20.07.2004 -

 

Das Kündigungsschutzgesetz findet bekanntlich nicht auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung. Kleinbetriebe werden aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun in einem aktuellen Urteil mit der bislang wenig thematisierten Frage zu beschäftigen, ob bei der Berechnung des Schwellenwertes der gekündigte Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen ist (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 22. 1. 2004 – 2 AZR 237/03 -).

 

I. Der neue Schwellenwert für Kleinbetriebe

 

Das Kündigungsschutzgesetz greift bekanntlich erst nach einer Wartezeit von 6 Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG). Ferner sind so genannte Kleinbetriebe von seinem Anwendungsbereich ausgenommen. Bis zum 31. Dezember 2003 waren dies Betriebe, in denen in der Regel nicht mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Neufassung dieser Vorschrift war stark umstritten. Zum 1. Januar 2004 ist dennoch der neue § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG in Kraft getreten. Die kompliziert formulierte Neuregelung des Schwellenwerts wollen wir an dieser Stelle nicht wörtlich wiedergeben. Nach der Neufassung gilt der allgemeine Kündigungsschutz erst in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern. Wie bisher auch, werden Teilzeitbeschäftigte lediglich anteilig berücksichtigt. Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden mit 0,5 gezählt, Teilzeitbeschäftigte mit nicht mehr als 30 Wochenstunden zählen hingegen mit 0,75. Rechnerisch beginnt damit der allgemeine Kündigungsschutz, wenn mindestens 10,25 Arbeitnehmer (mehr als 10) beschäftigt werden.

 

Übergangsregelung

 

Alle Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des in Kraft Tretens der Neuregelung bereits Kündigungsschutz genießen, behalten diesen auch weiterhin zeitlich unbegrenzt. Arbeitnehmer, die also am 1. Januar 2004 bspw. in einem Betrieb mit 7 Arbeitnehmern beschäftigt waren, behalten ihren Kündigungsschutz auch künftig. Sinkt hingegen die Beschäftigtenzahl der vor dem 1. Januar 2004 eingestellten Arbeitnehmer auf genau 5 oder weniger Arbeitnehmer, verlieren alle Altarbeitnehmer ihren Kündigungsschutz und können diesen erst dann wieder erlangen, wenn insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Im Einzelfall kann es hier durchaus in entsprechenden Kleinunternehmen zu problematischen Fällen kommen. Hierzu verweisen wir auf die weiterführende Literatur (Preis, DB 2004, S. 70, 78; Löwisch, BB 2004, S. 154, 161).

 

II. Berechnung des Schwellenwertes

 

Dem Bundesarbeitsgericht lag nun ein Fall vor, bei dem es noch um die Berechnung des alten Schwellenwertes (mehr als 5 Arbeitnehmer) ging. Das Landesarbeitsgericht hatte in der Berufungsinstanz entschieden, dass es bei der Feststellung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG zur Ermittlung der für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnenden regelmäßigen Beschäftigtenzahl – bezogen auf den Kündigungszeitpunkt – grundsätzlich eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung bedarf. Die zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs soll nach der gesetzlichen Regelung unbeachtlich sein; es soll vielmehr auf die Beschäftigungslage ankommen, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Diese Grundsätze entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BAG.

 

Das LAG hat nun aber hieraus den Schluss gezogen, dass der zu kündigende Arbeitnehmer selbst bei der Berechnung der „in der Regel Beschäftigten“ nicht mehr mit zu berücksichtigen ist. Auf den höheren Beschäftigungsstand in der Vergangenheit komme es nicht an, wenn der Betrieb auf Dauer mit einer verringerten Belegschaft fortgeführt werden soll, so das LAG.

 

Dem hat das BAG nun ausdrücklich widersprochen. Eine Betriebseinschränkung führt nur dazu, dass künftig eine andere, regelmäßige Arbeitnehmerzahl gegeben sein soll. Im Kündigungszeitpunkt ist jedoch für den Betrieb noch die bisherige Beschäftigtenzahl kennzeichnend, da ohnehin nicht absehbar ist, ob die Unternehmerentscheidung, die der Kündigungsabsicht zugrunde liegt, sich tatsächlich auch verwirklichen lässt. Zudem kann auch im Rahmen des § 23 KSchG kein anderer Maßstab gelten als bei den vergleichbaren Regelungen der § 17 ff. KSchG und §§ 111 ff. BetrVG. Dort ist bereits anerkannt, dass bei der Betriebsstilllegung unter der Betriebseinschränkung nur der Rückblick auf die bisherige Beschäftigtenzahl zur Berechnung des Schwellenwertes maßgeblich ist.

 

III. Fazit

 

Den Ausführungen des BAG, die uneingeschränkt auch für das neue Kündigungsschutzrecht 2004 gelten, können wir uns nur anschließen. Würde man den zu kündigenden Arbeitnehmer selbst bei der Ermittlung des Schwellenwertes nicht berücksichtigen, würde dies zu dem nicht mehr vertretbaren Ergebnis führen, dass die Sozialwidrigkeit der Kündigung bereits inzident bei der Berechnung des Schwellenwertes geprüft werden müsste. Denn eine sozialwidrige Kündigung, die zum Verlust des Kündigungsschutzprozesses durch den Arbeitgeber führt, ist jedenfalls nicht geeignet, die für den Betrieb kennzeichnende Beschäftigtenzahl abzusenken.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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