Abfindungen beruhen im Arbeitsrecht auf den unterschiedlichsten Anspruchsgrundlagen. So kommen Abfindungen im Rahmen eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelten Sozialplans in Betracht. Möglich ist auch die Abfindung als so genannter Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG, wenn der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich abweicht oder eine Betriebsänderung durchführt, ohne über sie ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Abfindungen können daneben auch zwischen den Vertragsparteien frei ausgehandelt werden, was üblicherweise der Fall ist, wenn Kündigungsgründe tatsächlich nicht vorhanden sind. Daneben finden sich Abfindungsregelungen auch im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dies betrifft zum einen den neuen Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG. Wir möchten uns nun mit der Auflösungsabfindung nach §§ 9, 10 KSchG beschäftigen. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird eine Abfindung durch das Arbeitsgericht festgesetzt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
I. Kündigungsschutz dient Bestandsschutz
In Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern (bis zum 31. Dezember 2003 mehr als 5 Arbeitnehmer) können Arbeitnehmer nur gekündigt werden, wenn die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes eingehalten werden. Danach sind Kündigungen grundsätzlich rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt sind. Dies ist immer dann der Fall, wenn personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe für die Kündigung nicht vorliegen. Das Kündigungsschutzgesetz dient vorrangig dem Schutz der Arbeitsplätze. Ist eine Kündigung sozialwidrig, führt die Klage zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und ein Arbeitnehmer kann damit seine Weiterbeschäftigung durchsetzen. Im Vordergrund steht also der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses.
II. Ausnahme: Auflösung durch Urteil
Der Bestandsschutz wird jedoch im Rahmen der §§ 9, 10 KSchG durchbrochen. Danach kann das Arbeitsverhältnis bei Unwirksamkeit der Kündigung auf Antrag gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden. Allerdings bietet das Kündigungsschutzgesetz hier den Parteien kein Wahlrecht zwischen Abfindung und Bestandsschutz. Vielmehr müssen für eine Auflösungsabfindung bestimmte erhöhte Anforderungen vorliegen. Sind diese Voraussetzungen, die wir nachfolgend im Einzelnen darstellen, erfüllt, löst das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis durch Urteil auf und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung, deren Höhe sich nach § 10 KSchG bemisst.
III. Die Voraussetzungen im Einzelnen
1. Sozialwidrige Kündigung
Der Auflösungsantrag kommt nur dann in Betracht, wenn im Kündigungsschutzprozess die Kündigung des Arbeitgebers durch Urteil für sozialwidrig, also rechtsunwirksam, erklärt wird. Die Kündigungsschutzklage muss also grundsätzlich Erfolg haben. Wird die Klage des Arbeitnehmers bereits deswegen abgewiesen, weil Kündigungsgründe vorliegen, kommt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nicht in Betracht. In diesem Fall wurde das Arbeitsverhältnis bereits durch Kündigung beendet.
Dabei reicht es nicht aus, dass die Kündigung auch aus anderen Gründen als denen des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam ist, z.B. wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG oder wegen Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 4 BGB. Voraussetzung ist, dass die Kündigung aus einem der in § 1 KSchG genannten Gründe unwirksam ist.
2. Antrag des Arbeitnehmers
Ist die Kündigung unwirksam, wird das Arbeitsverhältnis nicht von Amts wegen durch das Gericht aufgelöst, sondern vielmehr nur auf Antrag. Das Antragsrecht steht beiden Seiten zu. Für den Arbeitnehmer kommt der Antrag dann in Betracht, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Maßgeblich ist also die Klärung der Frage, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu unzuträglichen Bedingungen führen würde. Dabei reicht der Ausspruch der Kündigung selbst nicht für die Unzumutbarkeit aus. Hinzu kommen müssen vielmehr besondere Belastungen.
3. Antrag des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann hingegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auch hier gilt es also, eine Prognose über die Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit aufzustellen. Da der Bestandsschutz des Arbeitverhältnisses im Vordergrund steht, sind an den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag strenge Anforderungen zu stellen. Rein wirtschaftliche oder betriebliche Gründe reichen grundsätzlich nicht aus.
