorliegen von Gefährdungen erforderlich
Die Anwendung der Rahmenvorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG verlangt das Vorliegen von Gefährdungen, die entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sind. Erst in einem solchen Fall lösen sie eine konkrete gesetzliche Handlungspflicht des Arbeitgebers aus, deren Umsetzung einer Mitwirkung des Betriebsrats bedarf. Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Die Vorschrift legt damit für den Arbeitgeber in Form einer Generalklausel die umfassende und präventive Handlungspflicht fest, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Hinweis für die Praxis:
Zwar setzt die Vorschrift damit keine konkrete Gesundheitsgefahr, wohl aber das Vorliegen konkreter Gefährdungen im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbSchG voraus. Damit ist eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG unerlässlich. Angemessene und geeignete Schutzmaßnahmen lassen sich erst ergreifen, wenn das Gefährdungspotential von Arbeit für die Beschäftigten bekannt ist. Dann erst können auch Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Die Grundpflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG konturiert sich daher anhand einer konkreten Gefährdung.
Fazit:
Kernstück der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchG ist das Vorliegen von Gefährdungen. Diese müssen entweder feststehen oder werden im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt. Erst dann können Handlungspflichten des Arbeitgebers ausgelöst werden.
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