30.09.2018 -

Das Bundeskabinett hat am 26.09.2018 den Entwurf des „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) beschlossen. Damit hat der Entwurf von Gesundheitsminister Spahn eine erste Hürde genommen. Ob im weiteren parlamentarischen Prozess noch Änderungen erfolgen, bleibt natürlich abzuwarten.

Im Fokus des Gesetzes (der Name ist Programm) steht vordergründig der schnellere Zugang zu Arztterminen für gesetzlich Versicherte. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht das Gesetz diverse Maßnahmen vor, die in den vergangenen Wochen und Monaten bereits vielfach diskutiert worden sind und weitestgehend bekannt sein dürften. Ob das Problem, das sie zu lösen vorgeben, tatsächlich in diesem Umfang relevant ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.


Wesentlicher Punkt beim TSVG ist der Ausbau des Angebots innerhalb der Terminservicestellen.  

Erhöhte Mindestsprechzeiten und offene Sprechstunden

Zentrale Änderung für Vertragsärzte ist die beabsichtigte Änderung der Mindestsprechzeiten. Vertragsärzte sollen demnach künftig mindestens 25 Stunden pro Woche an Sprechzeiten anbieten müssen, wobei Hausbesuchszeiten angerechnet werden. Neu soll auch sein, dass Augen-, Frauen- und HNO-Ärzte fünf Stunden offene Sprechzeit ohne Terminvergabe anbieten müssen.

Ausbau der Terminservicestellen

Die Terminservicestellen sollen ausgebaut werden. Diese sollen telefonisch und digital unter der einheitlichen Rufnummer 116 117 an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr erreichbar sein. Die Aufgaben der Servicestellen sollen zudem erweitert werden und künftig auch Haus- und Kinderärzte zur dauerhaften Versorgung vermitteln. Darüber hinaus soll der Service sich auch darum kümmern, Akut-Patienten an Praxen und Notfallambulanzen auch während der Sprechstundenzeiten zu verteilen.

Mehr Geld für erfolgreiche Überweisung

Nach den Erwägungen im Gesetzesentwurf sollen auch wirtschaftliche Anreize gesetzt werden. So sollen diverse Leistungen künftig extrabudgetär vergütet werden, wie die erfolgreiche Vermittlung von dringenden Facharztterminen durch Hausärzte (mit fünf Euro), Akutleistungen für Patienten, die von der Terminservicestelle vermittelt werden, Leistungen für neue Patienten in der Praxis mit einem Aufschlag von 25 Prozent auf die Versicherten- und Grundpauschale; ebenso Leistungen beim Patientenbestand, wenn eine neue Krankheit diagnostiziert wird. Leistungen, die in der offenen Sprechstundenzeit erbracht werden, sollen einen Zuschlag von 15 Prozent auf die Grundpauschalen erhalten. Leistungen der Hausärzte für von der Terminservicestelle vermittelte dauerhafte Patienten sollen ebenfalls extrabudgetär vergütet werden.

Spannende Regelungen für MVZ

Scheinbar weniger im Fokus stehen Regelungen, welche die Gründung und den Betrieb von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) betreffen. Die diesbezüglich im TVSG enthaltenen Regelungen könnten es aber in sich haben.

Laut der Gesetzesbegründung verfolgt das Gesetz das Ziel, die Attraktivität der medizinischen Versorgungszentren zu erhalten und gleichzeitig für eine ausgewogene Balance zwischen Anstellung und selbständiger Tätigkeit zu sorgen. Zu diesem Zweck sollen „die gesetzlichen Regelungen weiterentwickelt und Rechtsunsicherheiten beseitigt werden“. Die so angekündigten Veränderungen können teilweise weitreichende Konsequenzen für medizinische Versorgungszentren haben – im Guten wie im Schlechten.

Einzug von Arztstellen bei Überversorgung?

Eine kritische und in den Augen bestehender MVZs teilweise als „existenziell“ bezeichnete Regelung des Entwurfes sieht vor, dass der Zulassungsausschuss künftig die Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ, in dessen Region Zulassungsbeschränkungen gelten, dann ablehnen können soll, wenn er diese aus Versorgungsgründen nicht für erforderlich hält. Eine solche Regelung existiert bisher nur für (freiberufliche) Vertragsarztsitze. Künftig soll dies also auch für Arztstellen im MVZ (und auch für Angestelltenstellen in Vertragsarztpraxen) gelten.

Scheinbar „wohlwollend“ betont der Gesetzentwurf die Selbstverständlichkeit, dass der Zulassungsausschuss hier nur über das „ob“ der möglichen Einziehung einer solchen Arztstelle entscheiden können solle, nicht über das wie, bzw, „mit wem“. Wenn also eine Arztstelle nach der entsprechenden Entscheidung des Zulassungsausschusses nachbesetzt werden kann, steht es weiterhin im Belieben des MVZ, welcher fachlich geeignete Arzt angestellt werden soll. Warum dies einer besonderen Erwähnung bedarf, erschließt sich dem geneigten Leser indes nicht. Denn es dürfte schwerlich anzunehmen sein, dass irgendjemand es für sinnvoll oder gar rechtlich zulässig hält, dass der Zulassungsausschuss bestimmen könnte, zwischen welchen Vertragsparteien ein Anstellungsverhältnis zu begründen sei.