4. Auflösungszeitpunkt
Den Auflösungszeitpunkt hat das Arbeitsgericht nach § 9 KSchG festzusetzen. Dies ist grundsätzlich der Zeitpunkt, an dem das Arbeitsverhältnis bei gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Maßgeblich ist damit in der Regel die ordentliche Kündigungsfrist.
Wurde eine fristlose Kündigung ausgesprochen, hat das Arbeitsgericht nach § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG den Zeitpunkt festzulegen, zudem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Dabei kann der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag auch bezogen auf eine etwaige hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung beziehen. Insoweit hat er also ein Wahlrecht.
Aber: Der Arbeitgeber hat kein Recht, einen Auflösungsantrag bezogen auf eine außerordentliche Kündigung zu stellen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 13 Abs. 1 KSchG, der dieses Recht nur dem Arbeitnehmer zugesteht. Dies gilt auch bei einem tariflichen oder einzelvertraglichen Ausschluss einer ordentlichen Kündigung.
5. Leitende Angestellte
Eine Ausnahme zu dem dargestellten Begründungszwang für einen Auflösungsantrag sieht § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG für leitende Angestellte vor. In diesen Fällen braucht der vom Arbeitgeber gestellte Auflösungsantrag nicht begründet zu werden. Dies hängt mit der besonderen Vertrauensstellung dieser Person zusammen. In diesen besonderen Fällen muss deshalb das Arbeitsverhältnis auch dann aufgelöst werden, wenn tatsächlich keine Auflösungsgründe vorliegen.
IV. Abfindungshöhe
Die Abfindungshöhe wird von dem Arbeitsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt. Im Einzelnen bemisst sich die Höhe dabei nach § 10 KSchG. Folgende Grenzen sieht das Gesetz vor:
Grundsätzlich ist maximal ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Dieser Betrag kann dann auf 15 oder 18 Monatsverdienste erweitert werden, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens 15 bzw. 20 Jahre bestanden und der Arbeitnehmer mindestens das 50. bzw. das 55. Lebensjahr vollendet hat.
Als Monatsverdienst gilt dabei nach § 10 Abs. 3 KSchG das, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitzeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, zusteht. Dies ist grundsätzlich das letzte Bruttomonatsentgelt. Allerdings sind Sonderzuwendungen, Tantiemen sowie 13. Gehälter anteilig zu berücksichtigen. Überstunden sollen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zur regelmäßigen Arbeitszeit geworden sind.
Für die Festsetzung der angemessenen Abfindung sind vom Arbeitsgericht alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehören die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter, der Familienstand, eine etwaige Dauer der Arbeitslosigkeit, die allgemeine wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers und auch das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung. In der Praxis hat sich dabei die bekannte Formel von einem halben Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr, die nun auch in § 1 a KSchG ihren rechtlichen Niederschlag gefunden hat, durchgesetzt.
V. Steuerfreibeträge
In diesem Zusammenhang weisen wir nochmals auf die geänderten Steuerfreibeträge seit dem 1. Januar 2004 hin. Der Grundfreibetrag beträgt für alle Arbeitnehmer 7.200,00 €. Für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und auf eine Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren verweisen können, erhöht sich dieser Freibetrag auf 9.000,00 €. Bei einem Alter von 55 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 20 Jahren beträgt der Steuerfreibetrag 11.000,00 €.
Überschießende Beträge werden begünstigt versteuert (so genannte Fünftelregelung). Im Übrigen sind Abfindungen stets sozialversicherungsfrei.
Hinweis für die Praxis:
Gerade für den Arbeitgeber sind die hohen Anforderungen an einen Auflösungsantrag erfahrungsgemäß kaum zu erfüllen. Dennoch sollte auch dieses prozessuale Instrument nicht unberücksichtigt gelassen werden. Liegen nämlich mögliche Gründe für einen Auflösungsantrag vor, erhöht dies jedenfalls praktisch die Chancen auf eine einvernehmliche Aufhebung. Es sollte deshalb stets geprüft werden, ob zusätzlich ein Auflösungsantrag gestellt werden kann.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen
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