Bekanntlich gelten seit dem 1. April 2017 neue Regelungen im Arbeitnehmerüberlassungsrecht. Seit der Neufassung des AÜG gilt für die Arbeitnehmerüberlassung eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Arbeitgeber haben daher diese verschärften Anforderungen seit 1. April 2017 streng zu beachten. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen interessanten Ausweg aufgezeigt. Werden Mitarbeiter in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt, kann dies eine Arbeitnehmerüberlassung ausschließen (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 13.06. 2017, 5 Sa 2009/16). Die interessante und wichtige Entscheidung möchten wir hier für die Praxis besprechen.
Arbeitgeber dürfen Leiharbeiter laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) maximal für 18 Monate beschäftigen. Werden Mitarbeiter jedoch in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt, kann dies eine Arbeitnehmerüberlassung ausschließen, urteilte nun das LAG Mecklenburg-Vorpommern.
Der Fall:
Die klagende Arbeitnehmerin ist bereits seit 1976 als Krankenschwester bei einer Universitätsklinik (Beklagte zu 2) beschäftigt. Das Uniklinikum versorgt unter anderem nierenkranke Patienten stationär, was ggf. erforderliche Dialysen einschließt. Die Uniklinik gründete gemeinsam mit einem gemeinnützigen Verein (Beklagter zu 1) ein Nierenzentrum. Dieser Verein unterhält in Deutschland rund 200 Nierenzentren. Zu diesem Zweck schlossen Verein und Universität eine Kooperationsvereinbarung.
Seit 1994 war die Klägerin ausschließlich in dem Nierenzentrum auf der Grundlage eines Personalgestellungsvertrages eingesetzt. Aufgrund der Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum 1. Dezember 2011 beantragte die Universität vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und schloss mit der Klägerin eine Zusatzvereinbarung für Leiharbeitnehmer ab.
Die Klägerin erhob nun Klage gegen den Verein auf Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einer bei ihr beschäftigten Gesundheits- und Krankenpflegerin. Von der Universität, ihrem Arbeitgeber, verlangte sie die Zahlung der sich nach Auskunftserteilung ergebenden Vergütungsdifferenzen, die sie auf monatlich ca. 500,00 € bezifferte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung abgelehnt.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Drittbezogener Arbeitseinsatz
Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen der Erlaubnis, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung liegt immer dann vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen.
Aber: Nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz ist eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG. Kennzeichen der Arbeitnehmerüberlassung ist eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (Leiharbeitsvertrag) sowie das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher. Notwendi-ger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
Hinweis für die Praxis:
Über die rechtliche Einordnung des Vertrages zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des AÜG nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen.
II. Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb
Die Arbeitnehmerüberlassung ist von einer Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem gemeinsamen Betrieb (Gemeinschaftsbetrieb) zu unterscheiden. Um Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich gerade nicht, wenn die Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen in diesem Sinne liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und ge-zielt eingesetzt werden. Der Einsatz der Arbeitnehmer muss von einem einheitlichen Leitungsapart gesteuert werden. Daher müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Daran fehlt es aller-dings, wenn sich die Beteiligung des einen Arbeitgebers allein auf das Zurverfügungstellen seiner Arbeitnehmer an den anderen Arbeitgeber beschränkt.
Das Landesarbeitsgericht hat hier einen gemeinsamen Betrieb bejaht. Beide Beklagten haben sachliche Mittel für den Betrieb des gemeinsamen Nierenzentrums zur Verfügung gestellt, Dialysegeräte einerseits und das Grundstück andererseits. Die Zusammenarbeit erfolgte auf-grund einer räumlichen und personellen Verzahnung im stationären und ambulanten Bereich. Beide Unternehmen stellten Personal für das Nierenzentrum zur Verfügung, nämlich Ärzte und Pflegekräfte. Die Kooperationsvereinbarung und der Personalgestellungsvertrag begründeten zusätzliche Anhaltspunkte für die Führungsvereinbarung. Es wurde eine gleichberechtigte Zusammenarbeit vereinbart. Die Weisungsbefugnisse wurden nach den jeweils zu leistenden Beiträgen aufgeteilt. Mit der Bejahung des Gemeinschaftsbetriebes hat gleichzeitig das Landesarbeitsgericht damit die Arbeitnehmerüberlassung abgelehnt.
Fazit:
Die Entscheidung ist von hoher praktischer Relevanz. Die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gilt nicht im Gemeinschaftsbetrieb. Drittbezogener Personaleinsatz kann damit trotz der engen Vorgaben des AÜG weiterhin außerhalb des Anwendungsbereiches des AÜG gestaltet werden. Der Einsatz von Arbeitnehmern im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebes ist damit eine echte Alternative. Aber: Ein Gemeinschaftsbetrieb muss auch tatsächlich vorliegen und unterliegt strengen Anforderungen. Maßgeblich ist dabei nicht, worauf das Landesarbeitsgericht ausdrücklich hingewiesen hat, die gewählte Vertragsbezeichnung, sondern die tatsächliche Handhabung. Es reicht also nicht aus, einen Gemeinschaftsbetrieb abstrakt festzulegen. Vielmehr müssen die tatsächlichen Voraussetzungen auch erfüllt sein, insbesondere muss eine einheitliche Führungsvereinbarung vorliegen und auch alle sonstigen Kriterien müssen vorliegen. Daher sollte die Führungsvereinbarung auch nicht stillschweigend oder konkludent vereinbart werden, sondern ausdrücklich und schriftlich. Auch alle weiteren Voraussetzungen müssen sorgfältig geprüft und bejaht werden. Kann dies gewährleistet werden, greifen die strengen Beschränkungen des AÜG auf Basis der aktuellen Rechtsprechung nicht ein.
Auszeichnungen
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