Auffällig ist im Übrigen bezüglich dieser Regelungen im Gesetzentwurf, dass bislang ein Verweis auf die bestehenden Entschädigungsregelungen des § 103 Abs. 3a SGB V fehlt. Diese Regelungen betonen, dass im Falle der Ablehnung der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes durch den Zulassungsausschuss der betroffene Vertragsarzt (oder dessen Erben) selbstverständlich in Höhe des Verkehrswertes zu entschädigen sind. Entsprechende Regelungen im Zusammenhang mit der Ablehnung der Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ fehlen aber bislang, was rechtlich äußerst fragwürdig sein dürfte.


Kritisch im Entwurf des TSVG ist zu bewerten, dass der Zulassungsausschuss künftig die Nachbesetzung einer Arztstelle in einem MVZ ablehnen darf, wenn in der Region Zulassungsbeschränkungen gelten und der Ausschuss diese aus Versorgungsgründen für nicht erforderlich hält.

Ärztenetze als zulässige MVZ-Träger

Ärztenetze nach § 87b Absatz 4 SGB V sollen in den Kreis der zulässigen MVZ-Träger aufgenommen werden. Allerdings soll ihre MVZ-Gründungsberechtigung auf Gebiete mit festgestellter Unterversorgung beschränkt werden.

Beschränkung der Dialyseträger auf fachbezogene MVZ

Die Trägergruppe der Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 SGB V soll in ihren bisherigen Gründungsrechten beschränkt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird damit beabsichtigt zu verhindern, dass „MVZ immer häufiger von Investoren gegründet werden, die allein Kapitalinteressen verfolgen und keinen medizinisch-fachlichen Bezug hätten“. Für nach dem bisherigen geltenden Recht zugelassene MVZ soll es einen Bestandsschutz geben.

Angestellte Ärzte: Gesellschafteranteile am MVZ

Bereits seit einigen Jahren (GKV-VSG 2015) ist geregelt, dass die Gründereigenschaft auch für solche Ärzte erhalten bleibt, die ihren Vertragsarztsitz in ein MVZ zum Zwecke dessen Gründung oder Erweiterung einbringen und sich anschließend dort als angestellte Ärzte betätigen. Ein (vormaliger) Vertragsarzt kann sich also in seinem eigenen MVZ anstellen lassen und insoweit auch auf seine Zulassung verzichten, ohne die Gründereigenschaft zu verlieren. Der Entwurf des TVSG erweitert diese Ausnahme um diejenigen angestellten Ärzte, die der zuvor genannten Arztgruppe im MVZ nachfolgt. Hier bleibt abzuwarten, ob die Regelung tatsächlich so eng bleibt. Denn so wird nur ermöglicht, Gründer „auszutauschen“ und zwar auch nur solche, die zuvor auf eine eigene Zulassung verzichtet hatten. Nicht möglich wird nach dem bisherigen Entwurf hingegen die zusätzliche Aufnahme eines zuvor nur „normal“ angestellten Arztes in den Gesellschafterkreis des MVZ.

Ein MVZ-Träger kann mehrere MVZs tragen

Klargestellt wird im TSVG-Entwurf ebenfalls, dass eine Träger-GmbH mehrere MVZ tragen kann und nicht für jedes MAZ eine neue GmbH gegründet werden muss. Dies wird teilweise bislang in den unterschiedlichen KV-Bezirken unterschiedlich interpretiert.

Fazit:

Für MVZ bleibt es spannend. Viele der im Entwurf enthaltenen Regelungen sind eine Reaktion auf bislang festgestellte Defizite und könnten ein sinnvolles „Nachjustieren“ darstellen. Allein die Option, dass Arztstellen künftig auch eingezogen werden könnten, erscheint bedrohlich. Hier bleibt aber natürlich auch abzuwarten, wie sich der weitere politische Prozess entwickelt, insbesondere auch bezüglich der noch fehlenden Entschädigungsregelung. Sollte die Regelung tatsächlich geltendes Recht werden, bleibt abzuwarten, wie sich die konkrete Rechtsanwendung in den Bezirken der einzelnen KVen entwickelt. Die Fragestellung erinnert natürlich ganz erheblich an die Einführung des § 103 Abs. 3a SGB V für die Vertragsärzte. Auch hier war die Verunsicherung erheblich. In der Praxis kam und kommt es hingegen kaum zur Einziehung von Arztsitzen. Insofern wird auch im Vertragsarztrecht nicht immer alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Lorbeerkranz

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    (brand eins Ausgabe 23/2022, 20/2021, 16/2020)

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